Köln Wie Olympia 1936 zum Alptraum wurde

Köln · Das Doku-Drama schildert die Spiele aus Sicht der jüdischen Sportlerin Gretel Bergmann und des Kommandanten des Olympischen Dorfes, Wolfgang Fürstner. Beide mussten erleben, wie die Nazis das Sportfest zur Propaganda missbrauchten.

Vor 80 Jahren kamen die Olympischen Spiele, die in drei Wochen in Rio starten, zum ersten Mal nach Deutschland. Da ist es wenig überraschend, wenn ARD und Arte einen Film über die Olympischen Spiele 1936 in Berlin zeigen, die als perfekt inszeniertes Propagandafest der Nationalsozialisten in die Geschichte eingegangen sind. Das Doku-Drama "Der Traum von Olympia - Die Nazi-Spiele von 1936" überrascht dennoch: Es zeigt die Ereignisse von vor 80 Jahren aus ganz ungewohnter Perspektive und mit einer Fülle von bisher noch nicht in Deutschland veröffentlichtem Bildmaterial.

Im Mittelpunkt des 90-minütigen Films, der ganz ohne Interviews und Experten auskommt, stehen zwei Zeitgenossen. Die jüdische Sportlerin Gretel Bergmann und der Kommandant des Olympischen Dorfes, Wolfgang Fürstner, erzählen dem Zuschauer ihre Erlebnisse vor und während der Spiele.

Gretel Bergmann (gespielt von Sandra von Ruffin) gehört zu den besten Hochspringerinnen im Deutschen Reich. Obwohl sie als Jüdin aus ihrem Sportverein herausgeworfen wird und nicht mit der deutschen Mannschaft trainieren darf, wird ihr trotzdem in Aussicht gestellt, für Deutschland bei Olympia starten zu dürfen. Erst wenige Tage vor der Eröffnung teilt ihr der Reichssportführer mit, dass sie nicht aufgestellt wird. Von einem Moment auf den anderen zerplatzt ihr Traum.

Fürstner (gespielt von Simon Schwarz) ist dagegen ein überzeugter Anhänger des Nazi-Regimes. Der Soldat und begeisterte Sportler bekommt die Aufgabe, das Olympische Dorf, in dem die männlichen Athleten untergebracht werden, zu bauen und als Kommandant zu leiten - hochambitioniert will er die Position für seinen gesellschaftlichen Aufstieg nutzen. Doch seine Pläne scheitern, als herauskommt, dass er jüdische Vorfahren hat. Er wird degradiert, Weggefährten wenden sich ab und seine Frau verlässt ihn für seinen Nachfolger. Einen Tag nach den Olympischen Spielen bringt er sich um.

Während das Schicksal von Gretel Bergmann dank Interviews bekannt ist, war Wolfgang Fürstner in Vergessenheit geraten. "Als ich von ihm erfahren habe, dachte ich sofort ,Volltreffer'. Seine Geschichte zeigt beispielhaft das Widersprüchliche - den Glanz und Schrecken - der Spiele", sagt Autor Florian Huber.

Die Olympischen Spiele von Berlin waren ein Sportfest der Superlative mit den bis dahin meisten Wettbewerben, Athleten und Zuschauern, hochmodernen Anlagen und mehreren Premieren: dem Olympischen Fackellauf in der Neuzeit und der ersten Liveübertragung der Wettkämpfe im Fernsehen und im Radio. Gleichzeitig wurde nur wenige Kilometer entfernt das Konzentrationslager Sachsenhausen gebaut. Und jüdische Sportler wie Gretel Bergmann durften nicht starten oder wurden kurzfristig ausgetauscht. Und so gewinnt der Zuschauer anhand der beiden Schicksale neue Eindrücke. "Geschichte kann in einem Doku-Drama besser erzählt werden, weil es über Emotionen geht", erläutert Regisseurin Mira Thiel.

Dabei wollten Regisseurin und Autor auf das bekannte Filmmaterial von Leni Riefenstahl und aus der Wochenschau verzichten. Sie haben dafür einen großen Aufwand betrieben: Auf einen Online-Aufruf meldeten sich viele Privatpersonen, die Fotos und Videos aus der Zeit hatten, darunter auch begeisterte Sammler. "Wir haben wahre Schätze in Kellern und auf Dachböden entdeckt", sagt der Autor. Zudem recherchierte das Filmteam weltweit in Archiven und konnte Material aus acht Ländern zusammentragen. Bisher noch nie veröffentlichte Aufnahmen zeigen Zuschauer, Athleten, aber auch Straßenszenen und das Nachtleben in Berlin. "Wir wollten das Leben aus den Augen der Menschen dieser Zeit zeigen", erklärt Huber.

Die Bilder zeigen fröhliche und bunte Spiele, die für manche zu einem Albtraum wurden.

"Der Traum von Olympia" läuft heute um 20.15 Uhr bei Arte und am Montag im Ersten um 21.45 Uhr

(RP)
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