Braunsbach in Baden-Württemberg "Das ist ein Ort der Verwüstung"

Braunsbach · In Braunsbach und Flachslanden sind nach dem schweren Unwetter viele Häuser einsturzgefährdet. Vier Menschen starben.

Wo früher eine Straße war, türmt sich heute nur noch Geröll. Feuerwehrmann Oresti Kenurgio steht im Ortskern von Braunsbach, seiner Heimat - oder dem, was nach dem Unwetter von ihr übrig ist. "Braunsbach war einmal", sagt der 29-Jährige. "Da ist ja nichts mehr da." Er blickt auf die Reste eines Feuerwehrwagens, von Trümmern und Holz begraben liegen sie vor ihm. Als er Sonntagabend alarmiert wird, springt er in den Mannschaftswagen. Zu spät - die Wassermassen reißen das Fahrzeug mit. Kenurgio stürzt sich aus der Fahrerkabine, wie er später erzählt. Der Wagen wird fortgespült, durch das Dorf geschleudert, prallt Hunderte Meter weiter unten an eine Hauswand. "Ich bin heilfroh, dass ich da noch rausgekommen bin."

Drei Bäche fließen durch die 2000-Einwohner-Gemeinde in Baden-Württemberg. Durch das heftige Unwetter schwellen sie zu reißenden Flüssen an, spülen Wassermassen hinunter in das Dorf im Kochertal, setzen es unter Wasser. Eine Steinlawine schiebt sich Hunderte Meter durch den Ort und hinterlässt eine Schneise der Zerstörung. Bank, Lebensmittelladen, die Geschäfte im Ort - alles ist ausgelöscht. "Das waren Naturgewalten, man kann das nur als Wahnsinn bezeichnen", sagt Bürgermeister Franz Harsch.

Opfer jedoch forderte die Unwetternacht in Braunsbach zum Glück nicht - im Gegensatz zu anderen Gemeinden im Süden Deutschlands. In Schwäbisch Gmünd wurden gestern erst nach Stunden zwei vermisste Männer tot geborgen, sie waren in einer Bahnunterführung von Wassermassen in einen Kanalschacht gesaugt worden. Ein 38 Jahre alter Feuerwehrmann hatte vergeblich versucht, einen 21-Jährigen aus dem Schacht zu befreien - beide kamen um. In Weißbach im Hohenlohekreis starb ein 60 Jahre alter Mann in einer überschwemmten Tiefgarage. Ein 13-jähriges Mädchen wollte unter einer Bahnbrücke bei Schorndorf Schutz vor dem Regen suchen, wurde dort von einem Zug erfasst und getötet.

Ursache für die enormen Regenmengen war ein Tiefdruckgebiet, das sich wegen schwacher Luftströmung über Süddeutschland festgesetzt hatte, erklärt Meteorologe Stefan Laps vom Wetterdienst Meteogroup. Entsprechend bewegten sich die Starkregenfelder kaum, zogen nur langsam übers Land. Die Folge: extrem hohe Regenmengen auf einem Fleck. In einigen Gebieten fielen laut Deutschem Wetterdienst (DWD) bis zum Morgen mehr als 100 Liter pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Der Monatsdurchschnitt für Mai beträgt für Bayern 90 Liter pro Quadratmeter, für Baden-Württemberg 96 Liter pro Quadratmeter. Aber auch wenn solche Starkregenfälle sehr selten sind, können sie laut Laps in strömungsschwachen Jahreszeiten wie Frühling und Sommer vorkommen. "Das sind immer wieder auftretende Phänomene", sagt Laps.

Für die Menschen in den betroffenen Regionen spielt das keine Rolle. Sie müssen die Folgen der Katastrophe bewältigen. So verwandelten sich auch in den Orten Flachslanden und Obernzenn bei Ansbach in Bayern binnen kurzer Zeit schmale Bäche in reißende Flüsse und überfluteten viele Straßen und Keller. Das von den Hängen herabschießende Wasser sei im Flachslander Ortsteil Sondernohe als breiter Strom durch den Ort gerauscht, erzählte ein Feuerwehrmann: "Das ist ein Ort der Verwüstung." Dasselbe gilt für Braunsbach. Dort wurden zwei Brücken weggerissen. Viele Häuser sind einsturzgefährdet und deshalb unbewohnbar. Sie sollen evakuiert werden, doch teils weigerten sich die Menschen, ihre Wohnungen zu verlassen. Strom- und Wasserversorgung liegen lahm.

Allein in Baden-Württemberg wurden von Sonntagnachmittag bis gestern Morgen rund 7000 Helfer von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Rotem Kreuz, Lebensrettungs-Gesellschaft und Polizei zu mehr als 2200 Einsätzen gerufen. Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach den Angehörigen der Hochwasseropfer sein Mitgefühl aus: "Unsere Gedanken sind bei den Angehörigen der Toten." In Neckarsulm bei Heilbronn wurden Teile des Audi-Werks durch die starken Regenfälle unter Wasser gesetzt, die Produktion musste zeitweise gestoppt werden.

Besonders stark von Hochwasser betroffen war der Kreis Biberach. Dort kam es laut Polizei auch zu einem Erdrutsch, der Bäume und Schlamm auf ein Firmengelände schwemmte. Die Autobahn 7 im Kreis Heidenheim zwischen Giengen und Oberkochen sei wegen großer Hagelkörner, die bis zum Knöchel reichten, vier Stunden lang gesperrt gewesen. Die Autobahnmeisterei musste Schneepflüge einsetzen. In Ulm waren viele Straßen nicht mehr befahrbar. Wegen der Aufräumarbeiten blieben viele Schulen und Kindergärten gesten geschlossen. Ulms Bürgermeister Stefan Neumann sprach von einer Naturkatastrophe.

Im thüringischen Ilmenau liefen infolge der Gewitter binnen Stunden mehr als 100 Keller voll. In Rheinland-Pfalz verursachte Hagel große Schäden in einigen Weinbergen, aus Hessen wurden Ernteschäden bei Erdbeeren und Zuckerrüben gemeldet.

(RP)
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