Kabarettist unterstützt SOS-Kinderdörfer Die soziale Seite des Dieter Nuhr

Düsseldorf · Der Kabarettist unterstützt seit mehr als zehn Jahren die SOS-Kinderdörfer. Aktuell sammelt er für ein Hilfsprojekt in Bolivien. Bei einem Treffen erklärt er, warum er sich engagiert und wie das seinen Blick auf die Welt verändert hat.

Dieter Nuhr: Kabarettist, Fotograf, Fortuna-Fan
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Das ist Dieter Nuhr

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Foto: Ilgner/Carstensen

Reisen bildet. Und es verändert den Blick auf die Welt. Zumindest, sagt der Kabarettist Dieter Nuhr, wenn man Bereiche bereist, die über das Strandresort hinausgehen. Der Ratinger macht das seit vielen Jahren, ist regelmäßig auf möglichst untouristischen Pfaden auf allen Kontinenten unterwegs. "Erst wenn man Europa verlässt, sieht man, wie selbst grundlegende Selbstverständlichkeiten erkämpft und erarbeitet werden müssen", sagt der 56-Jährige. Eine Erkenntnis, die bei ihm mit dazu beigetragen hat, sich sozial zu engagieren - in seinem Fall für die SOS-Kinderdörfer. Gerade hat Nuhr eine Spendenaktion für Bolivien gestartet. Dort unterstützt die Hilfsorganisation in 17 Familienzentren 4400 sehr arme bolivianische Familien. Nuhr: "Wenn man am weltweiten gesellschaftlichen Frieden interessiert ist, dann macht es absolut Sinn, sich dafür zu engagieren, dass Menschen in den Genuss frühkindlicher Erziehung geraten und zu zivilisierten Wesen heranwachsen."

Beim Thema Hilfe versteht Nuhr keinen Spaß, das merkt man ihm an. Es ist ihm ein ernstes Anliegen, etwas zu verändern und einen eigenen Beitrag dazu zu leisten. "Als ich in Bolivien war, habe ich gemerkt, dass Kinder nicht in der Lage waren, Purzelbäume zu schlagen", sagt Nuhr. "Dass Kinder mit vier sprechen können, ist bei uns selbstverständlich, aber nicht in Bolivien, weil niemand mit ihnen redet." Verhältnisse vor Ort zu verbessern, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, sieht er als einzigen Weg, eine Gesellschaft zu stabilisieren.

Beim Thema Hilfe versteht Nuhr keinen Spaß

Insofern gehe das Engagement der SOS-Kinderdörfer weit darüber hinaus, ein paar Familien zu retten, sondern reformiere grundlegende Strukturen. Was sich wiederum auch auf das Leben in Europa auswirke. "Wir denken immer, das geht uns nichts an, regen uns aber hier über die Flüchtlingskrise auf und fragen uns nicht, woher das kommt, dass diese Menschen bereit sind, den Tod auf dem Mittelmeer in Kauf zu nehmen, um in einem Lager auf Lampedusa vor sich hinzudämmern", sagt Nuhr.

Grundsätzlich sei er aber niemand, der ständig jammere. Er gehöre nicht zu den Leuten, die fortwährend darüber lamentieren, wie schlecht die Welt sei. "Die Welt hat sich einfach so entwickelt, wie sie ist, und dies zu bewerten als schlecht oder gut, ist erst mal schon eine Anmaßung an sich." Man müsse mit dem umgehen, was da ist. Menschen, die Idealvorstellungen entwerfen würden und dann feststellten, dass die Welt nicht diesen Idealvorstellungen entspreche, seien ihm sehr fremd. Wobei Nuhr bei sich durchaus einen gewissen Weltverbesserer-Impetus konstatiert. "Das ist halt meiner Generation - ich wurde in den 70ern grün-alternativ sozialisiert - zu eigen. Wir haben noch diesen ganzheitlichen Blick auf die Welt. Und wir glaubten ja, wenn wir ein Salätchen im Vorgarten pflanzen, dann wird die Welt gut. So ganz abgelegt habe ich das nicht."

Seit 2006 ist Nuhr mittlerweile für die SOS-Kinderdörfer unterwegs. Verändert habe sich dadurch weder seine Art des Reisens noch die Auswahl der Ziele. "Aber sagen wir mal so: Über die Menge der Reisen gewinnt dieses Bedürfnis, wirklich den Arsch der Welt zu finden, an Bedeutung", sagt der Kabarettist. Was zu einer anderen Seite seiner Persönlichkeit führt, nämlich, die Dinge nicht so ernst zu nehmen. Er sei ja kein Pfarrer, sagt Nuhr. "Es hat ja keinen Sinn, sich in einen Trauerzustand zu begeben, der ja auch lähmt, sondern man muss mit dem arbeiten, was da ist."

"Distanz ist wichtig"

Das alles ist kein Widerspruch, sondern führt zum Künstler Nuhr, zu seiner speziellen Herangehensweise an ein Thema. So ist der Kabarettist auf seinen Reisen auch ein leidenschaftlicher Fotograf, der aber keine Menschen, sondern Dinge ablichtet, Häuser von innen und außen, Stillleben, Landschaften. "Mich interessiert das Fremde, der distanzierte Blick auf etwas. Das prägt auch das, was ich auf der Bühne mache - dass ich eine große Distanz zur eigenen Welt habe und daraus möglicherweise Sichtweisen entwickeln kann, die überraschend sind." Alles bedinge sich gegenseitig. Seine Reisen und das Fotografieren würden letztendlich dazu führen, wie er sich in seinen Texten mit dem Alltag auseinandersetze. Das, sagt Nuhr, sei halt seine Lebensform. "Ich reise, gucke mich um und mach' was draus."

(RP)
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