TV-Talk bei Maybrit Illner Schlagabtausch zwischen Gauland und Maas

Berlin · In ihrer Sendung am Donnerstagabend im ZDF beschäftigte sich Maybrit Illner noch einmal mit den Pöbeleien am Tag der Deutschen Einheit in Dresden. Kritik hagelte es vor allem für die sächsische Polizei und Landesregierung. Zwei Gäste gerieten zudem beim Thema Flüchtlingspolitik gewaltig aneinander.

Darum ging's: "Hass auf die Politik — Gefahr für die Demokratie?", lautete der Titel bei Maybrit Illner am Donnerstagabend im ZDF. Hintergrund waren die heftigen verbalen Attacken auf Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die anderen Gäste der Feierlichkeiten zur Deutschen Einheit am 3. Oktober in Dresden.

Darum ging's wirklich: Was die Geschehnisse in Dresden angeht, ging es darum, wer den Schwarzen Peter am Ende zugeschoben bekommt: Polizei oder Politik? Wer hat die Rechten in Dresden und Sachsen zu lange gewähren lassen? Mit dieser Frage beschäftigte sich das Podium intensiv. Eine endgültige Antwort fand die Runde nicht, stattdessen erinnerte die Diskussion an die berühmte Ei-oder-Huhn-Frage. Außerdem wurde gezielt ein Schlagabtausch zwischen AfD-Vizechef Alexander Gauland und Justizminister Heiko Maas (SPD) inszeniert — das nach Punkten an den Minister ging.

  • Heiko Maas (SPD), Bundesjustizminister
  • Alexander Gauland (AfD), Vizevorsitzender der Alternative für Deutschland
  • Mike Mohring (CDU), Landesvorsitzender der CDU Thüringen, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion Thüringen
  • Luise Amtsberg (Bündnis'90/Die Grünen), flüchtlingspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion
  • Olaf Sundermeyer, Rechtsextremismus-Experte und Journalist
  • Hagen Husgen, Landesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Sachsen

Der Frontverlauf: Der Beginn des Abends stand ganz im Zeichen der Geschehnisse von Dresden. Maybrit Illner wollte von ihren Gästen wissen, wie sie die Verbal-Attacken der Demonstranten einschätzen und was der mit ihnen transportierte Hass auf die Politik(er) bedeutet. "In Deutschland darf jeder protestieren, so lange die Grenze der Strafbarkeit nicht überschritten wird. Und als Bundespolitiker muss unsere Schmerzgrenze so hoch sein, dass wir das ertragen können", stellte Justizminister Heiko Maas daraufhin zunächst fest. Anschließend verteidigte er jedoch seine weniger prominenten Kollegen: "Sehr viel schlimmer ist es, wenn ehrenamtliche Kommunalpolitiker oder ein Schwarzer so beleidigt werden." Zustimmung erhielt er von Alexander Gauland: "Ein Protest muss friedlich sein. Manches ist auch mir da in Dresden zu weit gegangen, das gebe ich zu", sagte er und nahm damit eine weit weniger polarisierende Position ein als zuvor seine Kollegin Beatrix von Storch, die sich am Mittwochabend im Polittalk bei Sandra Maischberger mit den Pöblern von Dresden solidarisiert hatte.

Sowohl Mike Mohring als auch der Rechtsextremismus-Experte Olaf Sundermeyer warnten allerdings davor, jene Protestler aus Dresden allzu schnell zu vergessen. "Es ist zwingend ein Dialog mit diesen Menschen notwendig, denn sie kommen aus der Mitte der Gesellschaft und es ist auch nicht nur ein kleiner Teil davon. Wir müssen uns mit diesen Leuten auseinandersetzen", sagte Sundermeyer und kritisierte anschließend das Vorgehen von Polizei und Politik in Sachsen. 25 Mal sei er bei den Pegida-Kundgebungen gewesen, und "so eine Taktik gegen Rechtsextremisten durch die Polizei habe ich noch nie gesehen". Jahrelang hätten Politik und Polizei das Problem des Rechtsextremismus strukturell ignoriert.

Dem widersprach Hagen Husgen von der Polizeigewerkschaft was seine Zunft angeht vehement, ließ die Vorwürfe an die Politik allerdings stehen. "Die Politik hat zugeschaut und nun wird es der Polizei zugeschoben", sagte er. Dem stimmte Heiko Maas prinzipiell zu und warf Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) vor, lange geschwiegen zu haben, um die Zustimmung sogenannter besorgter Bürger nicht zu verlieren. Maas betonte jedoch auch, dass es die Pflicht der Polizei sei, ganz unabhängig von der Politik konsequent gegen politisch motivierte Straftaten vorzugehen.

Bei der anschließenden Frage, ob Rechtsextremismus vornehmlich ein ostdeutsches Phänomen sei, war sich das Podium anschließend wieder einig, dass dies pauschal so nicht richtig ist. In Ostdeutschland habe Rechtsradikalismus allerdings eine andere Geschichte, eine andere Form, sagte Luise Amtsberg, wurde aber nicht konkreter. Gauland dagegen erklärte, die unterschiedliche Ausprägung des Rechtsradikalismus in den neuen Bundesländern habe etwas mit der verzögerten Entwicklung des Ostens zu tun. "Im Westen Deutschlands hat man schon früher den Versuch gewagt, sich in Europa zu integrieren, hat länger mit dem Fremden gelebt. Im Osten ist dies noch eine langsame und schwierige Entwicklung", sagte er.

Im letzten Teil der Sendung gab es dann ein Rededuell zwischen Alexander Gauland und Heiko Maas. Erstes Thema war die Diskussion um die Ausführungen der AfD-Vorsitzenden Frauke Petry zum national-sozialistisch konnotierten Begriff "völkisch", den sie jüngst versucht hatte, als nicht primär national-sozialistisch zu kennzeichnen. Gauland wertete die Interpretationen dieser Ausführungen in Medien und Gesellschaft als einen Versuch, "uns vorzuwerfen, wir würden mit einem national-sozialistischen Erbe Rechtsradikale an uns binden". Und Heiko Maas sieht in der Verwendung der AfD von Begrifflichkeiten wie "völkisch" tatsächlich eine Strategie: "Die Partei nutzt solche Begriffe, um einen ganz bestimmten Teil der Bevölkerung anzusprechen. Und wenn die Nutzung der Begriffe dann entdeckt worden ist, dann war alles plötzlich gar nicht so gemeint."

Zum Begriff "völkisch" äußerte sich Alexander Gauland fortan nicht mehr, verteidigte jedoch den Begriff "Kanzlerinnen-Diktatur": "Frau Merkel hat das Gesetz gebrochen, sie hat eine Million Menschen in das Land geholt, ohne mit dem Parlament zu sprechen und ohne die Bürger zu fragen. Wenn das nicht diktatorisch ist, was denn sonst?"

Immer kruder wurden Gaulands Thesen allerdings beim Schlagabtausch mit Maas zum Thema Flüchtlingspolitik. Flüchtlinge seien eine Belastung für das Land, sagte er, und auch der Islam gehöre nicht zu Deutschland. Auf den Hinweis von Heiko Maas auf die im Grundgesetzt festgeschriebene Religionsfreiheit, antwortete er: "1949 hat man an den Islam noch nicht gedacht." Sprich: Hätte man dies, sei der Islam wohl nach Meinung Gaulands ohnehin nicht Teil der Religionsfreiheit. Heiko Maas reagierte entsetzt auf Aussagen wie diese: "Man muss die christlichen Werte des Abendlandes gegen Leute wie Sie verteidigen", sagte er.

Nach diesem Schlagabtausch, der auf argumentativer Ebene sicher zugunsten des Justizministers ausging, schloss Maybrit Illner die Sendung — entlockte Heiko Maas jedoch noch das Versprechen, gegen Hasskommentare im Netz auch stärker gegen soziale Netzwerke wie Facebook vorzugehen, sollten diese sich unkooperativ verhalten.

Der Aufreger des Abends: "Es gibt auch einzelne Moslems in Deutschland, die ihre Religion leben" — Alexander Gauland auf die Frage, ob alle Muslime in Deutschland eine Gefahr darstellen.

Der traurigste Satz des Abends: "Die AfD ist die Erfüllung der Demokratie." — Alexander Gauland.

Erkenntnis: Mit seinen Argumenten hat Heiko Maas den Schlagabtausch gegen Alexander Gauland vielleicht nach Punkten gewonnen. Ob das bei den Anhängern der AfD etwas bewirkt hat, bleibt allerdings zweifelhaft.

(lai)
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