Dortmund Prozess um BVB-Anschlag startet mit Eklat

Dortmund · Mit drei Bomben soll Sergej W. versucht haben, Spieler von Borussia Dortmund zu töten - um sich über eine Wette am Kapitalmarkt zu bereichern. Beim Prozessauftakt schwieg der Angeklagte gestern. Dennoch ging es vor Gericht hitzig zu.

Der Prozess gegen Sergej W., der vor acht Monaten einen Sprengstoffanschlag auf den Mannschaftsbus von Borussia Dortmund verübt haben soll, startete mit einem kleinen Eklat. Verteidiger Carl W. Heydenreich ergriff noch vor der Verlesung der Anklage das Wort und warf der Staatsanwaltschaft Befangenheit vor. "Vorverurteilungskampagne" und "Geheimnisverrat" lauteten die Kampfbegriffe, die die Verteidigung zunächst vorbrachte. Die Staatsanwaltschaft habe Medienvertreter mit Inhalten aus der Ermittlungsakte versorgt und einseitig und tendenziell zulasten des Angeklagten ermittelt. Gegen diese Vorwürfe wehrte sich Oberstaatsanwalt Carsten Dombart. Er sprach von "einseitiger unseriöser Stimmungsmache". "Ich fühle mich nicht befangen", sagte er. Und hinsichtlich des Vorwurfs angeblicher tendenziöser Ermittlungen erklärte er: "Ich hätte gerne auch entlastende Beweise ermittelt, aber es gab keine entlastenden Umstände."

Der 28-jährige Russlanddeutsche Sergej W. muss sich seit gestern wegen 28-fachen versuchten Mordes vor der 39. Strafkammer des Dortmunder Landgerichts verantworten. Ihm wird vorgeworfen, heimtückisch, aus Habgier und mit gemeingefährlichen Mitteln am 11. April 2017 das Sprengstoffattentat auf die Mannschaft von Borussia Dortmund (BVB) verübt zu haben. Bei dem Anschlag auf den Bus kurz vor dem Champions-League-Spiel gegen den AS Monaco waren zwei Menschen verletzt worden - ein Polizist erlitt ein Knalltrauma, und der Abwehrspieler Marc Bartra brach sich den Arm. Er lässt sich im Prozess von BVB-Anwalt Alfons Becker vertreten. Bartra fordert Schmerzensgeld von mindestens 15.000 Euro.

Drei Sprengsätze mit Metallsplittern soll W. an einer Hecke angebracht haben. Laut Anklage soll er diese gegen 19.16 Uhr ferngezündet haben, als der BVB-Mannschaftsbus auf dem Weg ins Stadion an der Hecke vorbeifuhr. Zwei Sprengsätze zündeten, der dritte verfehlte das Ziel, weil er zu hoch angebracht worden war. Einer der Metallstifte aus der Bombe schlug in die Kopflehne des Sitzes ein, auf dem Marc Bartra saß.

Am 20. April nahm die Polizei W. fest, nachdem man zuvor von einem möglichen IS-Attentat ausgegangen war. W.s mögliches Motiv: Er hatte einige Tage vor der Tat 26.000 Euro auf den Kursverlust der BVB-Aktie gesetzt. Mehr als eine halbe Million Euro hätte er durch die Wette gewinnen können, wenn bei dem Anschlag mehr Spieler verletzt oder gar getötet worden wären, heißt es in der Anklage. Tatsächlich gewann er 5800 Euro, das Geld hat die Staatsanwaltschaft bereits eingezogen.

Bislang hat W. das Attentat abgestritten. Ob er sich im Prozess äußern will, ist noch unklar. Der gebürtige Russe lebte zuletzt in Rottenburg. Vor Gericht erschien er in blauem Kragenhemd und Jeans. In Handschellen führten die Justizbeamten den kleinen Mann mit blonden Haaren und weichen Gesichtszügen herein. Zu den Vorwürfen äußerte er sich nicht, über eine Dolmetscherin bestätigte er auf Russisch nur seine Personalien.

Verteidiger Heydenreich hatte bereits am Mittwochabend in den ARD-Tagesthemen das Sprengstoffattentat mit einem misslungen Torschuss verglichen. "Nur ein einziger Metallstift ist im Bus gelandet, nur ein einziger hatte nachweislich Kontakt mit dem Bus. Wenn ein Spieler unbedrängt aus fünf Metern das leere Tor nicht trifft, fragen Sie sich zwangläufig: Wollte er nicht oder konnte er nicht?", hatte der Anwalt gesagt. Gestern betonte er, sein Mandant habe nicht töten, sondern die Mannschaft nur "erschrecken" wollen.

Zum Prozessauftakt waren nur ganz wenige Zuschauer und Fans von Borussia Dortmund ins Landgericht gekommen. Einer von ihnen, Murat Cam (44) aus Dortmund, nannte den Anschlag einen "schwarzen Tag für den Fußball". Spieler und Verantwortliche von Borussia Dortmund werden frühestens zu ihrer möglichen Zeugenvernehmung im Gericht erwartet - wann das sein wird, ist noch unklar.

(heif)
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