Marc Jan Eumann Aus für Werbung bei Öffentlich-Rechtlichen?

Am Mittwoch diskutiert der Landtag über das neue WDR-Gesetz. Zu den Kernfragen des Entwurfs bezieht Medienstaatssekretär Marc Jan Eumann Stellung.

 Marc Jan Eumann (49) ist seit 2010 im Amt.

Marc Jan Eumann (49) ist seit 2010 im Amt.

Foto: Seyb

Viele Zuschauer hatten sich erhofft, dass den öffentlich-rechtlichen Sendern in Bezug auf Werbung Einhalt geboten wird. Wieso überlassen Sie dem WDR weiter diesen Spielraum?

Eumann Das WDR-Fernsehen ist ja werbefrei. Die Landesregierung verfolgt den stufenweisen Ausstieg aus Werbung und Sponsoring für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, weil sie davon überzeugt ist, dass mit der Umstellung auf die Haushaltsabgabe eine sichere Finanzierungsgrundlage inklusive Entwicklungsgarantie gewährleistet ist. Aber wir verfolgen dieses Ziel in einer bundeseinheitlichen Regelung — nicht als Teil des WDR-Gesetzes. Würde man ARD und ZDF heute erfinden, würde man sie ohne Werbung erfinden, weil man die Finanzierung allein über die Haushaltsabgabe stemmen könnte. Die Zeiten von Werbung im öffentlich-rechtlichen Programm sind gezählt!

Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?

Eumann Die Sender haben Ihren Finanzbedarf angemeldet, nun stellt die KEF entsprechende Berechnungen an und macht einen Vorschlag, der dann den Ländern vorgelegt wird. Die Länder entscheiden, wenn die Berechnungen im Frühjahr vorliegen.

Im Fall Gottschalk wurde als Erklärung angefügt, dass die Gage aus Werbeeinnahmen, nicht aus Rundfunkbeiträgen finanziert wurde. Was halten Sie von der Aussage?

Eumann Die Aussage, "es seien nur Werbeerlöse", ist mindestens fragwürdig. Denn Werbung wird in die Berechnung der KEF immer miteinbezogen: Das, was an weniger Werbung da ist, wird über den Haushaltsbeitrag finanziert.

Was sind die Lehren aus der "Lex Gottschalk", die sich im neuen Entwurf des WDR-Gesetzes widerspiegeln?

Eumann Die Vertragsgestaltung im Fall von Thomas Gottschalk haben wir nicht zu kritisieren. Sie war jedoch Anlass, über die Aufgaben der Kontrollgremien nachzudenken. Der neue Entwurf sieht eine Aufsicht der Gremien über größe Programmbeschaffungen vor, auch wenn sie von WDR-Tochtergesellschaften beauftragt wurden. Diese Zuständigkeit lag bislang außerhalb der Kontrolle der Gremien, was im Fall Gottschalk dazu geführt hat, dass der Rundfunkrat keine Kenntnis des Vorgangs hatte. Das kann in Zukunft nicht mehr passieren.

Aber es gibt weiterhin eine Obergrenze, die bei zwei Millionen Euro Vertragsvolumen liegt, bevor ein Kontrollgremium einbezogen wird.

Eumann Wir halten es nicht für notwendig, diese Grenze weiter zu senken. Zwei Millionen sind bei Fernsehproduktionen in der Regel schnell erreicht. Und auch in anderen Geschäftsbereichen ist es üblich, dass der Intendant beziehungsweise der Geschäftsführer bis zu einer bestimmten Summe prokura hat. Erst wenn eine Hürde übersprungen ist, kommt der Verwaltungsrat hinzu, und bei einer weiteren der Rundfunkrat. Der entscheidende Punkt, den wir jetzt erreicht haben, ist: Ein solcher Vertrag erreicht auf jeden Fall ein Gremium.

Es macht den Eindruck, als ob der Verwaltungsrat gestärkt und der Rundfunkrat entmachtet, beziehungsweise auf andere Aufgaben zurückgewiesen wird. Warum?

Eumann Ich halte die Einschätzung für falsch. Die wichtigsten Aufgaben bleiben: Die Wahl des Intendanten und die Verabschiedung des Haushalts liegen weiter in den Händen des Rundfunkrates. Der Rundfunkrat entscheidet zudem über Grundsatzfragen der Programmgestaltung. Hinzu kommen weitere Aufgaben, etwa bei Fragen von Kooperationen des Senders. Wir haben generell versucht, mit dem Entwurf die binnenplurale Kontrolle im Westdeutschen Rundfunk zu stärken.

Aber der Jahresabschluss und der Geschäftsbericht des Intendanten liegen fortan im Verantwortungsbereich des Verwaltungsrates. . .

Eumann Die Frage, die wir uns gestellt haben, war: Welche Aufgaben sind besser bei einem Gremium aufgehoben, das mit anderen Kompetenzen belegt ist? Im Verwaltungsrat sind künftig sieben Personen vertreten, darunter zwei Juristen, ein Betriebswirtschaftler und ein Wirtschaftsprüfer. Wir verlagern die Aufgabe der Personalbewirtschaftung in den Verwaltungsrat, der in ein Expertengremium verändert wird.

Künftig soll der Rundfunkrat mehr Mitglieder haben — 58 statt 49. Wieso stocken Sie das Gremium auf, und wer darf zusätzlich darin sitzen?

Eumann Das ist eine Konsequenz aus dem Urteil des Bundesverfassungsgericht zum ZDF-Staatsvertrag. Viele Verbände sind seit langem ununterbrochen vertreten, andere Gruppen fehlen. Wir mussten uns Fragen stellen wie: Was wird gegen die Versteinerung der Gremien getan? Wie gehen wir mit Minderheiten um? Das Ergebnis: Jede Institution, die jetzt dort vertreten ist, wird ihren Platz behalten. Wer aber lange einen eigenen Sitz hatte, wird sich diesen zukünftig oftmals mit jemand anderem teilen, damit auch neuere Institutionen wie z.B. der Kulturrat NRW zum Zuge kommen können. Verbände, die sich einen Sitz teilen, müssen sich auf einen Kandidaten einigen, den sie entsenden — für die gesamte Periode von fünf Jahren.

Wie kommen neue Gruppen hinein?

Eumann Institutionen können sich auf einen von sieben Sitzen beim Landtag bewerben, sie benennen dann eine Person. Die weiteren zwei neuen Sitze sind für weitere Personen vorgesehen, die sich dafür beim Rundfunkrat melden können. Wir senken damit im Verhältnis auch den Anteil der Vertreter aus der Politik auf unter ein Viertel.

Bislang waren auch Frauen im Rundfunkrat unterrepräsentiert. . .

Eumann Ja, das stimmt. Wir machen aus dem Soll ein Muss. Die bisherige Regelung hat offenbar nicht ausgereicht, um ein gerechtes Verhältnis von Männern und Frauen in dem Gremium herzustellen. Es soll nun für jeden Verband einen zwingenden Wechsel nach zwei Amtsperioden geben.

Muslime sind jedoch weiter nicht vertreten.

Eumann Es gibt nach dem Körperschaftsstatusgesetz in Nordrhein-Westfalen noch keine anerkannte muslimische Gemeinde. Sobald das der Fall ist, wird das bei einer weiteren Novellierung nachgeholt.

Sie reduzieren die Sitzungen des Rundfunkrats von acht auf sechs. Sind acht Sitzungen zu teuer, oder was war der Grund?

Eumann Es ist eine Kann-Vorschrift, wir wollen mehr Flexibilität im Rhythmus. Das Finanzielle spielt in diesem Fall keine Rolle. Wir haben jedoch die Höhe der Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder angepasst. Für jedes ordentliche Mitglied, das sowohl zu seiner Ausschuss-, als auch zur Rundfunkratssitzung kommt, bleibt es in etwa bei der Höhe, die es jetzt auch hat. Sollte es nicht an einer Sitzung teilnehmen, gibt es weniger. Bei den stellvertretenden Mitgliedern wird es automatisch weniger. (Anm. der Redaktion: Die Mitglieder erhalten monatlich 1000 Euro, zusätzlich gibt es 200 Euro Sitzungsgeld, plus weitere Zahlungen bei der Übernahme weiterer Funktionen).

Wollen Sie so die Partizipation stärken?

Eumann Es ist ein Anreiz, das anspruchsvolle Ehrenamt intensiver wahrzunehmen.

Sie waren selbst 15 Jahre Mitglied des Rundfunkrates. Wie unabhängig ist in Ihren Augen das Gremium?

Eumann Die Gremien befinden sich generell in einem Spannungsfeld zwischen Prätorianergarde für den Intendanten und Vertreter der Allgemeinheit. In den letzten Jahren habe ich jedoch den Eindruck, dass sie die zweite Rolle stärker wahrnehmen. Die Wahrnehmung vieler Zuschauer ist jedoch: Ich beschwere mich über eine Sendung, und es passiert aus der Sicht des Beschwerdeführers zu wenig. Das hängt auch damit zusammen, dass die Programmautonomie (abgeleitet aus Artikel fünf des Grundgesetzes) ein sehr hohes Gut ist. Das prägt das Bild von Gremien, dass sie wenig bewirken. Dem widerspreche ich ausdrücklich. Ich habe sehr kontroverse Diskussionen erlebt, die eine gesellschaftliche Debatte abbilden, die bei den Programmverantwortlichen ankommt. Etwa nach Bekanntwerden des Falls Gottschalk. Der WDR kann kein Interesse an einer schwachen Aufsicht haben, sondern es funktioniert nur mit einer starken Aufsicht.

Warum werden dann die Programmausschüsse nicht öffentlich gemacht?

Eumann Wir wollen, dass Anwesenheitslisten und Protokolle für alle im Internet zugänglich gemacht werden. Es ist aber auch wichtig, dass es Orte gibt, wo nicht öffentlich diskutiert wird. Transparenz passiert dort, wo dann auch die Entscheidungen getroffen werden: in den Rundfunkratssitzungen. Die Ausschüsse bereiten ja nur vor. Ich bin ganz sicher: Es wird sich eine neue Kultur der Transparenz entwickeln.

Es wird der Vorwurf erhoben, die Neuerungen seien mit dem Intendanten Tom Buhrow abgestimmt. Ist das richtig?

Eumann Das ist ganz normales Regierungshandeln. Wir beteiligen die Öffentlichkeit — in diesem Fall durch eine Online-Umfrage —, selbstverständlich binden wir auch die Beteiligten ein, sprechen also mit Vertretern des WDR und dem Intendanten. Aber es ist und bleibt der Entwurf der Landesregierung und kein Gesetz vom WDR für den WDR.

LESLIE BROOK FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

(RP)
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