"Tatort: Böser Boden" Falke, Grosz und die Fracking-Zombies

Hannover · Der Norddeutschland-"Tatort" führt den von Wotan Wilke Möhring gespielten Bundespolizisten zwischen alle Fronten. Doch die Macher torpedieren ihr eigenes Werk.

Fotos aus dem "Tatort: Böser Boden"
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Szenen aus dem "Tatort: Böser Boden"

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Foto: ARD/NDR/Christine Schroeder

In seinem Heimatland Iran war Arash Naderi als Regimekritiker in Gefahr, doch in Deutschland hat der begabte Ingenieur erst politisches Asyl gefunden und dann einen Job bei einem Energiekonzern. Wenige Monate später liegt der Mann tot im Matsch vor seiner Gasförderanlage irgendwo im norddeutschen Niemandsland, mit blutigem Schädel und erstickt.

Ein Fall für Falke (Wotan Wilke Möhring), der allerdings den Kopf dafür nicht frei hat, denn er muss sich nach dem Abgang gleich zweier Partner noch an seine neue, arg unterkühlte Kollegin Julia Grosz (Franziska Weisz) gewöhnen. Außerdem hat er Ärger mit seinem Sohn Torben, den er kaum kennt.

Vor seinem geistigen Auge hat Falke den Fall deshalb schon geklärt und ein paar Neonazis für den Mord an Naderi eingebuchtet, doch seine Partnerin klärt ihn auf: "Die einzigen, die dem Verfassungsschutz hier Probleme machen, sind radikale Bio-Bauern." Die sind schon lange auf den Barrikaden, weil sie glauben, dass Naderis Arbeitgeber mit der hochumstrittenen Gas- und Ölfördermethode Fracking Boden und Wasser vergiftet, ihr Obst und Gemüse und auch sie selbst.

Mit düsterer Musik sind in "Böser Boden" die ebenso düsteren, aber auch gelungenen Bilder unterlegt, gedreht an Orten wie Barsbüttel-Willinghusen und Uetze-Dollbergen, in denen die Regisseurin Sabine Bernardi nach eigener Aussage wenn irgend möglich nicht mal "tot über dem Zaun hängen" will.

Viele Welten prallen aufeinander

Doch die fabelhaft abgewrackte Pension, in deren Tanzsaal Falke und Grosz ihr provisorisches Büro einrichten, kommt nicht allzu lange zur Geltung. Ebensowenig die grell ausgeleuchtete und gerade deshalb bedrohlich wirkende monströse Gasförderanlage oder die Scheune der radikalen Naturschützer, oder das Personal dieses Krimis selbst.

Denn leider, leider trauen die Macher ihrem eigenen Stoff zu wenig. Dabei ist alles drin, so viele Welten prallen aufeinander: Den Großstadt-Straßenbullen Falke treiben die gemütlichen und nicht überparteilichen Dorfpolizisten in den Wahnsinn. Die Bauern beschuldigen indes die Behörden, die Gefahren des Fracking kleinzureden, aus Angst vor den Anwälten der Energiekonzerne. Ihre Sorge gärt schon so lange, dass sie zu Angst geworden ist, die in Zorn umschlägt, in Paranoia und Gewalt. Spannende Figuren gibt es auch genug, vom selbstgerechten Ober-Öko Jan Kielsperg (Niklas Post) über die toughe Gas-Managerin bis hin zum Bruder des Opfers und dessen Familie.

Es ist also alles angerichtet. Umso unverständlicher sind gleich zwei Entscheidungen der Drehbuchautoren: Einen "gruseligen" geistesgestörten Obdachlosen hätte es kaum gebraucht. Und erst recht keine Andeutungen, dass sich die Opfer der bei diesen fiktiven Fracking-Unfällen freigesetzten Nervengifte in Zombies verwandeln. Richtig gelesen: in Zombies. Nicht im übertragenen Sinne, sondern buchstäblich.

Selten wurde ein guter Film, der den Zuschauer ständig zwingt, sich auf eine Seite zu schlagen, so unnötig von den eigenen Machern torpediert. Die realen Konflikte um das Fracking sind komplex und verwirrend genug. Zombie-Grusel-Klamauk war selten so fehl am Platze.

"Tatort: Böser Boden", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(tojo)
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