TV-Talk mit Sandra Maischberger "Entscheidend ist, dass Trump gebändigt wurde"

Düsseldorf · In den ersten 100 Tagen im Amt hat Donald Trump viele Pläne nicht umsetzen können. Die Gäste bei Maischbergers TV-Talk halten das für einen Erfolg. Einige hoffen, der "Trump-Effekt" könnte europäische Wähler aufrütteln.

Das ist das Kabinett von Donald Trump
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Darum ging's

Nach 100 Tagen Trump und Niederlagen populistischer Parteien in den Niederlanden und Österreich wollte Sandra Maischberger wissen: Sind die Nationalisten entzaubert? Viele Ankündigungen konnte der amerikanische Präsident nicht umsetzen, bei manchen Positionen machte er eine 180-Grad-Kehrtwende. Welche Folgen hat Trumps schwindender Zuspruch für Europas Populisten?

Darum ging's wirklich

Die Runde bewertete die ersten politischen Schritte von US-Präsident Trump und analysierte wieder einmal kritisch dessen Persönlichkeit. Eine Börsenexpertin und ein ehemaliger Botschafter diskutierten mit Politikern und Journalisten aber auch, welchen "Trump-Effekt" der Amerikaner für Europa und vor allem auf die Wähler in Frankreich haben könnte. Dort treten am Sonntag bei der Stichwahl um das Präsidentenamt der Mitte-Links-Kandidat Emmanuel Macron und die Chefin des Front National, Marine Le Pen, gegeneinander an. Die Frage ist: Wirkt Trump als Beispiel abschreckend oder ermutigend?

Die Gäste

  • Thomas Roth, ehemaliger ARD-Korrespondent
  • Gregor Gysi, Die Linke, Präsident der Europäischen Linken
  • Anja Kohl, ARD-Börsenexpertin
  • John Kornblum, ehemaliger US-Botschafter in Deutschland
  • Markus Feldenkirchen, Spiegel-Autor, ehemaliger USA-Korrespondent
  • Roger Köppel, Schweizer Publizist und SVP-Politiker

Der Frontverlauf

Nach einer Runde wenig schmeichelhafter Trump-Analysen gehen die Gäste auf Details zu den Fehlern, Reaktionen und Folgen der neuen US-Regierung für die Welt ein. Während der Amerikaner Kornblum die "Weltuntergangsstimmung" der Deutschen kritisiert, bemängelt der Schweizer Roger Köppel die Einseitigkeit der Debatte und bricht eine Lanze für Trump: "Der Mann ist viel pragmatischer, als Sie das hier wahrhaben wollen."

Journalist Thomas Roth und Gregor Gysi sind sind zunächst einig: "Der Mann ist ein Desaster". Roth ergänzt, Trump habe den auf Kompromisse ausgelegten Kern der Demokratie nicht begriffen. Gysi beobachtet jemanden, der "Minderwertigkeitskomplexe durch Lautstärke kompensiert" und wiederholt seine Einschätzung: "Gefährlich ist, dass er unberechenbar ist." Froh sei er, dass Kongress und Justiz ihn bisher in entscheidenden Punkten bremsen konnten.

Eine Einspielung fasst zusammen, welche Versprechen Trump bisher nicht erfüllen konnte - wie die Abschaffung der Gesundheitsreform Obamacare, die mexikanische Mauer oder die Einreiseverbote für Bürger aus muslimischen Staaten. Genannt werden aber auch das Dekret zur Kohle-Industrie, mit dem er die Klimaschutzpolitik stoppt, sowie geplante Steuersenkungen.

Manchmal trifft lächerlich auf gefährlich

Dass die Justiz eingreife, erleichtert auch Spiegel-Mann Feldenkirchen. Der weiß nicht, ob er Trump eher lächerlich oder gefährlich findet: "Manchmal allerdings kommt beides zusammen." In seinen Augen sind die ersten 100 Tage des Präsidenten ein Erfolg, und zwar "gerade weil er vieles nicht umsetzen konnte."

John Kornblum hält vor allem die Aufregung in Europa über Trump für schädlich. "Trump ist nicht mein Geschmack, aber er ist Präsident." Das könne man aushalten, findet der ehemalige Botschafter und stellt die Prognose: "Wir werden sehen, dass Amerika stärker sein wird als vorher." Seiner Ansicht nach halte die Weltuntergangsstimmung vor allem davon ab, viele echte Probleme zu sehen und anzupacken.

Der Journalist und SVP-Politiker Köppel ereifert sich über die Reaktionen vieler deutscher Medien und nennt den Spiegel-Titel mit geköpfter Freiheitsstatue als Beispiel: "Bei euch sind doch die Sicherungen durchgebrannt", sagt er und nennt einen Großteil der Kritik "unsachlich und übertrieben." "Das Entscheidende ist doch, dass Trump gebändigt wurde", findet Köppel im Hinblick auf einige der bisher gescheiterten Pläne. Trump sei mit Krawall-Rhetorik aufgetreten und rudere jetzt eben zurück. "Er ist ein viel normalerer Politiker, als Sie es in dieser Runde wahrhaben wollen."

Feldenkirchen verteidigt den Titel seines Magazins, zuspitzende Cover seien als Warnung zu verstehen. Da werde ja nur symbolisch geköpft: "Die Freiheitsstatue ist Symbol für Demokratie und dafür, Einwanderern Zuflucht zu bieten. Das alles will Trump nicht." Zugleich kritisiert der Spiegel-Autor, dass Trump jene, die ihn gewählt haben, zu vergessen scheine: "Was hat er denn für jene abgehängten und arbeitslosen Amerikaner bislang getan?"

Historische Steuersenkung könnte Boom tragen

Anja Kohl erklärt, dass Trump an den Börsen durchaus für Bewegung gesorgt habe. Allerdings sei wirtschaftlich in seinen eher rudimentären Ansätzen bisher kein rechter Plan zu erkennen. "Da läuft die Zeit der Vorschusslorbeeren langsam aus." Interessant werde die angekündigte Steuersenkung: Wenn die Unternehmenssteuer tatsächlich von 35 auf 15 Prozent gesenkt werde, könne das historisch sein und auch den nächsten Boom tragen.

Roth und Gysi wenden ein, dass nicht klar sei, wie diese Senkung gedeckt werden solle. Thomas Roth: "Ich sehe auch nicht, dass er das grundlegende Probleme angeht, und sieht, dass zum Beispiel Kohle keine Zukunft hat."

Amerika zuerst?

Was aus "America First" geworden sei, will Sandra Maischberger noch wissen, nachdem Trump das Versprechen, weniger Geld in Waffen und Rüstung zu stecken, nicht eingehalten habe. Die Bomben in Syrien waren für die meisten in der Runde überraschend. "Trump ist stark auf Rückendeckung und Anerkennung angewiesen", analysiert Feldenkirchen und meint, diese Bomben hätten ihm bei einigen durchaus diese Anerkennung verschafft. Roth ist unklar, ob es bei der Bombardierung vor allem um einen Effekt ging oder ob er sie in eine Strategie einbinden wolle. Anja Kohl kann keine Strategie entdecken, sie hält das Vorgehen für ein "Ablenkungsmanöver."

Einfache Fragen - komplizierte Antworten

Zuletzt debattiert die Runde, welchen Einfluss Trump auf den Populismus in Europa hat. Sind die Niederlagen der populistischen Parteien in Österreich und den Niederlanden ein Zeichen dafür, dass der "Trump-Effekt" die Wähler abschreckt? Roth hofft auf diese Wirkung. Vielleicht seien die ersten 100 Tage ein Beleg dafür, dass sich die komplizierter werdende Welt nicht in drei Hauptsätzen lösen lasse. "Ich hoffe, dass das abschreckend wirkt und hoffe, dass es Wähler misstrauisch gegenüber den Vereinfacherern macht." Le Pen als Präsidentin, so der Journalist, würde Europa so verändern, dass man es nicht wiedererkennen würde.

Sogar Roger Köppel ist sich in diesem Fall mit seinen Kontrahenten einig: "Le Pen wäre verheerend für Frankreich". Gregor Gysi nennt diesen möglichen Ausgang eine "Katastrophe für unseren Kontinent Europa". Anja Kohl gibt hoffend zu bedenken, dass seit dem Brexit alle Wahlergebnisse pro-europäisch waren. Auch Feldenkrichen ist gebremst optimistisch: Wenn derzeit Tausende für Europa auf die Straßen gingen, zeige das immerhin, dass sich vor allem junge Leute die Errungenschaften Europas nicht kaputt machen lassen wollen.

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