Paris Schluss mit Smartphones in der Schule

Paris · Der französische Bildungsminister will das Smartphone bis zur Oberstufe verbieten.

Viele Eltern kennen die Situation: Das Kind ist in der Schule, doch plötzlich kommt eine SMS. Die Note in der Mathearbeit, die Freundin, die übernachten will, oder der kranke Lehrer. Es gibt immer einen Grund, in der Pause schnell das Smartphone herauszuholen. In Frankreich soll sich das ab dem nächsten Schuljahr ändern, denn Bildungsminister Jean-Michel Blanquer will die Handys in der Grundschule und der Mittelstufe verbieten - auch auf dem Pausenhof. "Statt Fußball oder Fangen zu spielen, starren die Kinder nicht selten auf dem Schulhof auf ihr Telefon", sagt der frühere Direktor der Elite-Wirtschaftsuniversität ESSEC im Fernsehen. "Aus pädagogischer Sicht ist das problematisch."

Bei den Franzosen kommt die Maßnahme, die Emmanuel Macron im Wahlkampf versprach, gut an. 94 Prozent befürworten ein Handy-Verbot bis zur zehnten Klasse. "Ich finde die Idee sehr gut", sagt Emmanuelle Guerard, eine Mutter von sechs Kindern zwischen vier und 16 Jahren. "Das Handy hindert die Kinder daran, erwachsen zu werden, denn die Eltern telefonieren immer hinter ihnen her. Das Telefon ersetzt die Nabelschnur." Eine Studie des französischen Forschungszentrums zur Beobachtung der Lebensbedingungen (Credoc) ergab 2015, dass acht von zehn Jugendlichen ein Smartphone haben. Vier Jahre zuvor waren es nur zwei von zehn gewesen. Einige Kinder bekommen ein Handy, sobald sie sich alleine auf den Weg zur Schule machen -also mit sechs Jahren.

"Die Schüler sind süchtig nach ihrem Telefon. Das ist eine echte Plage", bemerkt ein Berufsschullehrer in der Zeitung "Le Monde". Jede Stunde erinnere er daran, dass die Smartphones während des Unterrichts nicht erlaubt seien. Doch unter dem Tisch werde trotzdem munter in die Tasten getippt. "Wir können nicht dagegen ankämpfen, sonst würden wir uns auf Dauer zu Polizisten machen." Bereits jetzt verbannen die Vorschriften das Handy aus dem Unterricht. Manche Schulen haben das Verbot auch auf den Pausenhof ausgedehnt, ohne dass dort allerdings kontrolliert wird. Die Lehrer dürfen auch nicht in den Schultaschen nachsehen.

Wie das neue Komplett-Verbot umgesetzt werden soll, ist unklar. Denn wenn die Schule die Handys einsammelt, muss sie sie auch gut verwahren, damit kein Gerät gestohlen wird. Blanquer brachte die Idee von Schließfächern auf, in denen die Telefone für Notfälle oder pädagogische Zwecke jederzeit zugänglich wären. Doch Handy-Schließfächer für alle französischen Schüler unter 16 kommen die Schulen teuer zu stehen. "Ich mache eine kleine Rechnung auf: 5300 öffentliche Mittelschulen mit 500 Schülern durchschnittlich machen knapp drei Millionen Schließfächer nötig", kalkuliert Philippe Vincent von der Gewerkschaft SNPDEN im Radiosender RTL. Für die klammen Landkreise ein Problem.

Die Investition könnte sich dennoch lohnen: Eine Studie der London School of Economics zeigte 2015, dass sich ein Handy-Verbot positiv auf die Leistungen der Kinder auswirkt. Die Schulen, in denen keine Telefone erlaubt waren, schnitten deutlich besser ab als die, wo die Kinder ihr Handy nutzen durften. Vor allem bei Schülern mit schlechten Noten verbesserten sich die Ergebnisse durch das Verbot.

Blanquer, der sofort nach seinem Amtsantritt die von seiner Vorgängerin abgeschafften Zwei-Sprachen-Klassen wieder einrichtete, hat für die Reform des französischen Schulwesens noch andere Ideen. So kündigte er nach den schlechten Ergebnissen der französischen Kinder in der internationalen Grundschul-Leseuntersuchung ein Diktat pro Tag an. Um die Ungleichheit zu bekämpfen, schlug der Jurist das Tragen von Schuluniformen vor. Seine neueste Idee ist ein Schulchor für jede Mittelschule. Piaf statt iPhone also künftig für Frankreichs Kinder.

(RP)
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