Talkshow-Alternative Warum die erste Folge von "Schulz & Böhmermann" gut, aber nicht sehr gut war

Düsseldorf · Drei Jahre nach der letzten Ausgabe von "Roche & Böhmermann" macht sich Jan Böhmermann mit Olli Schulz daran, wieder eine Talkshow-Alternative zu liefern. Die erste Folge hatte viele starke Momente, aber Luft nach oben.

Jörg Kachelmann, Olli Schulz, Gert Postel, Anika Decker, Jan Böhmermann und Kollegah (v.l.n.r.)

Jörg Kachelmann, Olli Schulz, Gert Postel, Anika Decker, Jan Böhmermann und Kollegah (v.l.n.r.)

Foto: ZDF / Ben Knabe

Es gibt in Deutschland noch zwei Arten von Talkshows: In den Politik-Talkshows sitzen Politiker und andere Fachkräfte zusammen, um über ein bestimmtes Problem zu sprechen. In den Freitagabend-Talkshows in den dritten Kanälen setzen sich Prominente in einen Stuhlkreis, um der Reihe nach über ihr neues Projekt zu sprechen und ein wenig aus ihrem Leben zu plaudern.

Und dann gibt es "Schulz & Böhmermann". Bereits 2012 bewies Jan Böhmermann zusammen mit Charlotte Roche, dass Talkshows auch anders ablaufen können. Doch trotz viel Lob kam das Aus. Ausnahmsweise waren nicht die Quoten der Grund, sondern interner Streit. Nun hat Böhmermann zusammen mit dem Entertainer Olli Schulz das Konzept wiederbelebt inklusive des Studios im 60er-Jahre-Stil. Am Sonntagabend strahlte ZDFneo die erste Folge von "Schulz & Böhmermann" aus.

Wie anders diese Talkshow ist, zeigte sie gleich im Intro. Die Schriftstellerin Sybille Berg liegt an einem leeren Pool, der von einem Affen im Anzug gereinigt wird — derweil sie die Gäste der Sendung schon einmal ankündigt: den Rapper Kollegah, Wetter-Experte Jörg Kachelmann, den verurteilten Arzt-Hochstapler Gert Postel und die Drehbuchautorin und Regisseurin Anika Decker ("Keinohrhasen", "Traumfrauen"). Danach kommen Böhmermann und Schulz ins Bild. Jan Böhmermann: "Hallo, wir sind Joko und Klaas." Und Schulz: "Duell um die Welt."

Was die Sendung mit anderen Talkshows gemein hat: Es gibt Moderatoren und es gibt Gäste, und sowohl Moderatoren als auch Gäste reden. Die Konzepte aber unterscheiden sich fundamental. "Schulz & Böhmermann" ist als Gegenentwurf angelegt. So wie auch in ihrer Radiosendung "Sanft & Sorgfältig" verzichten sie auf ein übergreifendes Thema. Niemand gibt sich der Illusion hin, ein Problem in einer Sendung ernsthaft besprechen zu können, also versuchen sie es erst gar nicht. Außerdem ist keiner der Prominenten deshalb da, um über ein neues Projekt zu sprechen. Was das Ziel der Sendung ist, verkündet Böhmermann gleich zu Beginn der Folge: "Wir versuchen ein echtes Gespräch. Das kann funktionieren, das kann nicht funktionieren." Diesmal funktionierte es über weite Strecken.

Wobei funktionieren vielleicht das falsche Wort ist, weil die Sendung auch gerade auf jene Momente aus ist, in denen es nicht funktioniert. Schon beim ersten Einspieler gibt es Probleme. Erst wird der falsche eingespielt, dann bricht er mittendrin ab. Olli Schulz beschließt: "Wir lassen das jetzt alles so drin."

Es ist schwer, die Gespräche der ersten Sendung zusammenzufassen, weil bei vier Personen, die wirklich etwas zu erzählen haben, und zwei Moderatoren, die sich auch gerne reden hören, schnell die Themen wechseln. Kollegah sagt, die Kids peilen, dass das, was er macht, eine Show ist. Postel will nicht aufs Gefängnis reduziert werden. Kachelmann erzählt von Kakerlaken und Ratten in der JVA Mannheim und dass er Staatsanwaltschaft, Springer und die Frau, die ihn vor Gericht gebracht hat, verurteilt sehen möchte. Anika Decker enthüllt, dass Til Schweiger eher für die romantischen Momente in den Drehbüchern verantwortlich ist.

Die Moderatoren sind nicht neutral

Doch es gibt viele Momente, die hängenbleiben, weil sie entweder witzig oder traurig sind und weil die Moderatoren nicht neutral sind, sondern Positionen vertreten. Auch wenn Schulz im Gegensatz zu Böhmermann eher der Kumpeltyp ist, etwas, das auch Roche nie war. Böhmermann wirft Postel vor, dass der sich seine Taten im Nachhinein schön redet, und fragt: "Was glauben Sie, was mit Ihnen nicht stimmt?" Später erzählt Postel, dass er das alles nur gemacht habe, weil ein Psychiater seine Mutter falsch behandelt habe, woraufhin sich diese ihr Leben nahm. "Ich hatte Lust, mich öffentlich lustig zu machen über Psychiatrie. Ich wollte beweisen, dass es eine dressierte Ziege machen kann."

Kachelmann erwähnt ständig seine Wetter-Website, bis Böhmermann sagt: "So langsam kippt es, Herr Kachelmann." Als die Runde darüber spricht, ob Kachelmann nicht doch verbittert sei wegen des Unrechts, das ihm angetan wurde, sagt Kachelmann: "Ich habe keinen Hass, keine Verzweiflung keine Wut."
Schulz: "Dann habe ich das völlig falsch interpretiert."
Postel: "Ich erlebe ihn auch nicht verbittert."
Böhmermann: "Herr Postel, Sie sind kein Psychiater."
Schulz und Böhmermann sind keine knallhart nachfassenden Investigativ-Journalisten, aber sie geben Contra.

Was die Sendung aber noch beweisen muss, ist, dass sie nicht nur als Gegenentwurf zu anderen Talkshows funktioniert, als Meta-Talkshow, sondern auf eigenen Beinen steht. Dass sich also dort längere Gespräche entwickeln und Situationen, die anderswo im deutschen Fernsehen nicht zu sehen sind. Vielleicht bleiben die Beteiligten doch einmal bei einem Thema, vielleicht produzieren sie ja doch einmal — so aus Versehen — eine Erkenntnis. Ansonsten bliebe auch "Schulz & Böhmermann" eine Plauderrunde. Allerdings auf sehr sehr hohem Niveau.

(seda)
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