"Knochenbrecher on Tour" "XXL-Ostfriese" Tamme Hanken überraschend gestorben

Hamburg · Der 56-jährige Tamme Hanken ist am Montag überraschend an Herzversagen gestorben. Bekannt geworden ist der Ostfriese durch mehrere TV-Formate, in denen er als Heiler mit seinen Händen Pferde wieder einrenkte. Seine Methoden waren umstritten.

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Gut, dass Pferde nicht lesen können. Hätte sie doch die Ankündigung, dass ein Knochenbrecher sie von ihren Rücken-, Hüft- oder Hufleiden kurieren wollte, regelmäßig in die Flucht geschlagen. Zumal es sich bei diesem Heiler um einen 2,06 Meter großen und rund 145 Kilogramm schweren Schnauzbartträger handelte, der mit der Kraft eines Riesen zu Werke ging. So aber ließen sich die Vierbeiner meist stoisch von Tamme Hankens, man muss schon sagen, Pranken, behandeln – und vielen soll es danach tatsächlich besser gegangen sein.

Mit seinem Handwerk, wenn man es so nennen darf, seinem derben Witz und großen Herzen eroberte der "XXL-Ostfriese", so der Titel einer seiner Sendungen, die Zuschauer. Gestern starb der 56-Jährige überraschend an Herzversagen.

Behandlungsmethoden wurden von Experten kritisch gesehen

Das "Knochenbrechen" gilt in Ostriesland als Heilkunst, bei der Verspannungen und Blockaden im Körper erfühlt und gelöst werden. Hanken gab immer an, diese Fähigkeit des "Nervenfühlens" von seinem Großvater geerbt zu haben. Eine Ausbildung als Physiotherapeut oder Chiropraktiker hatte er nicht, so dass seine Behandlungsmethoden von Experten auch kritisch gesehen wurden. Er therapiere immer nach Schema F, lautete etwa ein Kritikpunkt, ziehe etwa ruckartig an den Beinen eines Pferdes, statt auf die individuellen Probleme und Bedürfnisse der Tiere einzugehen. Aber die Menschen liebten ihn, die Tierbesitzer vor allem, einerseits für seine schonungslos offene Art, Dinge anzusprechen und Gebrechen aufzuzeigen, aber auch für seine entwaffnende Herzlichkeit im Umgang. "Was lahmt, muss zu uns", lautete eines seiner unwiderstehlich pointierten Bonmots.

Gute Quoten für Tamme Hanken

Tatsächlich wurde fast alles, was lahmte, zu Hanken gebracht, um von ihm wieder eingerenkt zu werden – Kamele, Hunde, Eidechsen, sogar Hamster, vor allem aber Pferde. Zu Anfang und viele Jahre lang auch Menschen, doch verzichtete der Ostfriese bald darauf, zu groß war wohl das Verletzungsrisiko und die Gefahr, bei Missgriffen wegen seiner fehlenden Ausbildung vor Gericht zu landen. Und wer nicht den Weg zu ihm auf seinen Hof im ostfriesischen Filsum fand, der "Pferde-Reha Filsum", zu dem fuhr er selbst, seit 2008 oft begleitet vom einem Kamerateam. "Der XXL-Ostfriese" hieß die Dokureihe des NDR, beim Privatsender Kabel eins firmierte er als "Tamme Hanken: Der Knochenbrecher auf Tour". Dort durfte er sogar weltweit rückenkranke Vierbeiner wieder in Form bringen. Die Quoten waren gut: Regelmäßig schauten am Sonntag zur Primetime 1,5 bis zwei Millionen Menschen zu. Erst vor einem Jahr verlängerte Kabel eins den Vertrag.

Gelernt hatte Hanken zunächst Landwirt, wollte den Hof seiner Eltern weiterführen. Später eröffnete er eine Hühner-, dann eine Stutenmilchfarm, bevor er sich ganz dem Knochenbrechen widmete. Seine Fähigkeiten beschrieb Hanken, der seine Ehefrau Carmen hinterlässt, selbst so: "Wenn ich etwas anfasse, dann kommen Bilder. Ich scanne und ich fühle. Temperatur, Geruch. Gucken, Fühlen. Das ist die Kunst des Knochenbrechens." Als Heiler war es ihm aber auch nicht fremd, mit der Wünschelrute Wasseradern zu erspüren oder magnetische Energien im Boden. Hanken nahm diese Fähigkeiten als gegeben an, Skeptikern antwortete er mit einem Schulterzucken.

RTL-Journalist Jenke von Wilmsdorff begleitete Hanken für eine TV-Reportage einmal 24 Stunden lang. Da zeigte sich der ansonsten derb-humorvolle Riese, der gerne gutmütig poltert und lautstark lacht, auch von seiner verletzlichen, melancholischen Seite. Als einer, dessen Leben durchaus etwas Einrenken hätte vertragen können.

(jis)
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