Jüngere Zuschauer gesucht WDR will zwei Wochen lang hip sein

Köln · Mit einer Programmoffensive will der Sender ab 24. August jüngere Zuschauer ansprechen. Rund 20 neue Formate treten an. Danach wird entschieden, was bleibt. "Hier und Heute" aber muss gehen – zum Teil.

 WDR-Intendant Tom Buhrow und Fernsehdirektor Jörg Schönenborn.

WDR-Intendant Tom Buhrow und Fernsehdirektor Jörg Schönenborn.

Foto: dpa, hka kde

Mit einer Programmoffensive will der Sender ab 24. August jüngere Zuschauer ansprechen. Rund 20 neue Formate treten an. Danach wird entschieden, was bleibt. "Hier und Heute" aber muss gehen — zum Teil.

Wenn ein Traditionshaus wie der WDR in ein Kölner Lokal namens "Die Wohngemeinschaft" lädt, um Neuigkeiten zu berichten, dann ist das natürlich eine Botschaft. Wir sind jung, soll das heißen, wir sind kreativ, wir sind teamorientiert. Genauso verkaufen denn auch Intendant Tom Buhrow und Fernsehdirektor Jörg Schönenborn die am 24. August beginnende Programmoffensive — als ein für den Sender beispielloses Projekt, entwickelt von einem ressortübergreifenden Innovationsteam. Zwei Wochen lang werden mehr als 20 neue, teils experimentelle Formate lanciert, Comedy-Serien, Shows, Dokus, zugeschnitten vor allem auf junges Publikum. Angesichts des unerwartet breiten Angebots bezeichneten sich Buhrow und Schönenborn als "glückliche Hierarchen". Die Offensive gebe die Marschrichtung vor. Buhrow: "Wir meinen es ernst."

Allerdings gibt es dazu auch keine Alternative. Denn nach einer aktuellen Erhebung schalten nur ein Drittel der unter 60-Jährigen den Fernseher eigens für den WDR ein, mehr als die Hälfte der Befragten würde den Sender gar nicht vermissen. Im Durchschnitt ist der WDR-Zuschauer laut der Umfrage 64 Jahre alt. Es ist also auch eine existentielle Frage, diesen Schnitt zu senken. Dazu besitzt der Sender einen "Verjüngungstopf", der laut Buhrow drei Millionen Euro pro Jahr für solche Projekte bereithält, aber nicht immer ausgeschöpft werden muss. Diesmal hat man ihn sogar überzogen — rund 4,5 bis fünf Millionen Euro wurden in die Programmoffensive investiert.

"Die Mockridges — Eine Knallerfamilie"

Was gibt es nun Innovatives zu sehen? Da wäre der Vierteiler "Die Mockridges — Eine Knallerfamilie" (ab 28. August, 21.45 Uhr), eine fiktive Comedy-Serie mit einer realen Familie. Oder "#weltuntergang — Der Sommer, der ins Wasser fiel" (28. August, 20.15 Uhr), eine Doku über den Sturm "Ela", produziert aus der Sicht und mit Material von Menschen in NRW. Auch in "Die Runde Ecke" (ab 24. August, 23.30 Uhr) kommen Menschen aus der Region zu Wort — sie erzählen ihre Geschichten. "Begehren" (ab 24. August, nach 23 Uhr) arbeitet Selbiges mal sinnlich, mal deftig auf, und in "Kurvenklänge — Das Stadionkonzert " (30. August, 21.45 Uhr) interpretiert das Funkhausorchester in den Fankurven der Bundesligastadien die jeweiligen Fanhymnen. "Meuchelbeck" (ab 24. August, 20.15 Uhr) ist eine skurrile Serie über einen Mann, der nach 20 Jahren in sein Heimatdorf zurückkehrt.

Nach den zwei Wochen soll ausgewertet werden, was bleiben darf und was nicht überzeugt hat. Es sei aber nicht entscheidend, ob ein Knaller dabei sei, sagte Buhrow. Wichtig sei der spielerische Charakter bei der Entwicklung gewesen. Man habe bewusst auf den etablierten Weg und damit darauf verzichtet, die Formate vorab zu testen. Es habe keine Denkverbote gegeben. Und es sei gesichert, dass nach der Offensive noch Innovation ins Programm einfließe. Buhrow: "Für die Projekte, die weitergeführt werden, stehen drei Millionen Euro bereit."

"Sparen ohne Einschnitte geht nicht"

Das Unternehmen verschlanken und dennoch in die Zukunft investieren, ist für Buhrow kein Widerspruch. Rund 100 Millionen Euro fehlen dem WDR ab nächstes Jahr durchschnittlich. Rund 500 Planstellen will der Sender bis 2020 abbauen. Auch der Honorartopf für freie Mitarbeiter wird schrumpfen, sagte Schönenborn. Man werde sich darüber hinaus wohl von einzelnen freien Mitarbeitern trennen müssen. Schönenborn: "Sparen ohne Einschnitte geht nicht."

Zu spüren bekommt das zum Beispiel die tägliche 15-Minuten-Reportage "Hier und Heute". Sie soll im neuen Programmschema, das ab 1. Januar greift, wegfallen. Stattdessen wird es laut Schönenborn eine 30-minütige "Hier und Heute"-Sendung am Montag geben. "Das Format war zwar exzellent", erklärte der Fernsehdirektor, "aber vertiefenden Hintergrund bieten wir heute schneller etwa in unseren Nachrichtensendungen." Die Entscheidung gegen "Hier und Heute" sei keine gegen Hintergrund-Berichte, betonte er — allein im Jahr 2014 seien rund 280 Reportagen produziert worden. Das tägliche "Hier und Heute"-Format habe sich überlebt.

Der Tatsache, dass sich der WDR bei der "Informationskompetenz abgesichert" fühlt, ist es wohl geschuldet, dass sich die Innovation der Programmoffensive hauptsächlich auf den Sektor Unterhaltung beschränkt. Dabei setzen die Macher sogar auf die Internet-Gemeinde, lassen etwa Youtube-Stars Sendungen gestalten. Der Sender verabschiedet sich damit zum Teil gar vom klassischen linearen Fernsehen. Das klingt zwar innovativ, aber auch etwas bemüht. Innovation darf aber durchaus informativ sein.

(RP)
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