"Maybrit Illner" zur Flüchtlingspolitik Merkel zwischen Putsch und Popularitätspanzer

Düsseldorf · Der Alleingang von Innenminister de Maizière zum Familiennachzug hat die Debatte über den Zustand der Koalition in der Flüchtlingskrise weiter verschärft. "Verliert Merkel die Kontrolle?", wollte daher Maybrit Illner von ihren Gästen wissen. Der Talk im Schnellcheck.

Maybrit Illner und ihre Gäste im Talk zur Frage "Chaos in der Flüchtlingskrise. Verliert Merkel die Kontrolle?"

Maybrit Illner und ihre Gäste im Talk zur Frage "Chaos in der Flüchtlingskrise. Verliert Merkel die Kontrolle?"

Foto: Screenshot ZDF

Darum ging's
Maybrit Illner warf gleich zu Beginn der Sendung eine Menge Fragen in den Raum: Weiß in dieser Regierung die eine Hand eigentlich noch, was die andere tut? Ist aus der Flüchtlingskrise eigentlich eine Regierungskrise geworden? Schließlich habe Kanzlerin Angela Merkel Probleme, ihre Regierung unter Kontrolle zu bekommen, wirke in den letzten Tagen wie eine Getriebene. Und genau das diskutiert sie in einem sehr sachlichen Gespräch ohne Streitereien mit ihren Gästen. Es wurde ein Flüchtlingstalk, der sich diesmal vor allem auf die politischen Akteure konzentriert — und darauf, ob Merkel am Ende als Gewinnerin oder Verliererin aus der Sache herausgeht.

Die Gäste
Illner hatte sich zwei Beobachter eingeladen, die klar den Zustand der Regierung analysierten und zugleich in gewisser Weise Gegenpole darstellten: zum einen Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, zum anderen Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke. Zudem war Kanzleramtschef und Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier zu Gast sowie der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir. Mit der Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey und dem Erdinger Landrat Martin Bayerstorfer hatte die Moderatorin außerdem zwei Gäste eingeladen, die von der Situation vor Ort in den Kommunen berichten können.

Frontverlauf
Die Sendung war geprägt von der Diskussion darüber, wie Merkel und ihre Regierung in der Flüchtlingskrise handeln. Altmaier erklärte, dass es sich beim Vorpreschen de Maizières in der Frage nach dem Familiennachzug bei Syrern um ein "Kommunikationsmissverständnis" gehandelt habe. Ihm wäre auch lieber, wenn man hinter verschlossenen Türen diskutierte, aber man lebe ja in einem Land mit freier Meinungsäußerung, und das gelte auch für Politiker. Und schließlich konstatierte er: "Ich glaube, dass Politik auch nicht unfehlbar ist." Altmaier jedenfalls stellte sich voll und ganz hinter die Kanzlerin, während Journalist Schwennicke feststellte, dass Merkel die "Zügel entglitten" seien. In Bezug auf de Maizière und Finanzminister Wolfgang Schäuble sagte er: "Sie greifen der Kanzlerin ins Lenkrad, weil sie denken, sie fährt in die falsche Richtung." Für Schwennicke jedenfalls sei Fakt: "Der Putsch in der Sache findet im Moment statt." Auch Özdemir sagte, dass die Regierung sich gerade zerlege. Politikwissenschaftler Korte aber sah das alles ein wenig anders. Zwar stellte auch er einen Machtverlust bei Merkel fest, allerdings sei ihr Hauptinstrumentarium immer noch ihr "Popularitätspanzer, den sie nach wie vor besitzt". Er sagt: "Wer eine solche Person zu stürzen versucht, wird mitstürzen."

Bemerkenswertester Gast
Die Neuköllner Bezirksbürgermeisterin Franziska Giffey argumentiert anders als ihr Vorgänger Heinz Buschkowsky: sachlich und ruhig, ohne dabei die Probleme vor Ort unter den Teppich zu kehren. Auch wenn die Sendung sich auf Merkel und ihre Regierung konzentrierte, machte Giffey sehr deutlich, worum es denn eigentlich geht: nämlich um die Flüchtlinge und um die Bürger. "Wissen Sie, die ganze Debatte heute Abend ist so dermaßen abgehoben", sagte sie. "Die Leute vor Ort wollen aber ganz konkret wissen, wann kommen wir wieder in die Turnhallen rein." Diese ganze Streiterei, wer wie verantwortlich sei, das helfe nicht weiter.

Überraschendster Gast
Statt die Koalitionspolitik anzugreifen, blieb Cem Özdemir erstaunlich ruhig. Auch wenn er zunächst bemerkt hatte, dass sich die Regierung selbst zerlege, betonte er auch zugleich: "Ich habe nullkommanull Lust, aus dem Thema eine parteipolitische Debatte zu machen." Und bei dieser Linie blieb er auch, kam stattdessen auf die Bekämpfung der Fluchtursachen zu sprechen.

Satz des Abends
Auch der kam von Franziska Giffey: "Es hilft auch nicht, die Frage zu stellen, schaffen wir das oder schaffen wir das nicht. Die Menschen sind hier, wir müssen das schaffen."

Erkenntnis
Auch wenn es verschiedene Ansichten gibt - recht einig sind sich die Gäste doch, dass Merkels Ansehen innerhalb der Koalition gelitten hat. Dass sie aber ihren Kurs ändert, daran glaubt Korte nicht. Denn wenn sie jetzt sage: "Wir schaffen das nicht" - dann könne sie auch gleich zurücktreten.

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(das)
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