TV-Talk mit Sandra Maischberger Guter Türke, böser Türke?

Düsseldorf · Haben wir ein Integrationsproblem mit den Türken in Deutschland? Spätestens seit dem Ja zum türkischen Verfassungsreferendum steht diese Frage im Raum, auch die Runde bei Sandra Maischberger griff jetzt das Thema auf. Der TV-Talk zeigte vor allem: simple Schuldzuweisungen greifen zu kurz.

Darum ging's: Maischbergers Sendung stand unter dem Titel: "Türken in Deutschland: Immer noch Bürger zweiter Klasse?" Diskutiert wurde über gelungene und nicht gelungene Integration von Türken und Deutschtürken in der Bundesrepublik. Maischbergers Gäste arbeiteten sich vor allem an der Frage ab: Was ist in den letzten 15 Jahren schiefgelaufen?

Darum ging's wirklich: Bis auf Erdogan-Unterstützer Ozan Ceyhun waren alle Gäste bei Maischberger scharfe Kritiker des türkischen Präsidenten. Die Kampflinie zwischen Ceyhun und dem Rest der Runde war daher vorgezeichnet. Aber auch zwischen den anderen Gästen gab es viele Meinungsverschiedenheiten. Vor allem die Frage, wer die Verantwortung für nicht gelungene Integration der Deutschtürken trägt, spaltete die Runde.

Die Gäste:

  • Julia Klöckner (CDU), stellvertretende Bundesvorsitzende
  • Bilkay Öney (SPD), ehemalige baden-württembergische Integrationsministerin
  • Tayfun Bademsoy, Schauspieler
  • Susanne Schröter, Direktorin "Forschungszentrums Globaler Islam" an der Frankfurter Goethe-Universität.
  • Ozan Ceyhun, heute AKP-Mitglied, früher Europaabgeordneter für die SPD

Der Frontverlauf: Julia Klöckner markierte von Beginn an ihr konservatives Revier. Sie sei schwer enttäuscht und erschreckt darüber, dass eine Mehrheit der Türken in Deutschland für die Verfassungsreform Recep Tayyip Erdogans gestimmt habe, sagte Klöckner. "Ich habe schon große Fragen, an die, die mit ja gestimmt haben." Diese müssten sich die Frage gefallen lassen, womit sie es denn nun hielten: mit der deutschen oder der neuen türkischen Verfassung. "Wenn ich diese beiden Verfassungen nebeneinanderlege, passen die nicht zusammen."

Für das Scheitern von Integration machte sie vor allem eine Multikulti-Politik verantwortlich. "Addition von Vielfalt ergibt nicht ein gemeinsames Wertefundament", sagte Klöckner. In Deutschland werde außerdem zu oft vorauseilender Gehorsam betrieben, wenn es um andere Kulturen gehe, so zum Beispiel beim Schwimmunterricht für muslimische Mädchen. Man dürfe das "Männer- und Frauenbild nicht als Kultursensibilität abtun", sagte Klöckner.

Auf Kommentare aus der AfD angesprochen, wonach die Türken, die beim Referendum mit ja gestimmt hätten, doch zurück in die Türkei gehen sollten, wiegelte Klöckner eher halbherzig ab. Sie wünsche sich mehr Einsatz der Deutschtürken für die Demokratie, sagte sie.

Für Schauspieler Tayfun Bademsoy offenbarte Klöckners Haltung dagegen ein grundlegendes Problem in Deutschland. Wenn etwas schieflaufe, werde in Deutschland sofort die Keule rausgeholt, sagte er. Obwohl er ein Gegner Erdogans sei, fühle er sich in der jetzigen Diskussion immer wieder unter Beschuss.

Auf seine Erfahrungen als Einwandererkind in Deutschland angesprochen, berichtete Bademsoy von Diskriminierung auf dem Schulhof und auf dem Wohnungsmarkt. Als er in den späten 60er Jahren nach Deutschland gekommen sei, sei er angespuckt und angepöbelt worden, Lehrer hätten ihn häufig nicht geschützt. Noch in den 70er Jahren sei es normal gewesen, dass Wohnungen nicht an Türken vermietet wurden. Heute sei zwar vieles anders, sagte Bademsoy. Aber die Elterngeneration, die Diskriminierung noch miterlebt habe, gebe die Verletzungen von einst auch an ihre Kinder weiter.

Die Islamforscherin Susanne Schröter suchte die Verantwortung für misslungene Integration dagegen bei den Deutschtürken selbst. Sie sähen sich gern als Opfer, befand sie. Diese Tendenz erschwere die Integration. Gleichzeitig diagnostizierte Schröter eine Rückbesinnung vieler junger Türken auf eine Deutung des Islam, "die ganz stark identitär aufgeladen ist". An diesem Punkt setze auch Erdogan mit seiner Propaganda an.

Dem stimmte auch SPD-Politikerin Bilay Öney zu. "Es gibt ein Identitätsproblem", sagte Öney, und dieses Identitätsproblem beeinflusse auch das Integrationsproblem. Deutschtürken lebten in zwei Kulturen, sagte Öney. Trotzdem müsse man es schaffen, dass sich Deutschtürken mit dem deutschen Staat identifizieren und zum Beispiel klar sagten: "Mein Präsident heißt Frank Steinmeier. Da müssen wir hin."

Satz des Abends: "Wenn eine Beziehung kaputtgeht, ist nie eine Seite Schuld, sondern beide Seiten." (Bilkay Öney)

Fazit: Integration war in Deutschland noch nie ein einfaches Thema mit einfachen Lösungen. Die Diskussion bei Sandra Maischberger hat wieder einmal bewiesen, wie viele Hindernisse auf dem gemeinsamen Weg von Deutschen, Türken und Deutschtürken liegen.

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