Analyse Quatschen statt Kochen

Düsseldorf · Meinung Tim Mälzer hat unserem Autor mit "Schmeckt nicht, gibt's nicht" das Kochen beigebracht. Doch Sendungen wie diese sind zu uninspirierten Shows mutiert, bei denen der Männerwitz auferstanden und der Rezeptabruf ins Internet gewandert ist.

Wie er da rumwuselte, das war nicht besonders entspannend. Er huschte nach links und nach rechts, holte die Zwiebeln aus einer Schublade und hackte sie so, dass die Hälfte auf den Fußboden fiel. Das Schnitzel kloppte er mit einer Pfanne platt. Er redete während der gesamten 30 Minuten Sendung - ohne Luft zu holen. Tim Mälzer war auch ein Geschenk für Parodisten. Als "Switch Reloaded" auf ProSieben noch lustig war. Das war, ehrlich, brüllend komisch. Für denjenigen, der die Sendung kannte. Und liebte.

"Schmeckt nicht, gibt's nicht" hieß sie und lief montags bis freitags einige Jahre lang im Vorabendprogramm von Vox. Der Pinneberger Koch Mälzer präsentierte in einer halben Stunde flapsig Gerichte für den Alltag. Mit flotter Zunge, mit flottem Messer, im heißen Topf. Er wurde als Rockstar der Küche gefeiert. Er verkaufte Kochbücher ohne Ende, und, natürlich, auch heute ist er noch ein Star. Ein Altstar. Die Kochsendung, wie Mälzer sie zelebrierte, ist tot.

Nach der Schwemme, in der auf jedem Sender zu jeder Zeit jeder Mensch meinte, Kochtipps geben zu müssen, folgt aber nicht das kochfreie Fernsehen, sondern die schreckliche Mutation: "Grill den Henssler", wo sogenannte Promis auf einer wackeligen Platte versuchen, Bockwurstscheiben in die richtige Schüssel zu sortieren. Die "Küchenschlacht", wo hilflose Nerds mit hilflosen Profis hilflose Gerichte machen und ein hilfloser Juror bewertet. Genannt sei auch "Das perfekte Dinner", das schon lange lieber den Zoff unter wirren Kandidaten erklärt als die Rezeptur einer guten Gazpacho.

Alfred Biolek müsste heute eigentlich Meister des wiederauferstehenden Slow Foods sein. Auf den Markt gehen, liebevoll die roten Fleischtomaten aussuchen, etwas Petersilie vielleicht noch? Oder lieber eine Aubergine? Und dann gemütlich bei einem Glas 2008er Bordeaux alles zusammenmischen. Abschmecken, Schmatzen. Herrlich. Aber nein, es muss etwas durch die Luft fliegen, am liebsten Essen, und Steffen Henssler muss dämliche Altherrenwitze mit Ruth Moschner machen. Haha, Brüste, haha. Die Bezeichnung Kochsendung ist in jedem Fall irreführend. Das ist stumpfe Unterhaltung, in der es nichts zu lernen gibt. Der Autor dieser Zeilen hat sehr viel von dem, was er heute kocht und wie er heute kocht, von Tim Mälzer gelernt. "Ich zeige Ihnen, wie man mit viel Fantasie und wenig Zutaten tolle Sachen kochen kann", hat der immer gesagt. Das war doch herrlich, kurze Rezeptlisten, schnelle Zubereitung, frisches Essen.

Shows wie "Grill den Henssler" veröffentlichen die Rezepte nur noch im Internet. Früher gab es noch den guten alten Faxabruf, oder man musste gleich vor dem Fernseher mitschreiben! Aber die Entwicklung, dass es die Rezepte nur noch im Netz gibt, ist eine selbsterfüllende Prophezeihung. Die Kochsendung im Fernsehen schafft sich ab. Denn dorthin ist jetzt auch der Kochlehrgang gewandert.

Auf Blogs, bei YouTube oder auf anderen Seiten im Netz können die Leute ihre Koch-Anleitungen gleich Schritt für Schritt auf dem Tablet in der Küche gucken. Das ist sicherlich ein Fortschritt. Was abhanden kommt ist die Romantik. Eine Persönlichkeit, die mit Leidenschaft begründet, warum es sich lohnt, die Zwiebeln per Hand zu schneiden - und nicht mit dem elektrischen Hacker. Warum zu der Roulade eher dieser Rotwein und zum Kabeljau besser jener Weißwein passt.

Die Kochsendung ist tot. Sie ist vor Kurzem friedlich eingeschlafen.

(her)
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