Neu Delhi Giftige Luft über Neu Delhi

Neu Delhi · Schulen bleiben geschlossen, Ärzte warnen vor körperlicher Anstrengung, Sportveranstaltungen sind abgesagt. Selbst Indiens Menschenrechtskommission will bei Smog nicht mehr ruhig zusehen.

Der Giftnebel hängt träge über der indischen Hauptstadt Neu Delhi. Jeder Atemzug erzeugt Hustenreiz, Kopfschmerzen und Übelkeit. Hunderte Flug- und Zugverbindungen sind abgesagt, rund 4000 Schulen geschlossen, der Verkehr fließt wegen der geringen Sicht von teils unter zehn Metern nur noch zäh. Delhis notorischer Smog übertrifft die toxischen, krebserregenden Werte der chinesischen Hauptstadt Peking um das Zehnfache. Das von der Weltgesundheitsorganisation gesetzte Limit ist um das Dreißigfache erhöht. Experten zufolge entspricht dies etwa dem Rauchen von 50 Zigaretten an nur einem einzigen Tag. Indiens Ärzte-Vereinigung spricht von einem "öffentlichen Gesundheitsnotstand".

Wenn der Winter in Nord-Indien beginnt, beginnen auch die trüben, feuchten Tage, die dichten Nebel bringen, der sich rasch in Smog verwandelt. Autoabgase, Fabrik-Emissionen, Staub von Baustellen und Feuer von Feldern und Müllhalden verschärfen das Luftproblem. Für die 20 Millionen Einwohner wird dann das Leben zur Qual. Delhis Ministerpräsident Arvind Kejriwal sprach von einer "Gaskammer" und machte die umliegenden Bundesstaaten für den Dreck verantwortlich. In diesem Jahr ist die Lage so schlecht, dass selbst die Menschenrechtskommission Indiens sich in der Pflicht sieht, einzuschreiten: "Der Staat kann seine Bürger nicht in diesem Giftnebel sterben lassen", erklärte die Kommission gestern und forderte "wirkungsvolle Maßnahmen". Auch Indiens Umweltrat befand, den Menschen werde das "Recht auf Leben" verweigert. Der Rat forderte den Einsatz von Armeehelikoptern, um Regen auszulösen, und so Erleichterung für die Gesundheit der Stadtbewohner zu schaffen.

Delhis Regierung erließ ein Teil-Fahrverbot für Autos: Von Montag bis Freitag sollen nächste Woche jeweils alternierend nur Fahrzeuge mit geraden oder ungeraden Kennzeichennummern unterwegs sein. Am Mittwoch waren Feinstaubwerte von 986 in der Kategorie PM 10 gemessen worden, der Grenzwert liegt bei 100. Bei PM 2,5 lag die Messung bei 420, der Grenzwert bei 60.

"Flieht nicht in die Berge", appellierte die Zeitung "Indian Express". Wie bereits bei den vergangenen Smog-Krisen hat sich ein Teil der besser gestellten Einwohner in beschauliche, saubere Orte im Himalaya-Gebirge aufgemacht, um in Ladakh, Mussoorie oder McLeodganj die Giftluft auszusitzen. Es sei Pflicht der Stadt-Bewohner, sich für die saubere Luft einzusetzen und selbst Maßnahmen zu ergreifen, um das Problem zu beheben: weniger autofahren, mehr öffentliche Verkehrsmittel wie die Metro nutzen, Abfall vermeiden und Umweltprobleme zu einem politischen Thema machen, das Wahlen beeinflusst, meinte die Zeitung.

Dies wäre dringend nötig. Denn auch in diesem Jahr hat der Smog-Alarm in Delhi zu einem politischen Hauen und Stechen zwischen Delhis Regierung, der indischen Zentralregierung und den Regierungen der angrenzenden Bundesstaaten geführt. Jeder schiebt Schuld und Zuständigkeit auf den anderen. Von einem Dialog ist man weit entfernt, von koordinierten Handlungen noch weiter. Und auch von der Wetterlage her ist so schnell keine frische Brise zu erwarten. Die dicke Smog-Decke hat sich auch in anderen Städten Nordindiens bis hoch nach Pakistan ausgebreitet.

Im vergangenen Jahr hatte Delhi eine ähnlich schwere Smog-Krise erlebt. Kurz nach dem Lichterfest Diwali, was traditionell mit Feuerwerk begangen wird, hatte die Luftverschmutzung neue Rekordwerte erreicht: Die Regierung von Delhi rief den Notstand aus, schloss Schulen, Baustellen, Kohlekraftwerke und schränkte das Autofahren ein.

In diesem Jahr hatte das Oberste Gericht des Landes sogar den Verkauf von Feuerwerk zu Diwali verboten, um einer erneuten Luft-Krise vorzubeugen. Zwar brachte das Kracher-Verbot in den Tagen unmittelbar nach Diwali etwas Besserung, doch nun ist der Smog wieder da. Atem-Masken, wie sie in diesen Tagen überall im Stadtbild von New Delhi zu sehen sind, helfen da nur wenig.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort