TV-Nachlese Illner "Und dann wundert ihr euch, wenn sie uns hassen"

Düsseldorf · Mit ihrem Anti-Islam-Kurs hat die AfD für Schlagzeilen gesorgt. Beim Integrationstalk von Maybrit Illner verteidigte Parteivize Alexander Gauland diese Haltung. Lösungsvorschläge für Probleme forderte er lieber von anderen ein. Für spannende Einsichten sorgte ein ganz anderer Gast. Der Talk im Check.

Das ist die TV-Journalistin Maybrit Illner beruflich und privat.
13 Bilder

Das ist Maybrit Illner

13 Bilder
Foto: Illner Maybrit Screenshot ZDF

Darum ging's

Maybrit Illner zeichnete zu Beginn der Sendung mit dem Titel "Angst vor der Parallelgesellschaft - kann Deutschland Integration?" zunächst ein düsteres Bild. Sie sprach von den Vierteln, die schon jetzt Probleme mit Kriminalität und sogenannten Parallelgesellschaften haben und prophezeite: "100.000 Flüchtlinge, die jetzt noch in Turnhallen leben, werden in absehbarer Zeit dort landen. Sie werden sich schlicht keine andere Bleibe leisten können." "Integriert" würde dann in die sozialen Brennpunkte —" irgendwo zwischen Hartz, Hinterhof-Moschee und manchmal auch Knast". Ihre Frage: Wie lässt sich das vermeiden?

​Darum ging's wirklich

Erst im letzten Drittel ging es mit der Frage nach dem geplanten Integrationsgesetz wirklich um die Maßnahmen, die ergriffen werden können, um Integration gelingen zu lassen. Der Großteil des Talks widmete sich doch eher den bereits vorhandenen oder prognostizierten Problemen — was zum Teil auch der eingeladenen Runde geschuldet war.

Die Runde

  • Alexander Gauland, stellvertretender Vorsitzender der AfD sagt: Der Islam ist in unsere Gesellschaft nicht integrierbar.
  • Politikwissenschaftler und Alt-68er Claus Leggewie konterte: Multikulti ist nicht gescheitert.
  • Polizeioberkommissarin Tanja Kambouri aus Bochum warnte erneut: Wir haben Parallelgesellschaften.
  • CDU-Politiker Jens Spahn nannte als wichtigste Voraussetzung für eine gelungene Integration einen Arbeitsplatz — und warb fleißig für das Integrationsgesetz
  • Sineb El Masrar, Tochter marokkanischer Eltern und Autorin, sagte: Die Leute müssen lernen, uns als Menschen wahrzunehmen
  • Katharina Dittrich-Welsh aus Kaiserslautern kümmert sich um Deutsche im Elend und berichtete von deren Konflikten mit Flüchtlingen

Frontverlauf

Alle gegen Gauland — das war eigentlich schon zu Beginn klar. Insbesondere Spahn und Leggewie nahmen sich den AfD-Politiker immer wieder vor, versuchten, dessen Aussagen mit sachlichen Argumenten zu begegnen. Kambouri konnte nicht viel Neues berichten als das, was sie nicht ohnehin schon in unzähligen Talkshows getan hat, und verwies noch einmal auf Probleme mit Menschen aus dem arabischen Raum: Kein Respekt, dafür gewaltbereit. El Masrar wendete sich gegen eine Pauschalisierung und betonte, dass es nicht den einen Islam gebe. Leggewie erklärte wiederum, dass ja niemand die Probleme leugne, vor denen man stehe, denn Multi-Kulti sei nie eine "Verharmlosungsformel" gewesen, dennoch sei Integration in Deutschland eine "vollständige Erfolgsgeschichte", die unser Land bereichert habe. Für ihn gibt es Parallelgesellschaften überall — nannte als Beispiele Neonazis oder die "Boys, die ihr Geld nach Panama bringen". Und Spahn betonte, dass es natürlich schwer sei zu integrieren.

Die Auseinandersetzung mit Gauland

  1. Gauland nannte den Islam einen "Fremdkörper" in Deutschland, er habe hier keine Spuren hinterlassen — was man ja allein schon beim Gang ins Museum merkte — woraufhin ihn etwa El Masrar darauf hinwies, dass es islamische Gelehrte gewesen seien, welche die griechischen Philosophen ins christliche Abendland gebracht hätten.
  2. Der AfD-Politiker erklärte, dass sich die islamische Wertewelt nicht in Deutschand integrieren lasse, betonte aber, dass er damit nicht einzelne Menschen meine, sondern eben die Religion — was Leggewie zur Aussage veranlasste: "Das erinnert mich verdammt an den Spruch, meine besten Freunde sind Juden, aber ich bin Antisemit." Spahn konterte, mit dieser künstlichen Unterscheidung wolle er nur Stimmung machen.
  3. Auf den Anti-Islam-Kurs der AfD angesprochen, betonte Gauland noch, er sehe in Minaretten und dem Ruf zum Gebet einen "territorialen Herrschaftsanspruch".
  4. Wiederum wird er von El Masrar gefragt, wenn die AfD doch keine Stimmung machen wolle, sondern nur die Ängste aufnehme, die es gebe (so die Argumentation Gaulands), was er denn dann gegen Rechtsextremismus mache - Gauland verwies auf Kriminalitätsbekämpfung.
  5. Spahn fragte nach Inhalten, Lösungen für das Integrationsproblem, woraufhin Gauland nur entgegnen konnte: Entschuldigen Sie, Sie regieren, nicht wir. Sie müssen Lösungen anbieten."

Spannendster Gast

Katharina Diettrich-Welsh zeigte die Situation am unteren Rand der Gesellschaft. Sie arbeitet in Kaiserslautern beim Verein "asternweg". In der gleichnamigen Siedlung sind Obdachlose untergebracht — in heruntergekommenen Wohnungen ohne Heizung, Duschen und Warmwasser. Auch Flüchtlinge leben nun dort — für diese aber wurden Gemeinschaftsduschen eingebaut. Die Neiddebatte aber, betont die Helferin, habe sie eher von außen erfahren. Vor Ort gebe es die nicht. "Die Obdachlosen wissen schon, dass sind nicht die Menschen, die dafür verantwortlich sind, sondern die Politik." Und die Flüchtlinge selbst hätten zu ihr gesagt: "Wie kann es sein, dass wir besser leben als die Ärmsten? Und dann wundert ihr euch, wenn sie uns hassen."

Appell des Abends

Leggewie zu Gauland: "Sie sind ein politischer Unternehmer, der mit der Angst und den Ressentiments der Menschen spielt. Lassen Sie es sein! Hören Sie auf, damit zu zündeln!" Gauland konnte da nur noch erwidern: "Das ist dummes Zeug."

(das)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort