"2012 TC4" Hausgroßer Asteroid raste knapp an Erde vorbei

Düsseldorf · Am Donnerstagmorgen hat ein hausgroßer Asteroid die Erde um Haaresbreite verfehlt. Mit bloßem Auge war "2012 TC4" kaum sichtbar. Aber für Wissenschaftler ist sein Vorbeiflug ein Test für den potenziellen Ernstfall.

Um 7.41 Uhr war es so weit. Während viele Menschen in Deutschland ihren Frühstückskaffee kochten, im Stau über den Berufsverkehr fluchten oder sogar noch in Ruhe schliefen, raste mit knapp 28.000 km/h der Asteroid "2012 TC4" über ihren Köpfen vorbei — nur rund 44.000 Kilometer entfernt. Das ist so nah, dass aus astronomischer Sicht der etwa 19 Meter große Gesteinsbrocken die Erde um Haaresbreite verpasst.

Der Vorbeiflug sei wie berechnet pünktlich erfolgt, sagte Detlef Koschny von der Europäischen Raumfahrtagentur Esa am Donnerstag im niederländischen Noordwijk.

Zum Vergleich: Der Mond ist 380.000 Kilometer von uns entfernt. "2012 TC4" dagegen bewegt sich fast schon in der Region geostationärer Satelliten, die sich in 36.000 Kilometern Höhe um die Erde bewegen. Das macht "2012 TC4" zu einem Objekt, das unserem Planeten gefährlich nahe kommt.

Mit bloßem Auge konnte man indes nichts sehen. Dafür war der Asteroid viel zu klein und immer noch zu weit entfernt. Am ehesten war er vielleicht noch mit einem guten Teleskop zu sehen, allerdings ging am Donnerstagmorgen zur Zeit der größten Annäherung bei uns bereits die Sonne auf. Besser waren die Chancen im Internet über das Virtual Telescope Project, das live Bilder zeigen wird.

Ein Wiedersehen mit 2012 TC4 wird es erst im Jahr 2079 geben. Dann existiert laut Esa eine minimale Wahrscheinlichkeit, dass er die Erde trifft. Die Chance betrage nach aktuellsten Berechnungen 1:15.000.
Doch da der Asteroid auf seinem jetzigen Vorbeiflug von der Erde abgelenkt werde, könne sich die Wahrscheinlichkeit geändert haben.

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Foto: ap

Gefahr bestand freilich keine: Experten der europäischen Weltraumagentur ESA und der US-Weltraumbehörde NASA konnten zuvor Entwarnung geben. Der Asteroid war nicht auf Kollisionskurs mit der Erde. Und selbst wenn, wären die Folgen weniger verheerend als im Hollywoodfilm. Was passieren kann, wenn ein vergleichbar großer Brocken in die Erdatmosphäre eindringt, war im Februar 2013 über dem russischen Tscheljabinsk zu beobachten: Der Asteroid zerfiel noch in der Luft in seine Einzelteile. Es kam zu einer gewaltigen Druckwelle, die damals 3700 Gebäude beschädigte und 1491 Menschen verletzte.

Dennoch besteht die Bedrohung weiterhin, dass eines Tages ein Asteroid erneut die Erde trifft. Größer und massiver als "2012 TC4" und damit auch mit katastrophaleren Folgen. In der Datenbank der ESA werden derzeit 16.745 Objekte geführt, deren Bahn um die Sonne relativ nahe jener der Erde liegt.

658 davon gelten als potenziell gefährlich: Sie kommen der Erde bis auf wenige Millionen Kilometer nahe und sind größer als 150 Meter. Die gute Nachricht bislang ist aber, dass "keins der bekannten Objekte in den nächsten 100 Jahren eine Gefahr darstellt", gibt Lindley Johnson von der NASA auf der Internetseite der US-Weltraumbehörde bekannt. Aber was passiert, wenn es doch passiert? Was ist, wenn ein großer Asteroid einen Kurs hat, der unweigerlich zur Kollision führen wird?

Der Vorbeiflug von "2012 TC4" war ein idealer Test für Astronomen weltweit, die mit ihm erproben können, wie man im Ernstfall vorgehen würde: Wissenschaftler messen seine Helligkeit — also, wie viel Sonnenlicht er reflektiert. Je dunkler ein Asteroid wirkt, desto geringer ist seine Dichte. Umgekehrt heiß das aber auch: Je heller er wirkt, desto "felsiger" und dichter ist der Asteroid.

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Immer genauere Daten zu seiner Bahn geben zudem Aufschluss über seine Masse und Geschwindigkeit — und damit am Ende über die Energie, die beim Aufprall freigesetzt würde und welche Folgen dadurch drohen. Studien dazu existieren bereits auf Basis der tatsächlichen Einschläge auf der Erde in den vergangenen Millionen von Jahren.

Mit immer mehr Daten lässt sich auch berechnen, wo der Asteroid auf die Erde treffen würde. Anfangs wäre das ein sehr breiter Korridor von möglichen Gebieten. Mit weiteren Beobachtungen würde der aber immer kleiner werden. Am Ende würde man dann zumindest in etwa das Gebiet kennen, dem eine direkte Gefahr droht. Alle diese Berechnungen lassen sich mit "2012 TC4" sehr gut testen — um für den Ernstfall gerüstet zu sein.

Und was würde man tun, wenn die Kollision unausweichlich schiene? Wenn man wie im Fall von "2012 TC4" mehrere Jahre Zeit hätte, würde man versuchen, die Bahn des Asteroiden zu verändern. Und Ideen dafür gibt es mehrere. Man könnte einen massiven Flugkörper bauen, der den Asteroiden rammt. Nicht um ihn zu zerstören. Selbst wenn das gelänge, müsste man nicht mehr nur mit einem gefährlichen Objekt rechnen, sondern mit vielen kleineren Bruchstücken. Sie würden dann an mehreren Orten über den Erdball verteilt einschlagen— und jedes Mal mit eventuell katastrophalen Folgen. Die Lösung aus Hollywood-Filmen wäre in der Realität darum eher gefährlich.

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Vielmehr ginge es darum, durch den Einschlag eines massiven Flugkörpers die Geschwindigkeit oder die Umlaufbahn des Asteroiden ein klein wenig zu verändern — bis er an der Erde vorbeifliegt. Oder aber man erzielt den gleichen Effekt mit einer Art Ionen-Kanone. Das klingt nach Science Fiction und Star Wars. Tatsächlich aber sind Ionen elektrisch geladene Teilchen, die sich recht leicht auf hohe Geschwindigkeiten beschleunigen lassen: Wenn sie dann auf den Asteroiden treffen, können sie mit der Zeit ebenfalls seine Geschwindigkeit verändern.

Eine andere Option wäre, einen massiven Flugkörper zu starten oder eventuell sogar einen anderen, kleinen Felsbrocken im All einzufangen. Als Begleiter des gefährlichen Asteroiden würden sie ihn dann alleine durch Schwerkraft wie eine Art Traktor auf eine etwas andere Bahn lenken. Getestet wurden diese Verfahren indes alle noch nicht.

(jov)
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