Rolf Schwartmann "Das Internet ist nicht der Wilde Westen"

Das Fach Medienrecht und Medienwirtschaft an der TH Köln geht ins zehnte Jahr. Wir sprechen mit dem leitenden Professor.

Köln An der TH Köln lernen Studenten die rechtliche Dimension der Medien kennen. Fachstellenleiter Rolf Schwartmann erklärt, warum das Internet als rechtsfrei wahrgenommen wird und an wen sich das Studium richtet.

Medienrecht und Medienwirtschaft an der TH Köln gibt es - erst - seit zehn Jahren. Warum?

Rolf Schwartmann Köln bot sich als Standort für den Studiengang an, weil hier Wissenschaft und Unternehmen zusammenwirken können. Dass es Medienrecht an der TH Köln erst seit zehn Jahren gibt, liegt daran, dass wir die Forschungsstelle erst 2006 gegründet haben. Der Studiengang kam vergleichsweise schnell, nachdem sich die TH Köln, damals noch Fachhochschule, mit Blick auf die Bedeutung der Medien in der rheinischen Region dazu entschieden hat, das Thema in den Fokus zu nehmen.

Was macht die Region für Medienrechtler interessant?

Schwartmann Wenn Sie um den Kölner Dom einen Zirkel von 50 Kilometern schlagen, kommen Sie auf eine erhebliche Anzahl von Medienunternehmen und Aufsichtsbehörden: Verlagshäuser in Köln und Düsseldorf, RTL, WDR, Unitymedia, Electronic Arts, Produktionsgesellschaften und die Telekom. Auch Aufsichtsbehörden wie die Landesanstalt für Medien, die Datenschutzbeauftragte oder das Bundesamt für Informationssicherheit sind hier angesiedelt.

Was hat sich in zehn Jahren auf dem Gebiet des Medienrechts verändert?

Schwartmann Die sozialen Medien haben viel verändert. Das, was früher Presse, Rundfunk und Fernsehen vorbehalten war, nämlich Inhalte mit großer Reichweite zu verbreiten, kann heute jeder. Sie sehen deutlich, dass nicht jeder, der bloggt, automatisch kompetent ist. Jeder hat ein Recht, über soziale Medien zu funken. Zugleich muss er aber die inhaltliche Verantwortung für sein Handeln übernehmen.

Sie meinen, weil das Internet wie ein Megaphon wirkt?

Schwartmann Der Schaden, den man im Internet anrichten kann, ist viel größer als in der körperlichen Welt. Die Möglichkeit, sich im Netz anonym zu äußern, ist datenschutzrechtlich zu begrüßen. Wer seinen Namen nicht nennt, tut sich aber oft leichter, Persönlichkeitsrechte anderer zu verletzen.

Jura heißt auch die Auseinandersetzung zwischen Recht und Gerechtigkeit. Ist das im Medienrecht auch so?

Schwartmann Viele denken, dass man im Internet mehr Freiheiten genießt als in der körperlichen Welt. Ich glaube, das liegt daran, dass man das Netz für eine Art Wilder Westen hält. Das ist aber falsch. Es gibt Regeln, sie sind nur nicht jedem bekannt und werden teils für nicht durchsetzbar gehalten. Wir werden uns dran gewöhnen müssen, dass der Staat dort schärfer reguliert.

Was ist das Besondere an Ihrem Studiengang?

Schwartmann Wir haben hauptamtliche Professoren, aber etwa zwei Drittel unserer Dozenten sind Praktiker - Lehrbeauftragte, die aus Unternehmen kommen, in ihren Bereichen versiert sind, aber der Hochschule nicht angehören. Der Charme ist, dass wir dadurch nah an den Bedürfnissen der Unternehmen sind. Es kommt vor, dass jemandem eine Stelle angeboten wird, bevor er den Studiengang abgeschlossen hat.

An wen richtet sich das Studium?

Schwartmann An Menschen, die sich in Unternehmen mit Medienangelegenheiten befassen wollen. Früher lag der Schwerpunkt von Verlagsjuristen darauf, sich um Gegendarstellungen und Streitigkeiten um die Reichweite der Meinungsfreiheit zu kümmern. Das gibt es nach wie vor. Heute ist ein Medienjurist aber auch jemand, der das Recht einer Homepage betreuen muss, die mittlerweile jede Tankstelle und jede Reinigung hat. Er muss auch die Aufgaben des betrieblichen Datenschutzbeauftragten kennen. Medienjuristen brauchen ebenso Onlineshops wie auch größere Arztpraxen, die mit Gesundheitsdaten umgehen.

Ist man danach Jurist?

Schwartmann Unser Abschluss ist der Master im Recht, Master Legum oder LLM genannt. Wir unterrichten zu 60 Prozent Recht, zu 30 Prozent Medienwirtschaft und zu zehn Prozent Verbreitungstechnik. Der Studiengang richtet sich an Bachelorabsolventen aus Rechts-, BWL- und Medienstudiengängen mit Rechtskenntnissen. Auch Volljuristen absolvieren hier zwei Jahre lang berufsbegleitend den Studiengang. Das macht Sinn, weil sie im Jura-Studium nicht in der Form damit in Berührung kommen wie hier.

Welche Themen interessieren die Studenten am meisten?

Schwartmann Die Studenten haben keine anderen Themen als der Rest der Gesellschaft. Sie gehen vielleicht mit einem anderen Bewusstsein mit Medien um als andere. Man kann es mit einem Arzt vergleichen, der informierter, aber nicht weniger intensiv raucht oder Alkohol trinkt.

Trägt der Studiengang nicht Eulen nach Athen, wenn die Studenten alle in der digitalen Welt groß geworden sind?

Schwartmann Nein. Nicht jeder, der ein Gerät bedienen kann, kann es auch verantwortlich benutzen. Man könnte es mit einem Kind vergleichen, das eine Herdplatte anmachen kann, aber nicht weiß, wie gefährlich sie ist. Es gibt im Medienbereich viel zu erklären: Wie die neuen Regeln funktionieren, wo sie nicht funktionieren, wo sie teilweise angepasst werden müssen.

Was ist in Ihren Augen das interessanteste Thema, das den neuen Jahrgang erwartet?

Schwartmann Für mich ist das die Frage, auf welche Weise Anbieter sozialer Netzwerke in die Verantwortung genommen werden. Nach welchen Regeln müssen Inhalte reguliert werden? Wer ist dafür zuständig? Das ist ein extrem spannendes Thema. Ebenso die Fragen, ob Youtuber eine Rundfunklizenz brauchen und ob ich als Bürger oder Unternehmen datenschutzkonform WhatsApp nutzen darf.

Sind das Fragen, die von der Forschung oder von der Gesellschaft gestellt werden?

Schwartmann Die Forschung reagiert auf das, was der Gesellschaft Probleme bereitet. Wir müssen uns damit abfinden, dass die Bundeskanzlerin Recht hatte, als sie sagte: Internet ist Neuland. Nur, weil ein Kommunikationsmechanismus seit ein paar Jahren wirkt, heißt das nicht, dass wir wissen, welche Auswirkungen er auf Staat und Gesellschaft hat.

OLIVER BURWIG FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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