Gewilderter Braten

Für mich war 1945 das erste Weihnachtsfest, das ich seit Kriegsbeginn mit meinen Eltern verbrachte. Ich war im November 1945 ohne Blessuren heimgekehrt, und mein Herz machte Freudensprünge, als ich meine Eltern lebend und unbeschadet in einer Wohnung in Oberkassel vorfand.

Jener Heiligabend war besonders: Jeder wollte mit sich und seinen Nächsten alleine sein. Da ich gut organisieren konnte, war meine Mutter in der Lage, ihren geliebten Rodon zu zaubern. Es gab einen von mir im Strümper Bruch gewilderten Fasan, im Osterather Wald hatte ich eine Fichte geschlagen und mit Stanniolstreifen - einem Überbleibsel des Krieges - geschmückt. Wir sangen Weihnachtslieder, quetschten uns eine Träne weg und machten uns keine Gedanken über Recht und Unrecht. Bei der Christmette in der Kirche Christus-König an der Hansa-Allee beteten die Menschen erstmals seit vielen Jahren in stiller Ehrfurcht ohne Angst vor Fliegerangriffen und dem Aufheulen der Sirenen! Ludwig Preuß, Düsseldorf

(RP)
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