Duisburg Loveparade: Ex-OB Sauerland räumt Fehler ein

Duisburg · Mehr als vier Jahre nach seiner Abwahl sagt der 60-Jährige, er hätte viel früher auf die Opfer des Unglücks zugehen müssen.

Mehr als sechs Jahre ist es jetzt her, dass auf dem Loveparade-Gelände in Duisburg 21 Menschen starben und Hunderte verletzt wurden. Noch immer gibt es keinen Prozess, was für die Hinterbliebenen und Opfer schwer zu verstehen ist. Genauso wie das Verhalten des damaligen Duisburger Oberbürgermeisters Adolf Sauerland. Der hatte sich seit seiner Abwahl im Jahr 2012 nicht mehr öffentlich zu der Katastrophe vom 24. Juli 2010 geäußert - obwohl viele Menschen ihn als moralisch mitverantwortlich sahen. Weil er sich nach der Katastrophe nicht angemessen entschuldigt und keine Fehler eingeräumt hatte, gar in einer ersten Pressekonferenz damals mit unglücklichen Formulierungen den Opfern eine gewisse Mitschuld zugeschoben hatte. "Wahrscheinlich hätte ich viel früher auf die Opfer zugehen müssen", sagte er nun dem WDR und dem "Zeit"-Magazin in einem Interview.

Nach dem Unglück habe er sich bemüht, keine juristischen Fehler zu machen und dabei "das Mitgefühl für die Angehörigen" vergessen, sagte Sauerland weiter. Von der Staatsanwaltschaft wurde der 60-Jährige längst rehabilitiert, zählt nicht zu den zehn Beschuldigten, die sich vor Gericht verantworten müssten, sollte es zu einem Prozess kommen. Ebenfalls nicht auf der Anklagebank sitzen wird Veranstalter Rainer Schaller. Stand des Verfahrens: Das Landgericht Duisburg hat die Loveparade-Anklage wegen etlicher Mängel abgelehnt, nun muss das Oberlandesgericht Düsseldorf über die Zulassung der Klage entscheiden. Die Staatsanwaltschaft Duisburg hat zudem gegen die Nicht-Zulassungsentscheidung Beschwerde eingelegt, der sich die Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf angeschlossen hat.

Die Abgrenzung zwischen juristischer Schuld und moralischer Verantwortung ist Sauerland wichtig. "Man suchte jemanden, den man zur Verantwortung ziehen konnte, dem man die Schuld zuweisen konnte, hinter dem man sich verstecken konnte, und das war ich", sagte er jetzt. Nach wie vor sieht er keinen Grund, Verantwortung für das Unglück zu übernehmen. "Zurückzutreten, das wäre für mich eine Flucht gewesen", sagte Sauerland. "Sollte wirklich etwas juristisch falsch gelaufen sein, zum Beispiel bei der Genehmigung, dann kann man politische Verantwortung verlangen. Aber ich hatte mir nichts vorzuwerfen."

In einer halbstündigen Dokumentation widmet sich der WDR dem Leben Sauerlands nach dem Unglück (Sendetermin ist der 28. November, 22.15 Uhr). Der Film zeigt die Reaktion der Bürger mit Buh-Rufen und Rücktrittsforderungen. Es zeigt ihn in seinem Ferienhaus im Sauerland, in das er sich eine Woche später vorübergehend zurückzog, und während seiner späteren Arbeit im Reisebüro seiner Familie. Es zeigt vor allem, wie er Probleme hatte, mit aufgebrachten Menschen und Betroffenen in Kontakt zu kommen.

So antwortet er auf die Frage, was Kunden im Reisebüro häufig von ihm wissen wollen: "Neben ,Wie geht es dir?' ist das: ,Warum hast du dich nicht eher entschuldigt?' Es gibt Dinge, über die man schlecht sprechen kann. Wofür entschuldigen? Wofür? Dass die Kinder tot sind? Da gibt es keine Entschuldigung für! Da gibt es Verantwortung für!" Er könne sich dafür entschuldigen, dass er nicht die Kraft gehabt habe, auf die Leute zuzugehen. "Ich kann erklären, warum das nicht möglich war, weil da keine Maschine auf der anderen Seite war, sondern jemand, der die ganze Nacht da gesessen und miterlebt hat, dass Menschen gestorben sind."

Er sei für viele derjenige gewesen, der die Loveparade gewollt habe und der für die 21 Toten verantwortlich sei, sagt Sauerland, betonte aber: "Ich selbst wollte so eine Veranstaltung nie in Duisburg haben! Und das wussten alle, der ganze Rat." Er sei früher Lehrer gewesen: "Ich hätte in meinem Leben nie ,unbedingt' eine Veranstaltung durchgeführt, wo Jugendliche, wo Minderjährige sich hätten verletzen können. Und mir das zu unterstellen, das war schon starker Tobak."

(RP)
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