Zum 20. Todestag von Dean Martin Der coolste Entertainer aller Zeiten

Los Angeles · Alkohol, Affären, aber auf der Bühne ein Gigant. Am 1. Weihnachtstag vor 20 Jahren starb der US-amerikanische Entertainer Dean Martin an den Folgen von Lungenkrebs. Er war der coolste Mann der Welt. Eine Hommage.

 Dean Martin, Burt Lancaster und Frank Sinatra bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung am 9. November 1970 in Beverly Hills.

Dean Martin, Burt Lancaster und Frank Sinatra bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung am 9. November 1970 in Beverly Hills.

Foto: dpa, rf kde

Wenn Dean Martin heute noch leben würde, wäre er akut Shitstorm gefährdet. Seine Auftritte würden — im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zumindest — zensiert, wenn sie überhaupt stattfänden. In der politisch korrekten, gender geglätteten Unterhaltungs-Welt des 21. Jahrhunderts wäre ein mit halbleerem Whiskeyglas und glimmender Zigarette auftretender Weiberheld unvermittelbar.

Dean Martin liebte den Alkohol und die Frauen noch mehr als seinen Beruf. Deswegen verband er meist alles. Er trank und rauchte auf der Bühne, zog anschließend gleich das beste Mädchen aus dem Zuschauerraum hinüber in den Backstage-Bereich. Lebemann. Hallodri. Drei Ehen, sieben Kinder, unzählige Affären sind seine Bilanz. Martin war der Macho mit der Jahrhundert-Stimme. Man kann Frank Sinatra, seinen kongenialen Partner in der Vegas-Clique "Rat Pack", für den größeren Gentleman und besseren Songschreiber halten. Dean Martin war trotzdem die beste Ratte. Primus inter pares. Der größte Entertainer aller Zeiten. Der Inbegriff der Coolness. Am 1. Weihnachtstag vor 20 Jahren starb Martin in Los Angeles an den Folgen von Lungenkrebs.

Und wenn nun wieder wohlwollende Portraits geschrieben und alte Weihnachtsplatten herausgeholt werden, geht die Würdigung seines künstlerischen Wirkens etwas unter. Hinter dem trinkfesten Weiberhelden lugte ein penibler Schauspieler (der unter anderem im besten Western aller Zeiten, "Rio Bravo", brillierte), ein perfekter Entertainer und ein begnadeter Sänger hervor. Dean Martin war George Clooney, Robbie Williams und Kai Pflaume in einer Person. Ein Unterhalter der Massen. Mit der Magie des Charmes.

 Dean Martin, Sammy Davis Junior und Frank Sinatra bei einem Auftritt am 22. Mai 1978.

Dean Martin, Sammy Davis Junior und Frank Sinatra bei einem Auftritt am 22. Mai 1978.

Foto: ap

Dean Martin wurde am 7. Juni 1917 als Dino Paul Crocetti im tiefen Mittelwesten der USA geboren. Steubenville, Ohio. Bescheidene Verhältnisse. Der Sohn eines italienischen Barbiers verlässt die Schule früh und ohne Abschluss. Mit Gelegenheits-Jobs schlägt er sich durchs Leben, mal als Tankwart, mal als Milchmann. Der junge Dino schmuggelt aber auch Alkohol für die örtliche Mafia. An einem Sommerabend 1934 schnappt er sich in einer Bar in Craig Beach, Ohio, erstmals das Mikrofon und singt. Es ist der Beginn einer Bühnenkarriere. Seine sonore Lagerfeuer-Stimme, diese aufreizende Lässigkeit beim Vortrag werden zum Markenzeichen. Die Frauen im Publikum sind verliebt, die Männer wollen so sein wie er.

1940 ändert Dino Crocetti seinen Namen zu Dean Martin. Es folgen erste große Auftritte. 1946 steht er erstmals zusammen mit einem mäßig bekannten Varietékomiker auf der Bühne, sein Name: Jerry Lewis. In den folgenden zehn Jahren avancieren die beiden zum beliebtesten Unterhaltungspaar Amerikas. Sie witzeln, singen und spielen. Die Kulturkritiker sind entsetzt, die Massen begeistert.

"Was sie Amerika gaben, ist kein Lachen im Dunkeln, sondern das Leugnen der Dunkelheit an sich", schreibt der großartige Martin-Biograf Nick Tosches. Lewis und Martin suchen sich ihre Auftritte landesweit aus, drehen Filme zusammen und scheffeln Millionen. Martin liebt das Geld, macht sich aber nicht viel aus seinem Beruf. Ein paar Stunden auf die Bühne oder am Set für einen neuen Film. Das ist sein Tageswerk. "Im Nichtstun ist Dean der Größte", scherzte seine zweite Frau.

Ende der Fünfziger lernt Dean Martin Frank Sinatra kennen. Der hatte einen entscheidenden Vorteil zu seinem abstinenten Kumpel Lewis. Mit Sinatra kann Martin saufen. Mittags genießen die beiden schon mal Spiegeleier und Martini, soll ein Schauspielkollege der beiden mal beobachtet haben. Auf der Bühne mit Sinatra und den Kumpels vom "Rat Pack" ist Martin in seinem Element. Er zelebriert seine Schnulzen, scherzt, philosophiert über Frauen und Drinks und begeistert. Bei "My Melancholy Baby" fließen im Publikum die Tränen.

Der scheinbar so lässige Entertainer war immer dann besonders gut, wenn es in seinen Songs um das Seelenheil und die Liebe ging. That's amore. Dean Martin ist der erste König der Popmusik. Als die Beatles in ihren ersten Jahren einen Erfolg nach dem anderen herausbringen, nimmt Dean Martin seine besten Hits auf und verdrängt die britische Wunderband aus den Charts. Noch heute kopieren Stars wie Robbie Williams den Stil Martins. Der erst viel später etablierte Jugendbegriff "cool" fehlt heute in keinem Martin-Portrait. Wohl zu recht.

Mit 78 Jahren starb Martin 1996 in Los Angeles an den Folgen des Lungenkrebs. Einsam.

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