Dolle Knolle Annabelle, ach, Annabelle, du bist so herrlich . . .

Die ersten deutschen Frühkartoffeln lassen noch einige Wochen auf sich warten. Ende Mai rechnen die rheinischen Bauern mit der Ernte. Aber alle schwärmen nur von einer.

Bei ihr stimmt einfach alles: das angenehme Äußere mit den flachen Augen, die Größe und natürlich ihre inneren Werte. "Annabelle, ach, Annabelle, du bist so herrlich intellektuell", dichtete Reinhard Mey in seinem Lied und dachte dabei natürlich nicht an eine Kartoffel. Verdient hätte es die Annabelle-Knolle aber, dass sie eine Lobeshymne bekommt, und so springen die Kartoffelbauern ein. "Das ist wirklich eine tolle Kartoffel", sagt Franz-Josef Dickopp, Geschäftsführer der Reka Rheinland, der Rheinischen Erzeugergemeinschaft Kartoffeln. Auch bei Birgit Pannenbecker, die mit ihrem Mann und einer anderen Familie den Loosenhof in Kaarst führt und mehrere Sorten anbaut, kommt häufig die Annabelle mit ihrem tiefgelben Fruchtfleisch und guten Geschmack auf den Tisch. Und ein Anbieter für Saatkartoffel wirbt für sie als die Kartoffel "für den besten Salat, den Sie je gemacht haben".

Die Annabelle-Kartoffel ist eine frühe Kartoffel. Vor etwa vier Wochen haben die rheinischen Landwirte diese Sorten gesetzt. "Wegen der niedrigen Nachttemperaturen hinken wir zurzeit ein paar Tage hinterher", sagt Dickopp, der Ende Mai, Anfang Juni mit den ersten heimischen Kartoffeln auf den Wochenmärkten rechnet. Die Knollen, die es zurzeit schon als "junge Ware" gebe, kämen aus Israel oder Ägypten. Anfang Mai werde dann die erste Ernte aus Italien und Spanien verkauft. Zu erkennen sind frische Kartoffeln an der losen Schale, die wie Fetzen von der Knolle hängen. Das macht sie in der Küche so beliebt, weil die Haut noch so dünn ist, dass man sie ohne Probleme mitessen kann. Bleiben die Kartoffeln ein wenig länger im Boden, wird die Schale härter. Das ist wiederum wichtig, damit sie für den Handel in Tüten abgepackt werden kann. Wer zum Spargel schon kleine Kartoffeln will, der kann zu jeder Saison auf Drillinge zurückgreifen. "Die werden bei eingelagerten Sorten wegen ihrer Größe einfach aussortiert", erklärt Dickopp. So klein und knubbelig wie sie sind, werden sie immer beliebter.

Die Kartoffel steht für Deutschland, auch wenn sie ursprünglich aus Südamerika stammt. Im Ausland werden Deutsche gerne "Kartoffeln" genannt. Und doch hat das Gemüse, das deshalb zum Beispiel in Italien sogar mit Nudeln kombiniert wird, ein wenig an Ansehen eingebüßt. "Die Kartoffel ist für uns ein Grundnahrungsmittel, hat aber in meinen Augen gegen die Pasta etwas verloren", sagt Pannenbecker. Nudeln haben einen Vorteil: Sie müssen nicht geschält werden und haben eine kürzere Kochzeit. Dabei ist die vitamin- und nährstoffreiche, dafür aber kalorienarme Knolle gesünder. Doch das Wissen der Verbraucher um die Kartoffel ist wieder größer geworden: "Sie informieren sich mehr über regionale Produkte und besondere Sorten", stellt die Kaarsterin fest. "Sie entscheiden sich bewusst und haben die Vielfalt auch schätzen gelernt."

Weltweit gibt es mehr als 4000 Sorten, in Deutschland sind mehr als 200 zugelassen. So lohnt auf den Märkten oder bei Kartoffelbauern die Suche nach Besonderheiten. Die französische La-Ratte-Kartoffel ist zum Beispiel eine Spezialität, ebenso das Bamberger Hörnchen. Es gibt rotschalige Kartoffeln mit gelbem Fruchtfleisch und auch lilafarbene wie die Vitelotte-Kartoffel. Die ist für Experte Dickopp aber nicht viel mehr als ein Gag. "Für Gäste habe ich die auch schon gemacht, die ist ja wirklich ein Hingucker und schmeckt leicht nussig", sagt er. Aber ansonsten brauche man für die Vitelotte einfach "zu viel Pflaster". Sie hat viele Augen in der Schale: Greift man zum Messer, sei die Verletzungsgefahr groß. Greift man zum Kartoffelschäler, muss man lange und viel hobeln, bis alle Knubbel entfernt sind.

Es gibt festkochende, vorwiegend festkochende und mehlige Sorten, abhängig vom Stärkegehalt der Knollen. Welche gerade besonders beliebt sind, verläuft immer in Wellen, sagt Dickopp. "Das ist ein bisschen wie der Dax, der unterliegt auch Schwankungen." So seien mehligkochende Sorten zuletzt wieder beliebter geworden, obwohl sie zuvor - außer in Süddeutschland - keine große Rolle gespielt hätten. Die Sorte bestimmt aber nicht allein über den Geschmack. "Wie schmackhaft eine kartoffel ist, liegt auch am Boden und an der Art der Produktion", sagt Dickopp.

Doch welche Sorte nimmt man für was? Festkochende Kartoffeln wie die Cilena, Allians oder Annabelle empfiehlt Pannenbecker für Salate, Rösti, Salz-, Pell- und Bratkartoffeln. Beliebt sind dafür auch Sieglinde, Nicola und Linda. Vorwiegend festkochende wie Gloria eignen sich für Suppen, Pommes Frites, Gratins und auch als Beilage. Mehlige wie die Marabel und Melody sind perfekt für Pürees, Gnocchi, Knödel und Kroketten.

In Nordrhein-Westfalen werden auf rund 33.000 Hektar Kartoffeln angepflanzt, damit liegt es bundesweit auf dem dritten Rang hinter Niedersachsen und Bayern. Beim Anbau wird unterschieden zwischen Industrie- und Speisesorten. Florian Oymans aus Geldern baut die Sorte "Fontane" an, daraus werden Pommes Frites. "Die Fontane hat als Industriekartoffel einen höheren Stärkegehalt", erklärt er. So werden die in Stifte geschnittenen Kartoffeln außen kross und bleiben innen weich.

(RP)
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