Staffelfinale von "The Taste" Ist ein Gericht wirklich "Fuck, wie geil"?

Düsseldorf · Die dritte Staffel der irren Koch-Castingshow "The Taste" hat einen Sieger: Tim Mälzer. Seinen Kandidaten Kristof hievt der "Coach" mit allen Mitteln aufs Cover eines Kochbuchs. Sat.1 gönnt den Zuschauern gleich drei Stunden derbe, vulgäre und cholerische Sendezeit. Problem: Das alles ist viel zu viel.

The Taste – die Jury der dritten Staffel
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"The Taste" bei Sat.1 startet in die dritte Staffel

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Foto: SAT.1/Willi Weber

Titten. Pardon, aber es geht um Titten. Frank Rosin steht in der Küche, jagt von links nach rechts, motzt seine Kandidaten Helena oder Jan-Thorben an, schmatzt, bis er sagt: "Titte." Dann geht er vor Helena auf die Knie und sagt: "Geil, geil, geil." Das Pluma (Rückendeckel) vom Ibérico-Schwein, das Helena ins Finale des Finales befördern sollte, war tittengeil. Herzlich Willkommen bei "The Taste"; höher steigt das Niveau ab jetzt nicht mehr.

Aus den sechs Köchen zu Beginn (drei Frauen, drei Männer) werden in drei anstrengenden Runden zunächst zwei (Daniela und Susanne) und schließlich noch mal zwei (Helena und Jan-Thorben) Kandidaten aussortiert, bis sich nur noch Tobias und Kristof gegenüberstehen. In einer Sendung, die Finale heißt, dauert es also drei Schritte bis zum Ziel. Als hätten die gefühlt achthundert Schritte in den Folgen davor nicht ausgereicht.

Abgefahrene Zutaten kombinieren

In der ersten "Challenge", wie Aufgaben in Castingshows nun mal heißen, müssen alle abgefahrene Zutaten kombinieren und auf einem Löffel anrichten. Sehr lebensnah etwa: Wodka und Kaviar oder Ei und Trüffel. Gastjuror Roland Trettl (sehr bekannt) hat sich das ausgedacht und entscheidet auch, was ihm gefällt und was nicht. Die Lust auf Dosenravioli beim Zuschauer wächst. In Runde zwei übernimmt Paul Ivic ("der beste vegetarische Koch Europas") das Verfahren — in fisch- und fleischfreier Variation. Im finalen Finale testen die vier Coaches Cornelia Poletto (im Wagner-Festspiel-Kleid), Frank Rosin, Tim Mälzer (beide mit Fliege) und Alexander Herrmann (ohne Kleid und Fliege) ein Drei-Gänge-Menü auf Löffeln.

Um das Konzept der Sendung in seiner Vollendung zu erklären, bedürfte es vermutlich eines Buches in der Dicke einer Gerhard-Schröder-Biografie. Während der drei Stunden Sendezeit empfiehlt es sich jedenfalls, hellwach zu bleiben. Wer wann warum mit welchem Gericht rausfliegt, geht sonst schnell durcheinander. "Weniger ist mehr", sagt Gastjuror Trettl zu den Gerichten der Kandidaten. Sat.1 sollte sich Trettls Motto für eine etwaige vierte Staffel auch noch mal durch den Kopf gehen lassen.

Susanne hat "den Löffel nicht gespürt"

Susanne scheidet aus, weil sie "den Löffel nicht gespürt" hat. Daniela, weil sie als Deko Kräuter und "beschissene Blüten" benutzt. Jan-Thorben, weil sein gerösteter Blumenkohl mit Erdnuss-Ganache (Pralinenfüllung) zu süß ist. Helena, weil sie, ja, warum eigentlich? Und der aufgedrehte Kristof (Team Mälzer) gewinnt letztlich gegen den ruhigen Tobias (Team Poletto), weil er in den vorherigen Sendungen mehr goldene Sterne gesammelt hat. Das finden die Sendungsentwickler vermutlich alles sehr logisch, der Zuschauer aber kommt schlicht nicht mit. Kristof und Tobias bekommen für ihr Drei-Gänge-Menü von den Promiköchen jeweils zwei Sterne. Der Sieger: Kristof aus Berlin, 31, Betreiber eines Supperclubs. Klar?

Es ist einfach von allem viel zu viel. Die Anzahl der Gerichte ist nicht zu überblicken, die Kompositionen werden zu kurz eingeblendet. Wer das verpasst, hat Pech. Moderatorin Christine Henning liest die Aufgaben vor, als erkläre sie der Bundesversammlung das Wahlverfahren zum zwölften Bundespräsidenten. Und ihre Lippen bewegen sich, als käme sie frisch von einer Mimik-Schulung. Zwischendurch schaltet Sat.1 mitten in der Sendung eine völlig bizarre Werbung für einen Elektrogerätehersteller, indem die Kandidaten dessen Produkte im Wert von jeweils 10.000 Euro geschenkt bekommen. Die sagen der Kamera brav, dass sie das "voll geil" finden. Prima.

Kann etwas nicht einfach nur gut schmecken?

Ohnehin: die Sprache. Gerösteter Blumenkohl? Voll geil. Stress? Ist geil. Rührei-Cannelloni? Klar, geil. Alles ist geil, Titte, Scheiße oder Abfuck. Wahnsinn, was Köche, Teilnehmer und Juroren so in drei Stunden für vulgäre Ausbrüche haben. Das kann man gerne spießig finden, aber in dieser Konzentration nutzen sich die Wörter als erwünschte Superlative spätestens beim dritten Mal ab. Ist ein Gericht wirklich "Fuck, wie geil"? Kann etwas nicht einfach nur gut schmecken oder lecker sein? Es sollte doch um den Geschmack gehen, hieß es mal.

Vor der letzten Runde stehen die Teamleiter jeweils unmittelbar neben den Kandidaten und sagen ihnen, was zu tun ist. Mehr Salz, kleinere Gurkenkügelchen, noch einen halben Löffel Wodka, solche Dinge. Unter dieser Anleitung hätte wohl sogar das Krümelmonster mehr als einen Keks hinbekommen. Tim Mälzer nutzt das gnadenlos aus: Sieger Kristof, der dem Herzinfarkt nahe zu sein scheint, ist — wie dieser immerhin selbst einsieht — Mälzers Marionette. Erst im letzten Gang muss die Marionette ohne Schnüre funktionieren. Das gelingt offenbar. Mit Kirschen, Wolfsbarsch und Wirsing. Kristof gewinnt 50.000 Euro und ein eigenes Kochbuch.

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