Lufthansa Nur jeder Vierte schafft den Psycho-Test

Frankfurt · Fliegen, so heißt es auf der Rekrutierungsseite der Lufthansa im Internet, sei bisweilen ein knochenharter Job, der psychische Belastbarkeit und physische Höchstleistungen fordere. Entsprechend genau schaut sich Europas größte Fluggesellschaft ihren Nachwuchs an. Eine Übersicht.

 Flaggen auf Halbmast vor der Lufthansa-Zentrale.

Flaggen auf Halbmast vor der Lufthansa-Zentrale.

Foto: dpa, iwa

Das Auswahlverfahren

Voraussetzung, um bei der Lufthansa die Pilotenausbildung absolvieren zu können, ist neben dem Abitur oder der fachgebundenen Hochschulreife eine Körpergröße zwischen 1,65 und 1,98 Metern, ein solides Grundwissen in Mathematik, Physik und Englisch. Zudem dürfen die Anwärter nicht mehr als drei Punkte in Flensburg haben — darunter keine Eintragungen aufgrund von Drogen- oder Alkoholkonsum. Sie sollten in guter körperlicher Verfassung und mindestens 17 Jahre alt sein. Ein Gros der Kandidaten bereitet sich mit teuren, privaten Kursen auf das anspruchsvolle, dreistufige Auswahlverfahren vor. Wer nach der schriftlichen Bewerbung noch im Rennen ist, bekommt zunächst eine Einladung zur Berufsgrunduntersuchung beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) nach Hamburg. Dort werden mit Hilfe von Aufgaben am Computer "grundlegende Leistungs- und Persönlichkeitsmerkmale erhoben". Man könnte auch sagen, es handelt sich um den Wissens- und Intelligenztest. Die Durchfallquote liegt nach Konzernangaben bei 70 Prozent. Wer besteht, für den folgt die Firmenqualifikation — ein intensives, zweitägiges Auswahlverfahren mit Gruppen- und Einzelaufgaben, bei denen emotionale Stabilität, soziale Kompetenz und Handlungskompetenz überprüft werden. So muss beispielsweise in der Gruppe unter Zeitdruck ein Dienstplan erstellt werden. Am zweiten Tag folgt nach einem Test im Simulator ein psychologisches Interview. Geführt wird dieses von einem erfahrenen Flugkapitän und drei Psychologen. Laut Teilnehmern werden die Kandidaten dabei etwa nach einer Bewährungssituation in ihrer Schulzeit gefragt. Zudem werden kritische Fragen zum familiären Umfeld, zu Stärken und Schwächen gestellt. Auch müssen sie sich im Gespräch klar dazu äußern, ob ihre aktuelle Lebenssituation überhaupt eine Ausbildung zulasse. Die Durchfallquote liegt bei 75 Prozent. Damit sind von den ursprünglich zum Bewerbungsverfahren Eingeladenen gerade noch 7,5 Prozent übrig. Und anschließend folgt noch ein letzter Test beim Medizinischen Dienst der Lufthansa in Frankfurt.

Die Ausbildung

Wer dann noch im Rennen ist und sich den 70.000 Euro teuren, mindestens 29 Monate dauernden Lehrgang leisten kann — eine Aufwandsentschädigung zahlt der Konzern seinem Nachwuchs in diesem Zeitraum nicht —, wird in Bremen, im amerikanischen Goodyear (Arizona) und in Frankfurt ausgebildet. Psychologische Tests sind dann nicht mehr vorgesehen. Neben 12 000 Unterrichtsstunden à 45 Minuten reiner Theorie — etwa in Navigation, Meteorologie und Elektrotechnik — absolvieren die Schüler zunächst in einmotorigen Maschinen in der Wüste Arizonas ihre ersten Flugstunden. Zurück in Bremen und nach erfolgreicher theoretischer Prüfung steigen die Schüler auf größere Jets um. Im letzten Schritt erhalten sie ihr "Type Rating", also die Musterschulung auf einen bestimmten Flugzeugtyp — etwa den Airbus A320. Auch Todespilot Andreas L. durchlief diese Ausbildung, die Lufthansa-Chef Carsten Spohr zufolge bei Germanwings und der Lufthansa analog verläuft. Allerdings unterbrach L. seine 2008 begonnene Ausbildung für mehrere Monate und musste deshalb die Aufnahmeprüfung wiederholen. Eine solche Pause sei nicht unüblich, so Spohr. Auch Leerläufe nach der Prüfung sind gang und gäbe. Zahlreiche Jungpiloten legen deshalb noch eine Prüfung zum Flugbegleiter ab, um die Durststrecke zu überbrücken. Laut Konzern scheitern übrigens weniger als vier Prozent der Schüler an Lehrgang und Prüfung.

Unklar ist, ob der Todespilot eine volle oder eine sogenannte modulare Fluglizenz besaß. In den vergangenen Jahren ist die klassische Ausbildung nämlich zunehmend entschlackt worden: Statt der umfassenden Ausbildung, die die Absolventen am Ende berechtigte, Maschinen auch allein zu fliegen, bieten die Flugschulen seit 2009 zunehmend die sogenannte Multi-Crew-Pilot-Licence (MPL) an. Bei dieser Variante dürfen die Absolventen nur als Copiloten bei dem Flugzeugtyp mitfliegen, auf den sie auch geschult wurden. Sämtliche Lizenzen für den Alleinflug müssen sie nachträglich erwerben. Erst nach 1500 Flugstunden auf Verkehrsflugzeugen werden sie als Kapitän anerkannt. Die Lufthansa konnte gestern keine Angaben dazu machen, ob Andreas L. solch eine entschlackte Multi-Crew-Pilot-Licence besessen hatte. Der Konzern führte die MPL 2009 ein, L. begann seine Ausbildung jedoch schon 2008, schloss diese jedoch erst 2013 ab. Neben der Ausbildung bei der Lufthansa gibt es übrigens noch andere Wege, um an eine Pilotenlizenz zu gelangen — etwa über private Flugschulen. Die Prüfungen, die beim Luftfahrt-Bundesamt in Braunschweig abgelegt werden, sind dieselben.

Nach der Ausbildung

Nach Angaben des Luftfahrtexperten Heinrich Großbongardt gibt es für aktive Piloten keine dezidierte Untersuchung der psychischen Gesundheit. Man müsse auch davon ausgehen, dass eine solche keine 100-prozentige Sicherheit biete. "Zudem kommt es in jeder Berufsgruppe vor, dass jemand durch Lebensumstände oder andere Einflüsse im Laufe der Zeit psychische Probleme entwickelt, die seinem Umfeld verborgen bleiben", sagt Großbongardt.

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Verkehrspiloten müssen aber ihre Fähigkeiten zum Führen eines Flugzeugs ständig neunachweisen. Nach Angaben der Vereinigung Cockpit müssen sie neben den jährlichen medizinischen Checks vier Mal im Jahr erfolgreich einen Simulator-Test absolvieren, in dem Extremsituationen durchgespielt werden. Ein einmaliges Durchfallen führt zu intensiven Nachschulungen. Fällt der Pilot ein zweites Mal durch, verliert er seine Lizenz.

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