Schwalmtal Niederrheiner erobern den Kölner Karneval

Schwalmtal · Um die Jecken in der Domstadt zu begeistern, braucht es neben Pointen auch Selbstbewusstsein. Gilt die Büttenrede doch als Königsdisziplin im Sitzungskarneval. Niederrheinische Spaßvögel wie Engel Hettwich, Christian Pape und De Frau Kühne beherrschen sie perfekt.

Köln hat für den Sitzungskarneval einen ähnlichen Stellenwert wie Nashville für die Country-Musik oder Hollywood für den Film - es ist der Olymp. Um sich dort durchzusetzen, braucht es neben guten Witzen auch Kampfgeist und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein. "Nachwuchstalente" in der Bütt haben meist schon weit mehr als zehn Jahre Bühnenerfahrung auf dem Buckel - so lange dauert es eben, bis sie in die großen Säle dürfen. Umso erstaunlicher, wie viele niederrheinische Karnevalisten in Köln die Pointen liefern.

Hedwig Sieberichs aus Schwalmtal zum Beispiel. Als Engel Hettwich schwebt sie seit elf Jahren in Köln ein. Natürlich erst, nachdem sie die örtlichen Literaten bei Vorstellabenden überzeugt hatte. Mittlerweile tourt sie in der Session von Auftritt zu Auftritt. "Gut, dass der Engel Flügel hat", sagt die 50-Jährige. Sie glaubt, dass es ihr geholfen hat, mit dem Engel eine charmante und liebenswerte Type zu haben. "Der Wiedererkennungswert ist hoch", sagt sie. Und die Figur fällt aus dem Rahmen. Engel Hettwich muss lachen. "Der ist gut, auch wenn Sie ihn gemacht haben."

Der Wegberger Christian Pape hatte im vergangenen Jahr seinen großen Durchbruch in Köln. In der Domstadt karnevalistisch aktiv ist der 42-Jährige aber schon seit zehn Jahren. "Das ist eine Ochsentour", sagt er. Heute reißt er seine Witze, meist Alltagsgeschichten, mit denen sich jeder identifizieren kann, in allen wichtigen Sälen, ist komplett ausgebucht. Aber er sagt auch, dass es wichtig ist, über Jahre Erfahrungen zu sammeln. "Man kann nicht von heute auf morgen neun Auftritte an einem Tag spielen, teilweise vor 1600 Menschen." Einen Saal in den Griff zu bekommen, nur mit dem Mikro in der Hand, sei eine Kunst, und die Luft in Köln besonders dünn. "Die Büttenrede gilt als die Königsdisziplin, da wird jeder Fehler bestraft."

Schon früh zog es Klaus Rupprecht auf die Bühne: Im Alter von zehn Jahren kaufte der junge Moerser, Jahrgang 1967, eine Marionette. Mit handgeschriebenen Zetteln warb er für sein "Puppentheater". Nach dem Umzug nach Homberg baute er sein Marionettentheater aus. Die Kolpingkarnevalisten baten ihn, doch auch mit einer Puppe aufzutreten. Die Marionetten waren aber viel zu klein. Auf der Moerser Kirmes sah Klaus einen Affen und fand den Partner fürs Leben. "Mir war sofort klar, dass er Willi heißt", erinnert er sich. 1983 standen sie erstmals gemeinsam auf der Bühne. 1994 durfte er sich in Köln auf einem Vorstellabend den Literaten (den Programmmachern der Karnevalsvereine) präsentieren. Der Auftritt war ein Riesenerfolg. Seitdem sind Klaus und Willi Teil des kölschen Karnevals. Als hauptberuflicher Bauchredner ist der verheiratete Vater von zwei Kindern das ganze Jahr unterwegs - auch auf Galafesten und Privatfeiern. Den Schwerpunkt bilden die über 200 Auftritte in der Session. Derzeit ist er der meistgebuchte Bauchredner in Deutschland. Nur den Sonntag und Rosenmontag hält er sich stets für die Homberger Kolpingkarnevalisten frei. "Dann feiere ich Karneval."

Auch De Frau Kühne startete schon im Kindesalter. In Aldekerk (Kerken, Kreis Kleve) war ihre Mutter Gertrud Egger Büttenrednerin aus Leidenschaft. Ingrid Kühne machte als Kind ihre ersten Ansagen, spielte plattdeutsches Theater und mischte im Karneval mit. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Du stirbst innerlich, wenn du vor so vielen Menschen auf die Bühne musst, oder du bist infiziert. Jeder Jeck ist anders, mich hat die Bühne ganz früh gepackt", blickt sie zurück. Die gelernte Schriftsetzerin machte aber eine lange Pause vom Karneval, bis sie in Xanten-Lüttingen wieder vom närrischen Bazillus infiziert wurden. Ihre Sketche und Reden kamen so gut an, dass sie von ihrem Mitstreitern zum Weg nach Köln gedrängt wurde. Über ein Casting und Vorstellabende kam sie ins Geschäft. Die großen Säle in Köln blieben ihr aber noch verschlossen, zunächst wurde sie rund um Düren zur festen Größe im Karneval. Ab 2013 ging es dann steil bergauf. Beim WDR gewann Ingrid Kühne in der Fernsehsendung "Blötschkopp und die Rampensäue". Und in dieser Session standen ihr dann auch die Heiligtümer des Karnevals offen: In den Sartory-Sälen ging es auf die ZDF-Mädchensitzung mit bundesweiter Ausstrahlung am heutigen Abend.

Auch im Gürzenich ist sie nun ein willkommener Gast. Alle Texte schreibt sie selbst, ein Kostüm braucht sie nicht. Ihre Rede ist keine Aneinanderreihung von Witzen, sondern es sind die Erlebnisse einer Hausfrau, Ehefrau und Mutter, die das Publikum auch in der Übertreibung gut nachvollziehen kann. Nicht nur im Karneval. Im vergangenen Jahr wagte sich De Frau Kühne auch an ein abendfüllendes Kabarettprogramm, mit großem Erfolg. Wenn irgendwo am Niederrhein ein Abend mit De Frau Kühne angekündigt wird, ist er schnell ausverkauft.

Natürlich erzeugt der Erfolg auch Druck, dem nicht jeder gewachsen ist. "Bei einer Band werden immer wieder die alten Hits verlangt", erklärt Christian Pape. "Meine guten Nummern muss ich am Ende einer Session aber einstampfen." Er stehe zwar gerne auf der Bühne und freue sich, wenn es gut gelaufen sei. "Manchmal denke ich aber nach einem Abend, was bringst du hier nächstes Jahr?" Auch Engel Hettwich weiß, dass man sich die Achtung des Publikums bei jedem Auftritt aufs Neue erkämpfen muss. Entscheidend sei dabei nicht, ob sie selbst eine Pointe lustig finde, sondern wie die Menschen reagieren. "Deshalb zögert man manchmal bei heiklen Themen, etwa der Kölner Silvesternacht. Aber meine Gags darüber sind gut angekommen."

Statt Witzen muss die Band De Rabaue aus Grevenbroich Lieder liefern. Nicht immer neue, klar. Aber welche, die zünden. "Wir haben viel und hart gearbeitet, um bekannt zu werden", sagt Gründungsmitglied Peter van den Brock. Denn die Ansprüche in Köln seien hoch und die Konkurrenz groß. Rund 15 Jahre sind De Rabaue im Karneval unterwegs und eine feste Größe geworden. "Rund 75 Prozent unserer Auftritte absolvieren wir in Köln", sagt van den Brock. Band wie Karnevalisten sind längst eingemeindet - sie werden nicht mehr als Niederrhein-Importe angesehen, sondern als kölsche Originale.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort