TV-Kritik "Menschen bei Maischberger" "Trump wird nicht Präsident werden"

Düsseldorf · Ist Donald Trump im US-Präsidentschaftswahlkampf noch zu stoppen? Damit beschäftigten sich Sandra Maischberger und ihre Talkgäste am Mittwochabend. Ihr Schluss: Es geht weniger um Donald Trump als um eine grundsätzliche Abkehr vieler Amerikaner vom politischen System. Der Abend im Überblick.

 Bei Sandra Maischberger diskutierte unter anderem Tom Buhrow mit Nadja Atwal.

Bei Sandra Maischberger diskutierte unter anderem Tom Buhrow mit Nadja Atwal.

Foto: Screenshot / Das Erste

Die Runde

Gemeinsam mit Sandra Maischberger diskutierten Tom Buhrow, WDR-Intendant und langjähriger USA-Korrespondent, Ex-US-Botschafter John Kornblum, der Bundesabgeordnete und Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele und die deutsche PR-Unternehmerin und bekennende Trump-Unterstützerin Nadja Atwal. Gegen Ende der Sendung komplettierte außerdem die gebürtige Berlinerin Debra Milke die Runde, die 22 Jahre lang unschuldig in der Todeszelle im US-Bundesstaat Arizona saß, und 2015 freigesprochen wurde. In einem bewegenden Interview mit Maischberger berichtete sie von den Jahren in der Todeszelle.

Darum ging's

"Trump for President: Wer versteht die Amerikaner?", lautete der Titel der Sendung in der ARD. Dabei sollte vor allem die Frage im Vordergrund stehen, wie es der Milliardär und Immobilienmogul ohne politische Vorerfahrung zum Topkandidaten der Republikaner schaffen konnte, und ob er nun tatsächlich eine Chance hat, der Nachfolger von Barack Obama als Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika zu werden.

Dass Donald Trump wirklich der nächste Präsident der USA werden könnte, hielten dabei alle Gäste — bis auf die in Amerika lebende Nadja Atwal — für höchst unwahrscheinlich. Dass er so weit kommt, wie er nun gekommen ist, hätten jedoch die wenigsten für möglich gehalten, wie etwa Tom Buhrow zugab. "Zuerst war Trump ein belächelter Außenseiter, nun ist er zum Favoriten der Republikaner geworden — das hätte ich nicht gedacht", sagte er, betonte aber zugleich ebenso wie John Kornblum, dass Trump zwar Kandidat für das Amt, nicht aber wirklich Präsident werden könnte.

Darum ging's wirklich

Um das Programm Trumps und die Inhalte seines Wahlkampfes ging es nicht wirklich — vielleicht auch, weil es, wie Hans-Christian Ströbele betonte, kein wirkliches Programm gibt: "Trump hat keine Positionen, er war mal Demokrat, nun ist er Republikaner, er lässt sich treiben, sagt an dem einen Tag etwas, das er am nächsten wieder dementiert", stellte dieser fest. Und dass die Positionen des Milliardärs etwa zur Einwanderungspolitik der USA oder seine Ansichten zu Frauen meist völlig abstrus und vor allem respektlos daherkommen, darüber war man sich (mit Ausnahme von Atwal) ebenfalls einig.

Die Aufreger-Sprüche des Donald Trump
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Vielmehr beschäftigte sich die Runde deshalb mit der Frage, warum Trump dennoch so erfolgreich ist — und kam zu einem einheitlichen Schluss: "Es geht überhaupt nicht darum, was Trump sagt, sondern es geht um seinen Protest gegen das politische Establishment. Es geht um die anderen, nicht um Trump selbst", sagte Tom Buhrow. Und das sei im Übrigen auch ein Phänomen, das Bewegungen wie der AfD oder dem Front National in Frankreich um Marine Le Pen derzeit Aufwind verschaffe. Dieser These stimmte das Podium einhellig zu. "Amerika hat Probleme", stellte etwa auch Nadja Atwa fest, "und alles, was sich gegen das politische Establishment richtet, ist gut", lautete ihre Bewertung.

Unwort des Abends

Das "politische Establishment" und seine Probleme begleiteten die Diskutanten fortan während des gesamten Abends, immer wieder liefen die Argumente in der Feststellung zusammen, dass das politische System nicht mehr funktioniere — so dass man irgendwann das Wort "Establishment" nicht mehr hören konnte.

Satz des Abends

Zwischen aller Trump-Kritik machte Tom Buhrow eine kluge Anmerkung zur deutschen Sicht auf den amerikanischen Wahlkampf: "Ich warne ein wenig vor unserer intellektuellen Arroganz", sagte er. "In Amerika haben schon immer schrille Typen das politische Geschehen bestimmt, weil dort eben alles direkt gewählt wird und sich jeder zur Wahl stellen kann. Hierzulande ist das anders, ja sogar das Gegenteil ist der Fall: Wer hier sagt, er will mit aller Überzeugung für ein Amt antreten, fliegt als Erster raus — weil er gegen das Establishment seiner eigenen Partei kämpfen muss."

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Foto: dpa/Matt Rourke

Bizarrster Dialog

Nachdem PR-Frau Nadja Atwal immer wieder mit Erklärungen wie "Trump weiß halt, wie er mit möglichst wenig viel Sendezeit bekommen kann" Trumps Thesen etwa zur Einwanderungspolitik zu entschärfen versuchte, wollte Hans-Christian Ströbele wissen, wie sie denn die Frauenfeindlichkeit Trumps bewerte und diese doch unmöglich auch unterstützen könne — und erhielt eine überraschende Antwort: Trump, so Atwal, sei nämlich gar nicht frauenfeindlich, das könne man schon allein daran erkennen, dass in seinen Unternehmen auch viele Frauen wichtige Posten bekleideten. Na denn.

Bemerkenswerter Gast

Die bis dahin recht unaufgeregte Debatte um Trump und die USA wurde mit dem Auftritt der gebürtigen Berlinerin Debra Milke ungleich emotionaler. 22 Jahre lang saß sie unschuldig in der Todeszelle im US-Bundesstaat Arizona, verurteilt für den Mord an ihrem Sohn, die Aussage eines Polizisten war der einzige Beweis für die Tat. 2015 wurde sie schließlich endgültig freigesprochen, nachdem erwiesen worden war, das besagter Polizist nicht die Wahrheit gesagt hat.

Kaum vorstellbar für den Zuschauer beschrieb Milke ihre Zeit in der Todeszelle, in der sie isoliert von den anderen Häftlingen mehr als 20 Jahre lebte ohne menschlichen Kontakt und erzählte von dem Probelauf für ihre eigene Hinrichtung, die kurz vor der Vollstreckung verhindert werden konnte. Und auch zur Todesstrafe selbst äußerte sie sich: Sie sei gegen die Todesstrafe, sagte Milke, auch der Mörder ihres Sohnes solle nicht hingerichtet werden. "Das macht meinen Sohn nicht wieder lebendig", sagte sie. Und hat sie den Glauben an die USA verloren? Wird sie wählen gehen? "Ich denke drüber nach", sagte sie zum Abschluss.

Erkenntnis

"Trump wird nicht Präsident werden", sagte Tom Buhrow und erhielt dafür Zustimmung vom Podium. Aber ist es wirklich so einfach, wenn Trump — wie er und seine Mitdiskutanten feststellten — vor allem ein Symbol der Rebellion gegen das vorherrschende politische System der USA ist, an das viele Amerikaner offenbar den Glauben verloren haben? Wie eine Lösung des vielbeschworenen Kampfes gegen das Establishment aussehen könnte, dazu äußerte sich das Podium jedenfalls nicht.

(lai)
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