Berlin Volksbühne-Chef Dercon gibt auf

Berlin · Fäkalien vor der Bürotür: Zwischen Intendant und Ensemble herrschte Krieg.

Chris Dercons gestriger Rücktritt vom Amt des Intendanten der Berliner Volksbühne war das Ende einer unaufhaltsamen Spaltung. Schon seit einiger Zeit hatte sich abgezeichnet, dass der Riss zwischen Dercon und seinem Ensemble nicht mehr zugemörtelt werden konnte.

Dercon hat zwar auch selbst zur Verbreiterung dieses Graben beigetragen, aber die Belegschaft trifft hohe Mitschuld: Gerade die vielen Anhänger von Dercons Vorgänger Frank Castorf hatten den neuen Mann ihre Ablehnung fortwährend spüren lassen. Die Volksbühne glich in den vergangenen Monaten einer Schlangengrube. Das Theater wurde vom Ensemble besetzt, außerdem soll es sogar Fäkalien vor Dercons Bürotür gegeben haben.

Kultursenator Klaus Lederer (Linke), so hieß es gestern, sei mit Dercon übereingekommen, dass dessen Konzept einer Popularisierung des Hauses "nicht wie erhofft aufgegangen ist und die Volksbühne umgehend einen Neuanfang braucht". Dercon hatte Castorf im Sommer 2017 beerbt. Lederer und Dercon hätten sich "einvernehmlich darauf verständigt", die Intendanz des 59-Jährigen mit sofortiger Wirkung zu beenden. Damit sei jetzt die Chance gegeben, den notwendigen Neustart einzuleiten.

Der designierte Geschäftsführer Klaus Dörr wurde beauftragt, kommissarisch die Geschäfte Dercons zu übernehmen. Lederer nannte die in der Vergangenheit geäußerte Kritik an Dercon in Form von persönlichen Angriffen und Schmähungen "aus Teilen der Stadt" inakzeptabel: "Solche Formen der Auseinandersetzung sind unwürdig."

Theatermacher Claus Peymann (80), Kritiker der Personalie Dercon, machte die Politik verantwortlich für das Scheitern des Belgiers. "Die erwartete Katastrophe ist eingetreten", so der Ex-Intendant des Berliner Ensembles. Schon früh habe er davor gewarnt, "dass die Schauspielkunst und das Ensemble an der Volksbühne gekillt" und stattdessen eine weitere "Eventbude" etabliert werde.

(EPD)
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