Interview mit Oliver Kalkofe "Bei vielen Menschen existiert großes Potenzial an Hass"

Berlin · Das Profilbild in Blau-Weiß-Rot, ein Peace-Zeichen mit Eiffelturm: Unzählige Facebook-Nutzer haben in den vergangenen Tagen auf ihrem Profil den Opfern der Terroranschläge von Paris ihr Beileid bekundet. Einige erleben deshalb Gegenwind von anderen Nutzern.

Auch Komiker Oliver Kalkofe ("Kalkofes Mattscheibe Rekalked") muss sich für seine einfühlsamen Worte rechtfertigen. Bei vielen existiere "ein großes Potenzial an Hass", sagt der 50-Jährige. Der Niedersachse ist mit "Kalkofes Mattscheibe" Deutschlands bekanntester TV-Kritiker geworden. Seine Parodien von TV-Müll haben ihm eine große Fangemeinde beschert.

Sie haben noch in der Nacht nach den Anschlägen einen bewegenden Post geschrieben. Welche Reaktionen haben Sie neben Zustimmung noch bekommen?

Oliver Kalkofe Es kam eine riesige Antipathie-Welle gegen alle - nicht nur gegen mich -, die ein Zeichen ihrer Anteilnahme gesetzt haben. Es wurde kritisiert, dass man in diesem konkreten Fall Beileid bekundet, aber nicht bei anderen terroristischen Akten. Es wird gesagt, dass man ein Heuchler sei, auf einen Zug aufspringe und sich nur wichtig tun möchte.

Können Sie sich diese Reaktionen erklären?

Kalkofe Es ist mir wirklich unverständlich. Ich habe das Gefühl, dass bei einem Großteil der Menschen ein großes Potenzial an Hass existiert, das durch Verzweiflung und Unverständnis geschürt wird. Wie kommt man überhaupt darauf, jemanden zu kritisieren, weil der voller Trauer ein Zeichen der Anteilnahme geben will? Werden Menschen auf der Straße angemacht, wenn sie eine Kerze anzünden? Wenn sie in die Kirche gehen? Werden sie dafür kritisiert, dass sie nicht um andere Tote trauern?

Man hat das Gefühl, es geht manchen überhaupt nicht um den Inhalt Ihres Facebook-Beitrags...

Kalkofe Es reicht wahrscheinlich, ein "Guten Morgen" zu posten, und man bekommt trotzdem ein paar Hassreaktionen, die sagen: "Du Arschloch, ich habe Nachtschicht gehabt und muss jetzt ins Bett." Es gibt einfach diesen Drang, den Frust rauszulassen. Das hat sich in diesem Fall extrem gezeigt. Es gab wirklich keinen Grund, darüber zu diskutieren, wie jemand nach einem Terroranschlag seine Gefühle kundtut.

Sie diskutieren aber mit den Kritikern und antworten einigen auch...

Kalkofe Ich weiß, das ist ein Fehler. Ich versuche, mich immer wieder zu bremsen und mir auf die Finger zu schlagen. Aber es passiert ab und zu. Vor allem, wenn man es nicht begreift. Ich war zum Teil fassungslos. Aber wenn ich auf einen Kommentar geantwortet habe, entbrannte daraus eine neue Diskussion. Ich verstehe es nicht.

Lassen Sie sich dadurch einschüchtern und verzichten künftig auf solche Kommentare?

Kalkofe Ich glaube nicht. Ich finde es nötig, sich zu äußern und werde das weiterhin tun. Ich will nur all denen, die ihre Wut vorschnell an ihrer Tastatur auslassen, sagen: Einfach durchatmen, vorher nachdenken und es einfach sein lassen. Es ist traurig, dass viele Menschen offenbar denken, dass sie nicht mehr gehört werden. Diese kleinen Möglichkeiten, die man ihnen etwa bei Facebook gibt, werden genutzt. Leider oft, um den blinden Frust rauszulassen.

(dpa, emy)
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