Maybrit Illner "Tröglitz hat keine Orte des Miteinanders"

Düsseldorf · Die Moderatorin Maybrit Illner hat in ihrer Sendung die Frage gestellt, ob Tröglitz überall sei. Dabei kamen die Gäste zu dem Ergebnis, dass die Vorgänge in dem sachsen-anhaltinischen Ort nicht beispielhaft seien, es aber bald sein könnten.

 Maybrit Illner fragte ihre Gäst: Ist Tröglitz überall?

Maybrit Illner fragte ihre Gäst: Ist Tröglitz überall?

Foto: ZDF

Um zu klären, ob die aus dem Rahmen geratene Diskussion um ein Flüchtlingsheim in Tröglitz ein Einzelfall sei oder nicht, hatte Maybrit Illner folgende Gäste geladen: Thomas Strobl (CDU, Stellvertretender Parteivorsitzender), Claudia Roth (Bündnis '90/Die Grünen, Bundestags-Vizepräsidentin), Frauke Petry (AfD, Bundesvorstand, Sachsen), Johann Schneider (Regionalbischof Wittenberg-Halle), Olaf Sundermeyer (Politikwissenschaftler) und Sascha Lobo (Journalist).

Eine deutliche Antwort auf diese Frage gab gleich zu Beginn der Regionalbischof Johann Schneider. Seiner Meinung nach habe es in Tröglitz nämlich gar keine richtige Diskussion gegeben. Während einer Gemeindeversammlung zum Thema "Flüchtlingsunterkunft" habe er beobachtet, dass einige Besucher regelrecht darauf gewartet hätten, ihre hasserfüllten Kommentare loszuwerden. Dabei war er sich relativ sicher, dass eben diese Besucher gar nicht aus Tröglitz und Umgebung stammten. Bewohner des Ortes seien dadurch von einer ausgeglichenen Diskussion abgehalten worden.

Ein Ort ohne Versammlungspunkte

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Ohnehin sei es in Tröglitz schwer, einen Platz für Gespräche zu finden. "Tröglitz hat keine Orte des Miteinanders", sagte Johann Schneider. Es gebe keine Kneipe, keine Versammlungspunkte, höchstens ein Hotel. Auch die AFD-Politikerin Frauke Petry mahnte an, dass man Probleme nur durch Gespräche lösen könne. Diese Gespräche seien in Tröglitz jedoch gescheitert, weil es ein Verwaltungsversagen gegeben habe. Der zurückgetretene Bürgermeister des Ortes habe versucht mit der Verwaltung über das geplante Flüchtlingsheim zu reden. Doch als er keine Rückendeckung erhalten habe, sei er zurückgetreten - nicht wie an anderer Stelle berichtet, weil er von Neonazis bedroht worden sei. Für die Sorgen des Bürgermeisters und der Bürger müsse man ein Ohr haben, so Petry.

Der Journalist Sascha Lobo will das jedoch nicht so stehen lassen. Was Bürger in den Kommentarspalten auf Internetseiten und in sozialen Netzwerken mitunter schrieben, seien keine Ängste und Sorgen mehr, sondern "der blanke Hass". Lobo zitiert Zuschriften, in denen offen zur Brandstiftung und zu Gewalt gegen Flüchtlinge aufgerufen wird.

Hass gibt es überall

Doch ist der Hass, der sich im Internet zeigt und den teils Zugereiste auf Versammlungen in Tröglitz verbreiten nur ein Phänomen in Tröglitz oder in Ostdeutschland? Der Politikwissenschaftler Olaf Sundermeyer glaubt, dass es überall Hass und rechtsextreme Einstellungen gebe. Jedoch habe der Westen Deutschlands in den Jahren nach 1968 eine Emanzipation wiederfahren, in der rechte Parteien wie die NPD aus Parlamenten verschwanden, und die Rechten den Kontakt zur Gesellschaft verloren. Als Beispiel nennt Sundermeyer Dortmund. "Auch hier gibt es Neonazis und Politiker, die bedroht werden, aber die Nazis haben keine Bindung zur Stadtgesellschaft", sagt er. Dass sei in Orten in Ostdeutschland anders.

Für Frauke Petry sind jedoch nicht die ostdeutschen Bürger Schuld an diesem Zustand. Viel mehr seien diese verängstigt. Als Sprachrohr dieser beunruhigten Bürger stilisiert Petry die eigene Partei sowie die Pegida-Bewegung. Die Hinweise von Claudia Roth und Thomas Strobl, dass sowohl AFD wie auch Pegida rechtsextreme Strömungen anziehen würden, weist sie von sich: "Dass man eine Behauptung immer wiederholt, macht sie nicht wahrer", sagt sie. Roth kontert: "Aber dass Pegida fremdenfeindlich ist, wiederhole ich gerne."

Wie gut sind deutsche Flüchtlingsheime?

Auch mit ihren weiteren Aussagen kann Petry die anderen Talkgäste nicht überzeugen. Als es um die Herkunft der Flüchtlinge geht, sagt sie: "Es gibt geflüchtete Christen, die übrigens am wenigsten Probleme machen und sich am schnellsten integrieren". Worauf ihre pauschale Erkenntnis beruht, erklärt sie nicht und offensichtlich fühlt sich auch kein anderer Gast dazu bewegt, hier nachzuhaken. Ebenfalls unkommentiert bleibt die Aussage zu Flüchtlingsheimen. "Da werden die Flüchtlinge gut behandelt, die deutschen Standards sind hoch", so Petry. Der Skandal um misshandelte Flüchtlinge in nordrhein-westfälischen Einrichtungen scheint an diesem Punkt vergessen zu sein.

Bleibt am Ende noch die Frage, wer Schuld an der Eskalation in Tröglitz ist und wie verhindert werden kann, dass es ähnliche Entwicklungen an anderen Orten gibt. Claudia Roth stellt klar: "Die Flüchtlinge sind alleine deshalb nicht schuld, weil sie ja noch gar nicht da waren." Der CDU-Politiker Thomas Strobl appelliert dafür, nun nicht vor jedem Rathaus Streifenwagen aufzustellen und jeden Bürgermeister und Polizeischutz zu stellen, weil woanders Neonazis Amtsträger eingeschüchtert haben. Für Sascha Lobo ist klar, dass eine Lösung des Problems nur über einen Zusammenhalt in der Zivilgesellschaft möglich sei. Dass eine solche Lösung möglich ist, zeigt das Beispiel von Hohenmölsen. Bischof Schneider spricht über den Ort, der nur 15 Kilometer von Tröglitz entfernt liegt. Dort habe man Diskussionen geführt, einen Tag der offenen Tür im Flüchtlingsheim veranstaltet und am Ende habe es keine Eskalation gegeben.

(ac)
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