Sechsteiler "Weinberg" So süchtig macht Deutschlands düsterste Serie

Düsseldorf · Warum können deutsche Pay-TV-Sender eigentlich keine guten Serien produzieren, so wie es die Amerikaner vormachen? Der Bezahlkanal TNT-Serie hat jetzt einen neuen Versuch gestartet - mit der Mystery-Reihe "Weinberg". Unser Autor findet: Das Risiko hat sich gelohnt.

 Neblig hier! Hauptdarsteller Friedrich Mücke im namensgebenden Weinberg.

Neblig hier! Hauptdarsteller Friedrich Mücke im namensgebenden Weinberg.

Foto: Turner Entertainment Networks

Ein Mann öffnet die Augen und stellt fest, dass er in einem Weinberg liegt. Er hat eine Platzwunde am Kopf. Neben ihm hängt eine leblose Frau mit Krone und Kleid in den Reben. Der Mann hat keine Ahnung, was passiert ist und in welcher Gegend er sich befindet. Er weiß nicht einmal, wer er ist und wie er heißt. Willkommen in Kaltenzell. Willkommen in der Mystery-Serie "Weinberg", die heute ihre Premiere auf dem deutschen Pay-TV-Kanal TNT-Serie feiert.

Wann immer es um deutsche Fernsehserien geht, heißt es gleich: "Warum kriegen das die Amerikaner eigentlich so viel besser hin?" Ein paar Versuche hat es immerhin gegeben. "Im Angesicht des Verbrechens" zum Beispiel, das leider ein Quotenflop war, oder das nicht nur bei Kritikern beliebte "Weißensee". Doch während in den USA die Revolution des folgenübergreifenden Erzählens vom Pay-TV-Sender HBO ausging ("Sopranos", "The Wire"), ist sie in Deutschland eher eine Angelegenheit des öffentlich-rechtlichen Fernsehens.

Der kleine Pay-TV-Kanal TNT-Serie, der wie HBO zu Time Warner gehört, will nun mit dem Sechsteiler "Weinberg" zeigen, dass auch hierzulande das Bezahlfernsehen eigene fiktionale Inhalte entwickeln kann. 3,6 Millionen Euro hat sich der Sender das kosten lassen. 48 Tage lang wurde gedreht. Die Hauptrollen spielen Friedrich Mücke ("Tatort Erfurt") und Antje Traue ("Man Of Steel"), Gudrun Landgrebe gibt eine allwissende Psychologin. Viele andere Gesichter hat man schon auf ARD und ZDF gesehen.

Da ist also dieser namenlose Fremde, der plötzlich in Kaltenzell auftaucht, einem vernebelten und verdüsterten Dorf im Ahrtal. Als er den Bewohnern von der Toten im Weinberg erzählt, schicken diese einen Trupp hinauf. Der wird allerdings nicht fündig. Auf dem Weinfest sieht der Fremde die Frau wieder - quicklebendig. Sie ist die Weinkönigin von Kaltenzell. Doch die Freude währt nicht lange, denn kurze Zeit später ist sie wirklich tot. Aufgespießt im Weinberg. Genau dort, wo er sie zuvor gesehen hatte. Fortan hat der Mann zwei Ziele: Herauszufinden, wer er ist und wer die Frau umgebracht hat. Kein einfaches Unterfangen, weil die Dorfbevölkerung nicht gerade pflegeleicht ist. Da gibt es den pornosüchtigen Bürgermeister, die schamanisch veranlagte Frisörin, den heimlich schwulen Familienvater, die sexuell unerfüllte Hausfrau, den neuen Pfarrer aus Fernost, der kaum ein Wort Deutsch spricht, und einen schweigenden Jungen, sozusagen der Dorftrottel von Kaltenzell. Von einem fröhlichen Gesichtsausdruck sind sie so weit entfernt wie der Ort von der Zivilisation.

Es ist die zweite Serienproduktion des Senders, die erste, "Add a Friend", spielte nur im Studio. Die Konkurrenz von Sky hat es bisher nur auf eine Co-Produktion gebracht ("100 Code"). Das Risiko, das TNT Serie eingegangen ist, hat sich gelohnt. Zwar hat "Weinberg" einige Schwächen. Es gibt die bekannten Mystery-Stereotype und Versatzstücke wie Blut aus Wasserhähnen und Menschen, die sich mit Blut einschmieren, Raben und Nebel, damit auch allen klar ist: "Hallo, ist düster hier". Und manchmal geben sich die Schauspieler allzu knorrig. Aber mit der Zeit entwickelt diese Serie den aus US-Produktionen bekannten Sog. Fragt sich nur, ob die Drehbuchautoren "Weinberg" zu einem befriedigenden Ende führen. Sollte sich herausstellen, dass ein Hund das alles nur geträumt hat - dann hatte er ziemlich viele Drogen im Napf.

"Weinberg" läuft ab dem 6. Oktober jeden Dienstag, 21.10 Uhr, auf TNT-Serie.

(seda)
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