US-Kritik an ZDF-Serie "Unsere Mütter, unsere Väter“ "Wie ein Propaganda-Film von 1943"

In Deutschland wurde der Mehrteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" frenetisch gefeiert. In den USA, wo der Film nun in ausgewählten Kinos läuft, stößt er auf ein völlig anderes Echo. Kritiker werfen der Serie Geschichtsklitterung vor. Die New York Times vergleicht ihn mit einem Propagandafilm der Nazis.

"Unsere Mütter, unsere Väter"
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Als das ZDF im vergangenen Frühjahr die Serie "Unsere Mütter, unsere Väter" ausstrahlte, war das eine kleine Sensation. Nicht nur, weil mehr als sieben Millionen Zuschauer die Geschichte über fünf junge Deutsche im Zweiten Weltkrieg verfolgten. Sondern auch, weil er eine breite gesellschaftliche Debatte anstieß. Erstmals setzten sich drei Generationen mit der Vergangenheit auseinander.

Der aufwändig nach Hollywood-Maßstäben inszenierte ZDF-Dreiteiler wurde weltweit verkauft. In den USA ist er nun in den Kinos zu sehen. "Generation War", lautet jetzt der Titel. Dort aber stößt er bei Kritikern auf überwiegend kritische Resonanz. Tenor: Die in Europa wieder mächtigen Deutschen relativieren ihre Verbrechen.

Perfekte Inszenierung mit fragwürdiger Botschaft

Die renommierte "New York Times" etwa setzte sich eingehend und differenziert mit dem Film auseinander. Regisseur Philipp Kadelbach erntet Lob für seine Inszenierung, für die offensichtlich Steven Spielberg Pate gestanden habe. Was den fünf Hauptfiguren widerfahre, sei spannend mitzuverfolgen und durchaus bewegend, gesteht der Kritiker A.O. Scott zu.

Dann aber folgt das große Aber. So wirkungsvoll der Streifen als TV-Drama auch funktioniere, so fragwürdig sei seine Botschaft. Scott wirft der Produktion vor, Tatsachen aus dem Krieg und Untaten der Nazis ein falsches emotionales Gewicht zu verleihen. Für Gräueltaten seien lediglich ein paar karikaturhaft böse SS-Offiziere und Gestapomänner verantwortlich. Im Film würden Deutsche unter ihnen genauso zu leiden haben wie Juden, Russen oder Polen.

Der Krieg, so der Tenor von "Unsere Mütter, unsere Väter", mache am Ende alle gleich, die Nazis seien daher nicht die einzigen Bösewichte in den grausamen 40er Jahren gewesen. Fazit: Der Film verharmlost die deutschen Verbrechen, indem er bewusst die schlimmsten Untaten der Nazis relativiere, beziehungsweise gar nicht erst zeige.

"Fünf Stunden Selbstmitleid"

So nehme der Film den Hauptfiguren mindestens einen Teil ihrer Schuld: Die Deutschen, ein Opfer der Nazis. "Die pflichtbewussten, opferbereiten Arier, der Leutnant und die Krankenschwester, sind — obwohl nicht ohne Schuld — die Helden der Geschichte, so wie sie es auch in einem deutschen Film aus dem Jahr 1943 gewesen wären", bilanziert Scott. Als Moral gehe daraus hervor, dass die Welt ihnen auf lange Sicht verzeihen müsste.

Die scharfe Kritik hat die New York Times alles andere als exklusiv. Die Kritiker-Seite avclub.com geht mit der Serie noch weitaus schärfer ins Gericht und attestiert ihr "fünf Stunden Selbstmitleid" der NS-Jugend. Indem er seine Protagonisten entideologisiere, führe der Film seine Zuschauer zu dem Schluss, dass eben auch Nazis nette Leute sein konnten.

Kritik gab es schon bei der Ausstrahlung

Andernorts spricht ein Kritiker dem Film generell jede historische Glaubwürdigkeit ab, eben weil es als Hollywood-Drama daherkommt. "Wenn Schicksal eine so saubere Sache gewesen wäre, hätte der Holocaust vermieden werden können", heißt es im Slant Magazine.

Auch die Zeitschrift "Variety" erkennt in dem Film einen umfassenden Versuch einer Verteidigung. Gnädiger zeigte sich hingegen das unabhängige Radionetzwerk NPR: Der Film zeige auf bewundernswerte Weise, wie ein totalitäres System nahezu alles korrumpiere, individuelle Verantwortung inklusive.

Schon während seiner Ausstrahlung hatte der Mehrteiler auch scharfe Kritik im Ausland ausgelöst. In Polen wurde Empörung laut, weil Partisanen als antisemitisch dargestellt wurden, in Russland warf eine Kommission dem ZDF vor, dem Andenken der von deutschen Soldaten ermordeten Menschen in der Sowjetunion zu schaden. Der Dreiteiler zeige "unmenschliches Verhalten" einzelner sowjetischer Soldaten und verdecke damit die kaltblütigen Verbrechen der Wehrmacht an ihrer Ostfront.

(pst)
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