Türkei-Talk bei Maybrit Illner Jürgen Trittin bemüht den Hitler-Vergleich

Düsseldorf · Es hätte eine hitzige Diskussion werden können bei Maybrit Illner. Doch zur Armenien-Resolution des Bundestags wurde erstaunlich sachlich argumentiert. Nur Jürgen Trittin tanzte aus der Reihe. Der Talk im Check.

Das ist die TV-Journalistin Maybrit Illner beruflich und privat.
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Das ist Maybrit Illner

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Foto: Illner Maybrit Screenshot ZDF

Darum ging's
Ungeachtet scharfer Proteste der Türkei hat der Bundestag am Donnerstag die Massaker an den Armeniern vor rund 100 Jahren fast einstimmig als Völkermord verurteilt. Welche Auswirkungen hat das auf die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Türkei - und vor allem auch auf das Flüchtlingsabkommen? Unter dem Titel "Erdogans Zorn — Stolz verletzt, Deal geplatzt?" diskutierte Maybrit Illner darüber mit ihren Gästen.

Darum ging's wirklich
Was die Beziehungen beider Länder und das Flüchtlingsabkommen angeht, herrschte weitgehend Einigkeit in der Talkrunde - Thema waren deshalb vor allem die Armenien-Resolution und die politischen Entwicklungen in der Türkei. In welche Richtung bewegt sich das Land?

Die Runde

  • Franz-Josef Jung, Fraktionsvize der Union
  • Fatih Zingal, Rechtsanwalt und Erdogan-Unterstützer
  • Hasnain Kazim, Ex-Türkei-Korrespondent des "Spiegel"
  • Sylke Tempel, Politikwissenschaftlerin
  • Grünen-Politiker Jürgen Trittin

Frontverlauf
Trttin und Jung verteidigten die Entscheidung des Bundestages, den Völkermord an den Armeniern zu verurteilen. Jung beschwichtigte auch ein wenig in Richtung Türkei, indem er sagte: Der Genozid sei zwar nicht die Schuld der heutigen Regierung oder der heutigen Bevölkerung - man müsse aber auch als Volk zu einer historischen Verantwortung stehen.

Trittin wiederum betonte, dass die Resolution ein Bekenntnis zur Mitschuld der Deutschen ist. Erdogan-Anhänger Zingal berichtete hingegen, es gebe in der Türkei den Eindruck, dass man "Erdogan zur Unzeit einen Tritt vors Schienbein" geben wolle. Auch betonte er, dass der Begriff Völkermord eine systematische Vernichtung voraussetze, und das müsse erst durch eine Historikerkommission geklärt werden.

Politikwissenschaftlerin Tempel hielt dagegen, dass es nie ein richtiges Timing für eine solche Resolution gegeben habe. Man habe es in der Türkei mit einer Regierung zu tun, "die mit Schmackes die Tür zuwirft und sich dann beschwert, dass die Tür zu ist." Journalist Kazim wiederum erklärte die Lage in der Türkei mit den Worten: "Als Journalist erlebt man in der Türkei, wenn man etwas Kritisches schreibt, dass sofort Drohungen kommen, immer — und zwar nicht auf eine Art und Weise, dass man das akzeptieren kann, sondern auf so eine breitbeinige, testosterongesteuerte Art."

Der Aufreger des Abends
Eigentlich blieb es fast die gesamte Sendung über ruhig. Nur Jürgen Trittin hatte diesen einen Moment, in dem er sich aufregte — als Zingal die Maßnahmen der türkischen Regierung bei der Terrorbekämpfung mit denen Frankreichs nach den Anschlägen verglich. Da wurde der Grüne ein wenig laut. "Sie vergleichen Äpfel mit Birnen!", herrschte der Grüne. Denn in Frankreich sei nicht Abgeordneten die Immunität entzogen oder seien Chefredakteure ins Gefängnis gesteckt worden.

Wenig später bemühte aber auch Trittin einen Vergleich, der bei Zingal für Aufregung sorgte. Als es um die innenpolitische Entwicklung der Türkei ging, wollte er dem Anhänger "etwas zum Nachdenken" mitgeben.

"Warum spricht man in Deutschland mit Blick auf die Übernahme der Macht durch Hitler von der 'Übertragung der Macht' und nicht der 'Machtübernahme', wenn man sich korrekt ausdrückt?", sagte er und wollte damit verdeutlichen, dass auch Adolf Hitler zunächst formal korrekt an die Macht kam, weil er im entscheidenden Moment die Mehrheit hatte. Zingal daraufhin: "Ich finde den Vergleich mit Hitler ziemlich hart." Trittin: "Das ist auch hart gemeint." Zingal: "Ich halte das für nicht gerechtfertigt, es geht lediglich um die Einführung eines Präsidialsystems."

Satz des Abends
"Man darf grundsätzlich nicht schweigen zu solchen Themen, zu Menschenrechtsverletzungen, zu Kriegsverbrechen, zum Völkermord — und schon gar nicht, wenn man daran eine Verantwortung trägt." Dieser Satz stammt von Journalist Kazim.

(das)
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