"Anderswo" Suche nach Identität und Heimat

München · Eine Israelin im Spagat zwischen ihrer Herkunft und Berlin, zwischen Familie und Freund.

"Es wird gut", sagt Noas Mutter - und schiebt etwas nüchtern hinterher: "wie immer." Sie hält die weinende Tochter in den Armen. Noa kauert auf dem Boden, den Kopf auf dem Schoß der Mama. Ein Moment der Verzweiflung bei ihrer Suche nach sich selbst, ihrer Identität, ihrer Heimat.

"Nach über zehn Jahren in Berlin kann ich sagen, dass es nicht leicht ist, in einem fremden Land zu leben", sagt die israelische Nachwuchs-Regisseurin Ester Amrami. "Auf der anderen Seite ist es ja auch im Allgemeinen nicht so leicht zu leben. Egal wo." Ihre Figuren suchten ebenfalls ihren Platz, "nicht nur im geografischen Sinn". Und so hat die Hauptfigur in Amramis Film "Anderswo" vermutlich weit mehr von der Macherin (Jahrgang 1979) als bloß die Herkunft. Die ARD zeigt die Produktion heute in der Reihe "FilmDebüt im Ersten".

Und das ist eigentlich zu spät am Abend. Denn der Film über die Israelin Noa, die in Berlin mit ihrem Freund lebt und studiert, kann beispielhaft stehen für die Sinnsuche einer ganzen Generation. Gerade in Zeiten der Globalisierung, von Austauschprogrammen und internationalen Karrieren. Richtig intakt ist Noas (Neta Riskin) Beziehung zu Jörg (Golo Euler) nicht. Eines Tages fliegt sie nach Israel. Doch aus einem kurzen Heimaturlaub wird ein längerer Aufenthalt, weil ihre Oma im Sterben liegt. Und so banal es klingen mag: Das alte Familienleben holt Noa wieder ein.

Ihre Mutter (Hana Laslo) findet, sie sei zu blass, sie habe abgenommen, und sie solle das lange schwarze Haar lieber offen tragen. So weit, so typisch, so klischeehaft - aber gerade deswegen von so vielen wohl gut nachvollziehbar. Die Dialoge sind auf Hebräisch - der Zuschauer bekommt Untertitel. Eine Handkamera verfolgt Noa mit teils wackeligen - und dadurch lebensnahen - Bildern: ins Krankenhaus zur Großmutter, zu alten Freunden und im Gespräch mit dem Bruder (Kosta Kaplen), der sich mit Tabletten aufputschen muss, um zum Militär zu gehen. Gerade dieser andere Aspekt, diese Lebensverhältnisse und Zwänge sind für Deutsche wohl schwerer zu verstehen - und geben dem Film etwas Besonderes.

"Anderswo", Das Erste, 22.45 Uhr

(dpa)
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