Internes Papier So plant der WDR den Radikal-Umbau

Köln · Der Sender will sein Programm verjüngen und stärker auf Serien und Regionales setzen. Dafür sollen allerdings Dokumentar- und Reportage-Formate reduziert werden, wie aus einem internen Papier der Fernsehdirektion hervorgeht.

 Das Düsseldorfer WDR-Funkhaus.

Das Düsseldorfer WDR-Funkhaus.

Foto: WDR

Bei seinem Amtsantritt am 1. Juli 2013 hatte Tom Buhrow keinen Hehl daraus gemacht, dass nun ein Reformer an der Spitze der größten Landesrundfunkanstalt steht, ein Mann für das große Ganze. Der neue WDR-Intendant kündigte als sein größtes Projekt den Komplett-Umbau des Kölner Senders an, um die anvisierten Einsparungen erreichen zu können. Knapp zwei Jahre später nehmen die Reformen im Bereich des WDR-Fernsehens konkrete Formen an. "Informationsorientiert, übersichtlich, jünger" soll das Programm werden. So steht es in einem internen Papier der Fernsehdirektion von Jörg Schönenborn, dessen Echtheit eine WDR-Sprecherin gestern bestätigte. In dem Dokument, das unserer Zeitung vorliegt, heißt es, eine "Renovierung oder Verlegung einzelner Sendungen" sei nicht ausreichend. Stattdessen sei ein "grundlegender Imagewandel" notwendig. Das neue Programmschema soll "im Kern" im Januar 2016 in Kraft treten - es ist Schönenborn zufolge die größte Reform des Senders seit rund 20 Jahren.

Der WDR hatte ein "Projektteam Verjüngung" damit beauftragt herauszufinden, was die jungen Zuschauer bislang vom WDR fernhält. Denn es schaltet nur ein Drittel der unter 60-Jährigen den Fernseher ein, um ein Programm im WDR zu sehen, wie eine aktuelle Erhebung belegt. Mehr als die Hälfte der Befragten würde den Sender überhaupt nicht vermissen, wenn es ihn eines Tages nicht mehr gäbe. Die WDR-Zuschauer seien im Schnitt 64 Jahre alt - bezogen auf die TV-Zuschauer in NRW liegt der Altersschnitt jedoch nur bei 52 Jahren. Man wolle und müsse gemäß des öffentlich-rechtlichen Auftrags ein Programm für alle Altersstufen anbieten, heißt es in dem Dokument. Der WDR bezeichnet die relevante Zielgruppe, die 35- bis 55-Jährigen, als "zentrale Eroberungsgruppe".

Laut Programmauftrag müssen die öffentlich-rechtlichen Rundfunkprogramme der Information, Bildung und Unterhaltung gleichermaßen dienen. Der WDR plant, neben regionalen Informationen künftig den Bereich Unterhaltung und Fiktion, also Serien und Filme, zu stärken. Dafür werden teils traditionsreiche Dokumentar- und Reportage-Formate reduziert, verschoben oder aus dem Programm genommen. Vor allem trifft es die beiden Sendungen "Hier und Heute" und "Cosmo TV" - wie berichtet soll die 15-Minuten-Reportage "Hier und Heute", die es seit den 50er Jahren gibt, nach Informationen unserer Zeitung zum Jahresende gestrichen werden. Stattdessen soll es montags einen halbstündigen Sendeplatz ab 22.10 Uhr geben.

Zur Primetime am Montagabend soll ein Serienplatz entstehen. "Aufgrund der Konkurrenzsituation in ARD und ZDF" komme dafür kein anderer Termin in Frage, argumentiert die Programmdirektion. Den Platz soll eine Serie mit regionaler Anbindung erhalten, denkbar wäre die WDR-Erfolgsserie "Die Lottokönige" (bislang um 22 Uhr am Mittwoch) oder aber ein gänzlich neues Format - vielleicht ja der Münster-"Tatort" in Serie? Das würde den Verantwortlichen sicher gute Quoten bescheren. Die bisherigen Montagssendungen sollen auf den Mittwoch weichen.

Die regionalen Angebote sollen Schönenborn zufolge gestärkt werden. Es soll freitagabends eine zusätzliche Ausgabe von "WDR aktuell" um 21.45 Uhr geben mit 25 Minuten Sendezeit. Die "Aktuelle Stunde" (dann ab 18.45 Uhr) bekommt fünf Minuten mehr Zeit. Zudem soll "WDR aktuell" mit zehn Minuten Sendezeit fünfmal pro Woche um 18 Uhr zu sehen sein. Damit werde eine "Kurzausgabe" der Lokalzeit verknüpft, mit fünf Minuten Sendezeit. Ob dies eine Kürzung der Lokalzeit um 19.30 Uhr zur Folge hat, wie man immer häufiger hört, ist ungewiss. Fernsehdirektor Jörg Schönenborn hatte vor rund einem Jahr erklärt: "Für den WDR sind die Lokalzeiten teurer als Sportrechte." Rund 60 Millionen Euro fließen nach seiner Aussage jährlich in diesen Bereich. Zuvor hatten die Programmverantwortlichen die Lokalzeit am Samstag von elf Ausgaben auf eine landesweite Sendung reduziert. Buhrow sagte bei einem von ihm ins Leben gerufenen "WDR-Check", dass die Landesstudios bis 2016 bestehen bleiben würden.

Ab nächstem Jahr fehlen dem WDR nach eigenen Angaben durchschnittlich 100 Millionen Euro. Bis 2020 sollen 500 Planstellen abgebaut werden. Davon entfallen 130 auf die Verwaltung, 220 auf Produktion und Technik sowie 140 auf die Programmgestaltung. Im Bereich Fernsehen sollen 60 Stellen eingespart werden, im Hörfunk 80.

Um sich mehr Flexibilität zu erhalten, etwa für Themenabende, soll künftig beim WDR "größer gedacht" werden: Redaktionsteams, die bislang für einzelne Sendungen verantwortlich waren (die es dann teils so nicht mehr gibt), sollen an Schwerpunkten zusammenarbeiten. Der Montag soll der "Montag des Westens" werden, der Dienstag bekommt den Schwerpunkt "Wissen", der Mittwoch ist der Infotag mit Investigativem und Hintergrund, am Donnerstag werden "Sendungen zum Thema Lebensmodelle zusammengeführt" wie "frau TV", "Menschen hautnah" und "tag 7", und am Freitag will der WDR für Gesprächsstoff sorgen - durch Talkformate, Dokumentationen und Unterhaltung. Dazu passend bekommt jeder Tag eine Farbe. Mit dieser klareren Einteilung möchte Schönenborn das Programm besser bewerben können.

Mit der sogenannten Programmschemareform muss sich nun noch der Rundfunkrat beschäftigen. Einer Sprecherin zufolge wird dies heute in einer Woche geschehen, es bestehe die Möglichkeit, die Vorschläge in den Programmausschuss zu übergeben. Nach der Sommerpause werde es dann dazu die Beratungen im Rundfunkrat geben. Doch es ist anzunehmen, dass es - wie bei der Novellierung des Hörfunkwellenkonzepts - Protest aus dem Publikum geben dürfte.

(RP)
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