Paderborn Höxter-Prozess: 66 Formen der Misshandlung

Paderborn · Die Angeklagte Angelika W. hat weiter ausgesagt und erschreckende Einblicke in ihr Leben gegeben.

Horror-Haus von Höxter: Angelika W. sagt vor Gericht aus
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Szenen aus dem Höxter-Prozess in Paderborn

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Foto: dpa, gki

Angelika W. hat im Gefängnis eine Liste gemacht. In Spalten unterteilt ist dort aufgeführt, welche Frau wie misshandelt wurde. Hinter "gewürgt", "mit Heißwasser verbrüht" oder "kalt abgeduscht" steht jeweils ein W oder ein A - je nachdem ob ihr Ex-Mann Wilfried W. der Täter war oder sie selbst zugelangt hat. Es sind 66 verschiedene Formen der Misshandlung, unterteilt in fünf Geschädigte, wie einer der Nebenkläger-Anwälte an diesem dritten Verhandlungstag nüchtern zusammenfasst. "Alles, was ich hier sage, ist die Wahrheit, wie ich sie erlebt habe", sagt die 47-Jährige, die mit ihrem Mann vor Gericht steht, weil das Paar mehrere Frauen in sein Haus in Höxter-Bosseborn gelockt und dort erniedrigt und gequält hat. Zwei Frauen überlebten das Martyrium nicht.

Richter Bernd Emminghaus will immer wieder darauf hinaus, ob Angelika W. kein Mitleid mit den Frauen hatte. Doch auch wenn sie durchaus reflektiert erzählt, einordnet und ein erstaunlich gutes Gedächtnis zu haben scheint - Empathie ist nicht spürbar. Sie sagt später an diesem Tag: "Das alles war für mich Alltag. Wenn Sie mir Zucker, Mehl und Backpulver hinstellen würden und mir sagen würden, ich solle einen Kuchen backen: Das wäre etwas Besonderes."

In der verrohten Welt des Paares, das nach seiner Scheidung mindestens vier Frauen misshandelt haben soll, herrschten eigene Regeln - und allein der 46-Jährige bestimmte. Christel P. war das erste Opfer. 2011 zog die heute 51-Jährige zu Wilfried W. Angelika W. gab sich als dessen Schwester aus. Zu dritt wurde im Wohnzimmer geschlafen. Während sie die Hühner gefüttert, Kaffee gekocht und "das Frühstück auf den Tisch geschmissen" habe, hätten sich die anderen beiden "im Bett vergnügt". Essen habe sie erst gedurft, wenn Wilfried W. auch dabei gewesen sei. Wie denn die Arbeitsteilung gewesen sei, will der Richter wissen. "Die Frau hat gestaubsaugt, Wilfried gekocht, ich hab den Rest gemacht." Angelika W. sagt immer "die Frau", egal, über welche der Frauen sie spricht.

Christel P. wurde nach Angaben von Angelika W. wie sie selbst früher fast täglich von ihm misshandelt. Die Schwurgerichtskammer muss herausfinden, welche Anteile Angelika W. an den Taten hatte. Sie gibt zu, "den Frauen das angetan zu haben, was ihr Ex-Mann ihr angetan hat". Christel P. hat sie Pfefferspray in die Augen gesprüht, sie hat sie an den Haaren gezogen, getreten und geboxt. "Kampfpanzer" habe Christel P. sie genannt. Wenn eine Frau im Haus war, habe sie selbst Ruhe vor den Ausbrüchen ihres Ex-Mannes gehabt und "ein bisschen Freizeit". Einmal habe Wilfried W. mit einer Schaufel auf die am Boden liegende Christel P. eingeschlagen. "Ich dachte, das war es", sagt Angelika W. Christel P. hat überlebt. Bevor sie von dem Paar nach sechs Monaten in die Freiheit entlassen wurde, musste sie schriftlich erklären, dass es zu keinerlei Gewalttaten gekommen sei.

(RP)
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