1000 Kilometer NRW Schwebend in die Gründerzeit

Wuppertal · Eine Fahrt mit der Wuppertaler Schwebebahn lohnt sich auch als Sightseeing-Tour. Die 13,3 Kilometer lange Strecke bietet ungewöhnliche Einblicke in eine sich wandelnde Stadt.

1000 Kilometer NRW: Schwebend in die Gründerzeit
Foto: Ferl

Schweben, zwölf Meter über der Wupper, das ist für Wuppertaler alltäglich - und bleibt dennoch immer etwas Besonderes. Nicht nur, weil die Schwebebahn das Wahrzeichen und Aushängeschild der Stadt ist, sondern weil sie das urbane Bild prägt wie kein anderes Bauwerk. Das imposante, rund 115 Jahre alte Gerüst durchschneidet das Tal auf der Längsachse, so dass fast jeder, der in der Stadt unterwegs ist, die Strecke irgendwann kreuzen muss. Und wer in Wuppertal aufgewachsen ist, für den gehört das weithin hörbare Quietschen der Schwebebahnräder (das dank moderner Technik mittlerweile fast auf ein Flüstern reduziert wurde) zum Klangkosmos der Heimat.

Beginnen lässt sich eine Rundfahrt an jedem der 20 Bahnhöfe. Vom Rheinland kommend bietet sich jedoch die Endstation Vohwinkel an, weil sie am weitesten im Westen liegt. Oder man wählt Döppersberg/Hauptbahnhof im Herzen der City, um die Fahrt mit einem Bummel durch die Elberfelder Fußgängerzone abzurunden. Von Endstation zu Endstation sind es 13,3 Kilometer, zehn davon verlaufen die Schienen über der Wupper. Für die 26,6 Kilometer lange Rundfahrt braucht die Schwebebahn etwas mehr als eine Stunde. Während der Stoßzeiten morgens und am späten Nachmittag ist das Vergnügen jedoch begrenzt - dann sind die Wagen vollgepackt mit Passagieren. Rund 80.000 Menschen transportiert die Bahn jeden Tag.

Durch die erhabene Perspektive bietet eine Fahrt ungewöhnliche Einblicke ins städtische Leben, aber auch in Kultur und Stadtgeschichte. Tatsächlich rumpelt die Bahn über der Kaiserstraße in Vohwinkel nur wenige Meter an Gründerzeit-Fassaden vorbei. Anwohner brauchen dort starke Nerven oder haben sich daran gewöhnt, die orange-blauen Züge quasi auf Armlänge am Wohnzimmer vorbeirattern zu hören und zu sehen. Kurz darauf quert die Bahn in Richtung Oberbarmen das Sonnborner Kreuz, das zur Eröffnung 1974 als größtes innerstädtisches Autobahnkreuz Europas galt. Etwa ab Höhe des Stadions verläuft die Strecke über der Wupper. Für Tagesausflügler kommt nun eine wichtige Haltestelle: Zoo/Stadion. Ein Kombiticket (Erwachsene 14,50 Euro/Kinder sieben Euro) gewährt nicht nur freie Fahrt mit allen Wuppertaler Verkehrsmitteln, sondern auch kostenlosen Zugang zum landschaftlich schön gelegenen zoologischen Garten.

Es folgt das Werksgelände des in Wuppertal gegründeten Chemiekonzerns Bayer, bevor die Bahn die Stelle nahe der Station Robert-Daum-Platz passiert, an der es 1999 zum einzigen tödlichen Unfall in der Geschichte des Verkehrsmittels kam. Weil Arbeiter eine Kralle an der Schiene vergessen hatten, entgleiste ein Zug und stürzte in die Wupper. Fünf Menschen starben, sieben wurden schwer verletzt. Bis dahin galt die Schwebebahn als sicherstes Verkehrsmittel der Welt.

Weiter führt die Strecke über die Großbaustelle am Döppersberg. Dort wird gerade die zentrale Kreuzung der Stadt vor dem Hauptbahnhof für mehr als 130 Millionen Euro umgebaut. Kurz danach erreicht die Bahn das geschlossene Schauspielhaus und das 1854 errichtete Landgericht und ermöglicht wenige Stationen später nahe der Adlerbrücke einen Blick auf das Opernhaus, die Spielstätte des legendären Pina-Bausch-Ensembles. Etwa auf dieser Höhe sprang 1950 die vierjährige Elefantenkuh Tuffi aus der Schwebebahn in die Wupper - sie blieb unverletzt und die Anekdote fester Bestandteil lokaler Geschichte.

Aber nicht nur abseits der Bahn lohnt sich das Hinsehen, manche Stationen sind selbst Attraktionen. Die kühne Glaskonstruktion des Bahnhofs Kluse etwa oder die restaurierte Station Werther Brücke, die mit Jugendstilelementen aufwarten kann. Demnächst steht ohnehin die Schwebebahn im Mittelpunkt. Wohl ab Herbst ersetzen hochmoderne Züge die alten; Testfahrten laufen bereits. Der Clou: ein großes Panoramafenster im Heck. So schwebt es sich noch schöner.

(RP)
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