Düsseldorf Mollaths verblüffender Auftritt bei Beckmann

Düsseldorf · Die erfahrene Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Hanna Ziegert belastete ihre Zunft schwer.

"Ich glaub', ich mache einen relativ vernünftigen Eindruck." Der Satz stammte von Gustl Mollath, dem zu Berühmtheit gelangten bayerischen Freiheitskämpfer in eigener Sache. Sieben psychiatrische Gutachter hatten dem 2006 durch Gerichtsentscheid in eine Klinik Eingewiesenen gemeingefährliche Wahnvorstellungen sowie ein "paranoides Gedankensystem" attestiert.

Wer Mollath (56), der kürzlich wiederum durch Gerichtsbeschluss aus der Psychiatrie freigekommen war, jetzt bei "Beckmann" im TV erlebte, wird sich gedacht haben: Der Mann, der mit Bedacht redete, differenziert argumentierte, über einen fülligen Wortschaft verfügt, kann doch kein geistig Gestörter sein. Irre sind womöglich die Verhältnisse, die Mollath (und wem sonst noch?) zum Verhängnis wurden. Besonders irre im Sinne von unglaublich klang also nicht das "Justizopfer" (Beckmann), vielmehr etwas anderes: das, was die Psychiaterin Hanna Ziegert und erfahrene Gerichtsgutachterin vortrug. Als Ziegert sagte, sie wisse nicht, ob sie sich jemals begutachten lassen würde, brach es aus dem Moderator hervor: "Das sagen Sie?!" Ziegert sagte noch Erschreckenderes, ja Abgründiges, was ihre Zunft ins Zwielicht rückte: Es sei gängige Praxis, dass Menschen, die sich wie Mollath beharrlich der Begutachtung verweigerten, aufgrund von Gutachten nach Aktenlage vom Gericht zwangsweise in die Psychiatrie eingewiesen werden. Außerdem lebten manche Gutachter von den Aufträgen der Justiz; so würden sie darauf achten, beim Brötchengeber nicht in Ungnade zu fallen. Da staunte der Laie am Schirm, aber den desillusionierten Anwalt Strate wunderte es nicht. Mollath, "das gebrannte Kind", lächelte fein und wissend.

Mollaths TV-Auftritt war die unmittelbare Fortsetzung eines Illustrierten-Interviews. Er wird wohl ein Buch schreiben über seine Erfahrungen in der Anstalt und mit einem System, das möglicherweise verrückt spielt. Mollath sagte, er setze auf ein gerechtes Wiederaufnahmeverfahren.

Die Sendung litt darunter, dass niemand am Tisch saß, der den Freigelassenen nach wie vor im Verdacht hat, ein extrem gescheiter Psychopath mit viel verstautem Aggressionspotenzial zu sein. Die Zweifler an der Story vom guten Kerl aus Nürnberg, dem großes Unrecht geschah, die gibt es auch. Sie waren nicht da, obwohl von Beckmann eingeladen.

(RP)
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