Unterwegs mit einem Bademeister Nicht vom Beckenrand springen

Essen · Mehr als 5000 Menschen haben den bisher heißesten Tag des Jahres im Grugabad in Essen verbracht. Wir haben einen der Bademeister in seiner Schicht begleitet.

Der kleine Junge ist verzweifelt. Mit großen Augen sitzt er auf dem Boden und starrt auf seinen linken Fuß. Der große Zeh ist aufgeschürft, ein bisschen Blut an der Wunde getrocknet. "Das brennt", sagt er, den Tränen nahe. Bademeister Daniel Porepp Galiano blickt ernst. Er weiß Rat: "Abduschen und dann wieder ins Wasser", sagt der 20-Jährige. Der Junge in der blauen Badehose sieht erleichtert aus. Er springt auf und läuft in Richtung Dusche davon. Ein ganz normaler Zwischenfall im Essener Grugabad.

Gestern hat sich in NRW endlich der Sommer gezeigt. Bis zu 35 Grad wurde es an einigen Orten heiß. Im Freibad neben dem Essener Messegelände hatte das Thermometer schon am Vormittag die 30-Grad-Marke überschritten. Dementsprechend voll waren Becken und Liegewiese. Sogar auf den harten Steinböden hatten einige ihre Handtücher ausgebreitet, um einen der begehrten Schattenplätze zu ergattern. Am Eingang und am Kiosk reihten sich die Menschen aneinander. Alle drei Kassen wurden aufgemacht, Höchstbetrieb.

Für Porepp Galiano ist das Alltag. Der 20-Jährige ist Fachangestellter für Bäderbetriebe, umgangssprachlich Bademeister genannt. In kurzer blauer Hose und weißem Polohemd steht er am Beckenrand und beobachtet die Schwimmer. Während die Menschen um ihn herum das schöne Wetter genießen, ist er in erhöhter Alarmbereitschaft. Um fünf Uhr hat er als Schichtleiter seinen Dienst angetreten, um zwanzig vor sechs standen die ersten am Tor und wollten rein.

Der gestrige Tag war auch für die Essener Sport- und Bäderbetriebe besonders. Erst 40.000 Besucher haben in diesem Jahr das Grugabad genutzt. Im gleichen Zeitraum 2015 waren es 75.000, am Ende der Saison immerhin 121.700. Noch mauer sah es dagegen 2014 aus: Damals waren unter anderem wegen Sturm "Ela" bis Juli nur 49.000 Badegäste gezählt worden, insgesamt kamen lediglich 75.000 Besucher. Auch für dieses Jahr ist die Prognose nicht gut: Sollte es so weitergehen wie bislang, rechnet man mit 140.000 Euro weniger an Einnahmen als 2015 sagt Michael Ruhl aus der Verwaltung.

Porepp Galiano ist derweil im Bad unterwegs. Immer wieder klingelt das Telefon, das er an der Hüfte trägt. Diesmal ist es sein Kollege, eine der Chlormaschinen muss nachgefüllt werden. Knapp fünf Minuten braucht der 20-Jährige dafür. Das Freibad ist an Tagen wie diesen besonders gut besetzt. Rund 35 Mitarbeiter sorgen ab der Öffnung um sechs bis zur Schließung um 20 Uhr dafür, dass die Gäste eine unbeschwerte Zeit haben können. Manchmal geht es dramatisch zu. Erst vergangene Woche hat Rettungsschwimmer Hussein Mowludi wieder einen Mann aus dem Wellenbecken gezogen. "Er hatte keine Kraft mehr und hat um Hilfe gerufen", berichtet der 39-Jährige, eine schwarze Trillerpfeife baumelt um seinen Hals. Je höher die Zahl der Gäste ist, desto größer sei die Gefahr, dass etwas passiert. Das Wellenbecken gilt als Gefahrenpunkt.

Seit 1964 ist das Grugabad in Betrieb. Es ist eines der größten Freibäder in NRW, 58.000 Quadratmeter misst es, etwas weniger als die Hälfte macht die Liegefläche aus. Aus ihrem Turm in der Mitte des Geländes haben die Mitarbeiter alle Becken und die Wiesen im Blick. Gerade ist es zwar überall laut, aber für die Bademeister und Rettungsschwimmer ruhig. Im Nichtschwimmerbecken werfen sich Eltern mit ihren Kindern Bälle zu, andere sausen die große weiße Rutsche hinab und deutlich weniger ziehen im Sportbecken ihre Bahnen. Hin und wieder ermahnt ein Bademeister ein Kind, das vom Beckenrand springt.

Die Besucher sind froh über den Sonnentag. "Wir haben ja nicht viel Sommer", sagt Yvonne Quaas (26). Can (8), Jason-Leon (7), Mia (4) und Aissatou (5) können es kaum erwarten, wieder ins Wasser zu kommen. Eher widerwillig lassen sie sich von Julia Piepiora (31), die mit ihnen ins Bad gekommen ist, eincremen.

Zwischen den leicht bekleideten Badegästen fallen die dunkel angezogenen Sicherheitskräfte auf. Das Bad fordert sie seit Jahren an gut besuchten Tagen an. "Die Gäste fühlen sich sicherer", sagt Porepp Galiano. Zwischenfälle mit Flüchtlingen habe es bislang nicht gegeben. Nur manchmal würde einer in Straßenkleidung ins Wasser steigen wollen. "Das geht natürlich nicht."

Am Ende des Tages sind die Badegäste müde und die Mitarbeiter geschafft. Viel Zeit zum Ausruhen bleibt nicht. "Unsere Stammgäste stehen um sechs Uhr wieder am Tor", sagt der Bademeister. "Bei jedem Wetter."

(RP)
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