Madrid Kolumbien besteht auf "San José"-Schatz

Madrid · Der Fund der Galeone hat Begehrlichkeiten geweckt. Historiker fürchten, dass die Wissenschaft auf der Strecke bleibt.

Die sagenhafte Menge an Gold, Silber und Edelsteinen, die angeblich im Bauch der spanischen Galeone "San José" schlummert, lässt mögliche Profiteure jubilieren - und aufeinander losgehen. Kaum war der Fund des 1708 vor Kolumbien gesunkenen Schiffs verkündet, erhoben das private Archäologieunternehmen Sea Search Armada (SSA), Kolumbien und Spanien gleichermaßen Ansprüche auf den Schatz am Meeresboden. Mittlerweile wollen beide Länder ihren Konflikt diplomatisch beilegen. Spanien stützt seine Ansprüche unter anderem auf eine Konvention der Unesco, nach der gesunkene Kriegsschiffe dem Staat ihrer Herkunft gehören. "Die ,San José' ist in kolumbianischen Gewässern gefunden worden", sagte dazu der kolumbianische Politik-Berater Gonzalo Castellanos der "El Tiempo". "Es gibt keine juristische Handhabe, die Kolumbien dazu zwingt, der Sichtweise von Spanien zu folgen."

Noch ist unklar, ob sich an Bord der "San José" tatsächlich der vermutete Schatz befindet, elf Millionen Goldmünzen und 200 Tonnen Smaragde. Auf drei bis 17 Milliarden US-Dollar wird der heutige Wert geschätzt, zu sehen gab es bisher aber nur Unterwasserfotos von rostigen Kanonen. Auch ob sich das Schiff überhaupt bergen lässt, ist unklar. "Solche Projekte sind extrem aufwendig und kostspielig", sagt Boris Mijat, Sprecher der Deutschen Gesellschaft zur Förderung der Unterwasserarchäologie. Es wird viel geschultes Personal, spezielle Taucher und Technik benötigt, dazu zerfällt aufgeweichtes Holz sehr schnell, wenn es mit Sauerstoff in Kontakt kommt und muss daher konserviert werden. "Bei einer wissenschaftlich korrekten Aufarbeitung dokumentieren Forscher zudem sorgfältig jeden Fund", sagt Mijat. "Das ist bei privaten Bergungsunternehmen leider oft nicht der Fall."

Der Archäologe bezeichnet solche Firmen, von denen etliche weltweit unterwegs sind, als moderne Grabräuber. Sie treibe kein wissenschaftliches, sondern ein rein wirtschaftliches Interesse. Oft werde nicht das Wrack, sondern nur die Ladung geborgen. Laut Unesco sind etwa drei Millionen Schiffe im Laufe der Jahrhunderte auf den Weltmeeren untergegangen, rund 3000 davon haben möglicherweise wertvolle Fracht oder einen kulturhistorischen Wert. "Für uns Wissenschaftler kann schon ein Schiff mit einer Ladung Steine interessant sein", sagt Mijat. Auch vor der deutschen Küste liegen demnach viele Wracks, die Ostsee ist sogar ein gigantisches Schiffsgrab. Das werde oft unterschätzt, erklärt Mijat. "Die meisten Schiffe liegen übrigens generell nicht mehr als 15 bis 20 Seemeilen von den Küsten entfernt."

Da man die Handelsrouten und Passagen kennt, über Unglücke oder Abschüsse zudem genaue Aufzeichnungen existieren, verengt sich der Suchradius oft auf ein kleines Gebiet. So war es auch bei der "San José", die von einem englischen Kriegsschiff versenkt wurde. Der kolumbianische Experte Castellanos plädiert für einen weniger von wirtschaftlichen Interessen geleiteten Blick auf den Fund. "Die Galeone ,San José' ist ein Kulturgut des Landes und der Menschheit. Sie ist kein Schatz oder ein Ölvorkommen, das verkauft werden kann."

(RP)
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