Jahreswechsel Warum ich Silvester hasse

Düsseldorf · Silvester scheint Deutschland in zwei Lager zu spalten: Die einen lieben es, die anderen hassen es. Unsere Autorin gehört definitiv zur zweiten Kategorie. Warum, erzählt sie hier.

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Menschen, die sich sonst auf der Straße nicht grüßen, fallen sich in die Arme und wünschen sich nur das Beste. Wie aufrichtig. Silvester ist der heuchlerischste Tag des Jahres.

Nichts ändert sich

Den Zauber der Silvesternacht habe ich schon als Kind nicht verstanden. Mir war nie klar, warum sich in den letzten Stunden des alten Jahres alle so verhalten, als stände etwas Besonderes bevor, ein ganz großer Wandel.

Als ich damals langsam herausgefunden habe, dass sich außer der Jahreszahl auf dem Kalender wirklich nichts ändert, war ich ein bisschen enttäuscht.

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Mein Kinderzimmer hatte sich über Nacht nicht von selbst aufgeräumt und auch mein Hamster blieb weiterhin tot. Alles beim Alten - am 31. Dezember wie am 1. Januar. Seitdem ist es vorbei mit der Silvester-Sympathie.

Während ich die Abneigung dagegen als Kind noch ganz gut unterdrücken konnte, fällt mir das mittlerweile immer schwerer. Vor allem, wenn eine ganz bestimmte Frage schon spätestens ab Jahresmitte nicht mehr zu überhören ist: "Was machen wir eigentlich an Silvester?"

Alles muss perfekt sein

Ein ganz und gar perfekter 31. Dezember verlangt schließlich Vorbereitungszeit. Und perfekt soll Silvester ja werden. Mit dem perfekten Essen, dem perfekten Ort, der perfekten Party und den perfekten Leuten um sich herum. Silvester ist ja etwas ganz Besonderes — angeblich.

Die großen Pläne meiner Freunde haben sich in den vergangenen Jahren aber traditionell kurz vor dem Jahreswechsel zerschlagen. Panik bricht aus: "Was machen wir denn jetzt an Silvester?" Gemütlich zuhause bleiben, das ginge nicht.

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Foto: Miserius, Uwe

Weil die letzten Monate des Jahres so bombastisch waren, müssen auch die letzten Sekunden so grandios enden. Oder sie waren genau das Gegenteil und deswegen muss die Silvesternacht die Jahresbilanz jetzt noch schnell aufwerten.

Schlechte Laune ist verboten

Eine Notlösung muss deswegen her. Und die führt letztlich auf mehr oder minder langweilige Partys, von denen man sich aber auf jeden Fall mehr versprochen hatte und trotzdem so tut, als hätte man dort wahnsinnigen Spaß. Es ist ja die Silvesternacht. Und wer kann es sich an so einem besonderen Datum erlauben, schlechte Laune zu haben? Und das dann auch noch zu zeigen?

Spätestens fünfzehn Minuten vor Mitternacht wird es hektisch: Gleich ist es soweit. Ist auch alles bereit für den Jahreswechsel? Wenn nicht: Pech gehabt. Die Zeit bleibt nicht stehen. Immer wieder frage ich mich: Wartet wohl wirklich ein schlechteres Jahr auf uns, wenn wir pünktlich um Mitternacht nicht mit Sektglas und brennender Wunderkerze parat stehen? Man weiß es nicht. Aber die wenigsten wollen das Risiko eingehen. Der Trubel in den letzten Minuten des alten Jahres ist deshalb kaum noch zu ertragen.

Das Internet funktioniert nicht

Dann brechen die letzten Sekunden an — wie aufregend. Und drei, zwei, eins: "Frohes neues Jahr." Menschen, die sich auf der Straße nicht grüßen, fallen sich in die Arme und wünschen sich nur das Beste. Wie aufrichtig. Und heuchlerisch.

Überall klirren Sektgläser, es brennen Wunderkerzen — und es knallt. Böller gehen hinter, vor und neben mir los und geben das Zeichen, dass ich mich in den nächsten Stunden besser nicht mehr draußen aufhalten sollte. Währenddessen versuche ich lieber ein paar Neujahrsgrüße via SMS und WhatsApp auf den Weg zu bringen. Vergeblich.

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Das Netz steht kurz vorm Zusammenbruch. Ich habe wirklich keine Lust mehr und will jetzt nach Hause - muss aber erst abwarten, bis draußen die letzten Raketen und Böller abgefeuert wurden und ich mich auf den Heimweg wagen kann.

Gute Vorsätze nerven

Ein bisschen später trudeln auch die anderen wieder von draußen ein. Ein Mann steckt sich sofort eine Zigarette an. Kurz vorher hatte er mir noch gesagt, dass er ab dem neuen Jahr nicht mehr rauchen will. Ich wundere mich. Oder auch nicht. "Was soll´s", sagt er. "Damit starte ich dann eben ab nächster Woche. Warum muss es ausgerechnet am ersten Tag im neuen Jahr sein?" Das frage ich mich auch.

Genauso wie bei all den anderen Vorsätzen, mit denen man ständig bis zum Jahreswechsel warten muss und sie nicht einfach an einem anderen Kalendertag angehen kann.

In meinem Leben wird sich jedenfalls in der Nacht auf den ersten Januar auch in diesem Jahr nichts ändern. Dass einzig und allein die Jahreszahl wechselt, habe ich jetzt ja schon öfter festgestellt.

Eines habe ich am Neujahrstag bisher aber doch immer gespürt: Das Piepen in den Ohren - von lauten Silvesterböllern, die auf dem Nachhauseweg noch um mich herum in die Luft gegangen sind. Und den Wunsch, am nächsten Silvesterabend einfach zuhause zu bleiben.

(jf)
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