"Tatort - Freitod" Sterben und sterben lassen

Luzern · Der Schweiz-"Tatort" behandelt das höchst kontroverse Thema Sterbehilfe und gefällt mit einer Volte zum Schluss.

Zarte Hände stellen routiniert frische Blumen in eine Vase, streichen Bettzeug glatt, legen eine Wolldecke darauf und zünden eine Kerze an. So gemütlich wie irgend möglich soll es werden in dieser grauen Plattenbauwohnung in Luzern, Zentralschweiz. Schließlich wird hier ein Mensch seine letzten Atemzüge nehmen - auf eigenen Wunsch.

Eine aus Deutschland angereiste Parkinson-Patientin unterschreibt mit zitternden Fingern und entschlossenem Blick die "Freitoderklärung". Danach trinkt sie das ihr gereichte in Wasser aufgelöste Natrium-Pentobarbital, das zum Einschläfern von Tieren verwendet wird, für Hinrichtungen und eben zu dem hier gezeigten Zweck: Sterbehilfe.

Zum elften Fall für das Schweizer Ermittlerduo Reto Flückiger (Stefan Gubser) und Liz Ritschard (Delia Mayer) wird dieser Vorgang, als die Sterbebegleiterin Helen Mathys (Ruth Schwegler) nur Stunden später ermordet wird. Gleich zwei Männer bieten sich als Verdächtige geradezu an: Einerseits ist da Martin Aichinger (Martin Butzke), der psychisch kranke Sohn der Frau, die zum Sterben in die Schweiz gekommen war. Er will nicht glauben, dass sie das wirklich aus freiem Willen getan haben könnte, und unterstellt seiner Schwester, es aufs Erbe abgesehen zu haben.

Andererseits und vor allem drängt sich als Verantwortlicher für den Mord der stets perfekt gekleidete und frisierte, überhöfliche, schnöselige Josef Thommen (Martin Rapold) auf, Leiter der kirchlichen Organisation "Pro Vita". Diese protestiert gegen die Arbeit der fiktiven Sterbehilfe-Organisation "Transitus", die überdeutlich den realen Verein "Dignitas" repräsentiert.

Welcher dieser beiden Männer hat hier wen benutzt, manipuliert, zum Mord angestiftet? Und welche Rolle spielt der einzige verbliebene Nachbar der "Sterbewohnung", Mike Zumbrunn (Lukas Kubik), der sich wegen einer schweren Nierenkrankheit durch die Dialyse kämpft, an das Leben klammert und Suizid verachtet?

Die Kommissare versuchen vergeblich, neutral zu bleiben zwischen den Fronten der erbitterten Gegner sowie Befürworter der Sterbehilfe, für die per Definition kein wie auch immer gearteter Kompromiss denkbar ist.

Das Be- und vielleicht auch Überdenken der eigenen Position dazu tröstet den Zuschauer über manche logischen Fehler dieser Folge hinweg sowie über das Dauerthema: abwechselnd zu hölzerne und überdramatische Dialoge sind Folge nachträglicher Neusynchronisierung. Ein Ärgernis bleiben allerdings die überzeichneten Charaktere. Zum Glück kommt da noch etwas. Im letzten Drittel nimmt der Film nach einer scharfen Wendung noch einmal richtig Fahrt auf und geht mehr unter die Haut denn je.

Aus dem heiklen Thema hätte man mit etwas mehr Mut zur Subtilität trotzdem mehr herausholen können. Stattdessen werden seine Facetten arg grell ausgeleuchtet. Umso wohltuender ist der Verzicht auf Geplänkel innerhalb des Ermittler-Teams. Prädikat: Sehenswert, allerdings mehr wegen des Themas als wegen dessen Umsetzung.

"Tatort - Freitod", Das Erste, So., 20.15 Uhr

(tojo)
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