TV-Nachlese Maybritt Illner "Auf den Schulhöfen spielen sich die Konflikte der Welt ab"

Düsseldorf · Maybrit Illner diskutierte dieses Mal mit ihren Gästen über Mobbing an Schulen. Die Runde stritt darüber, wie Lehrer, Eltern und Behörden mit gewalttätigen Schülern umgehen sollten. Hoffnung machte das Beispiel eines jungen Mannes.

Darum ging's

"Schule muss nicht Spaß machen, aber niemand sollte vor der Schule Angst haben", sagt Moderatorin Maybrit Illner zu Beginn der Sendung und malt ein düsteres Bild vom Alltag in den Klassenzimmern. Schüler würden gemobbt und ausgegrenzt, Wachdienste müssten patrouillieren. Deshalb würden immer mehr Schulen zu "Orten des Hasses und der Hoffnungslosigkeit", insbesondere in Großstädten, wo viele arme Familien und Migranten lebten. Illner will nun wissen, ob die Schulen machtlos gegen Gewalt und Ausgrenzung sind.

Darum ging's wirklich

Am Anfang diskutiert die Runde noch allgemein über Mobbing und Gewalt an Schulen, bald konzentriert sie sich auf muslimische Jugendliche, Antisemitismus und die Integration von Zuwanderern allgemein. Dabei streiten Illners Gäste darüber, wie Lehrer, Eltern und Behörden darauf antworten sollten: Sollten sie gewalttätige und mobbende Schüler härter bestrafen? Oder sollten sie stärker sich darum bemühen, dass Kinder erst gar nicht auf die schiefe Bahn geraten? Eine einfache Antwort findet die Runde nicht.

  • Franziska Giffey, Bundesfamilienministerin
  • Joachim Herrmann, Bayerns Innenminister
  • Ahmad Mansour, Psychologe und Autor
  • Ingrid Freimuth, Diplom-Pädagogin und langjährige Lehrerin
  • Yigit Muk, Student und Autor
  • Billy Rückert, Mutter und Mitglied der jüdischen Gemeinde Berlin

Frontenverlauf

Maybrit Ilner hatte Billy Rückert in die Sendung eingeladen. Die Frau aus Berlin berichtete, dass ihr Sohn in der Schule gemobbt werde und sich gar nicht mehr in den Unterricht traue, weil er Jude sei und Angst vor seinen muslimischen Mitschülern habe. Er habe deshalb die Klasse wechseln wollen, aber der Lehrer habe gesagt, er solle vor den Problemen nicht weglaufen. Sie vermisse deshalb die Unterstützung durch die Schule. An eine Lösung glaubt sie offenbar nicht mehr. Als Illner sie fragte, wie es weiter gehe, antwortete Rückert. "Mein Sohn ist in der zehnten Klasse, danach endet die Schulpflicht. Er möchte gern nach Israel ziehen."

Aber wie sollten Eltern, Lehrer, Behörden und Politiker auf solch einen Fall reagieren? Die langjährige Lehrerin Ingrid Freimuth sprach sich für eine Bestrafung aus. Daran mangele es an Schulen. "Wir haben überhaupt keine Sanktionen." Lehrer seien wie Schiedsrichter auf dem Fußballplatz, die nur eine gelbe Karte zeigen könnten. "Was wir dringend brauchen, ist die rote Karte." Es sollten zwar keine Strafen sein, "die demütigend sind", sagt Freimuth. "Aber den Schülern müssen Grenzen gezeigt werden."

Auch der bayerische Innenminister Joachim Herrmann sprach sich für einen härteren Kurs aus: "Man muss Kindern von Anfang an Grenzen aufzeigen." Eltern würden dagegen das Verhalten ihrer Kinder viel zu oft verteidigen. "Da muss auch mal klar gesagt werden, dass der Lehrer die Kinder in die Schranken weisen muss." Später wurde der CSU-Politiker grundsätzlich: "Wir sind ein christlich geprägtes Land und haben eine besondere Verantwortung gegenüber Israel und dem jüdischen Glauben." Jeder, der nach Deutschland komme, müsse das akzeptieren.

"Wir machen wieder den Täter zum Opfer"

In diesem Punkt stimmte ihm der Psychologe Ahmad Mansour zu. "Diejenigen, die zu uns kommen und meinen, sie könnten auf der Straße einen Davidstern abbrennen, müssen mit harten Konsequenzen rechnen, auch mit Abschiebung." Aus Sicht von Bundesfamilienministerin Franzsika Giffey war die Runde deshalb zu einseitig. "Wir führen eine Debatte: Hier die Muslime, dort die anderen. Das kann man so nicht machen." Sie kenne sehr viele Muslime, die sich für eine offene Gesellschaft einsetzten. Dafür erhielt sie viel Applaus.

Natürlich müsse falsches Verhalten bestraft werden, sagte die Familienministerin weiter und konstatierte: "Die Konflikte dieser Welt spielen sich auf deutschen Schulhöfen ab." Aber das liege daran, dass viele Kinder mit mangelnden Sprachkenntnissen in der Schule anfingen. "Dann finden sie den Anschluss nicht, aus Misserfolgen entstehen Frust und Aggressionen." Giffey sprach sich deshalb für mehr frühkindliche Bildung aus - und für Sozialarbeiter, die die Lehrer unterstützen, wenn die Kinder älter geworden sind. Mansour widersprach ihr. Aus seiner Sicht zeigte die Ministerin offenbar zu viel Verständnis für diejenigen, die andere Schüler mobben. "Wir machen wieder den Täter zum Opfer", kritisierte der Psychologe.

Dass aber Strafen allein nicht die Lösung sein können, zeigte das Beispiel von Yigit Muk. Als Jugendlicher sei er Mitglied einer Straßengang gewesen, erzählte der junge Muslim in der Sendung. Er habe andere gemobbt und sich täglich geprügelt. "Weil ich respektiert werden wollte." Die Kriminellen in seinem Viertel seine Vorbilder gewesen. Einen anderen Weg habe ihm niemand vorgelebt.

Trotzdem bestand er später sein Abitur - sogar mit der Note 1,0. "Wie wird man vom Schläger zum Musterschüler?", fragte Illner ihn deshalb. Es sei eine Entwicklung gewesen, antwortete Muk. "Es hat viele Jahre gedauert." Angefangen habe es mit einem Imam, der ihm einmal gesagt habe, dass er andere Menschen so behandeln solle, wie er behandelt werden wolle. Er habe auch viel mit seiner Mutter gesprochen, und sie habe sich gewünscht, dass er das Abitur mache. Außerdem habe er in der Oberstufe Lehrer gehabt, die an ihn geglaubt hätten. Er richtete deshalb einen Appell an die Runde: "Wir müssen den Jugendlichen Mut machen." Ihm zumindest hat es geholfen.

(wer)
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