Islamisten-Aussteiger bei Maybrit Illner "Der Salafismus hat mir ganz viel gegeben"

Berlin · Europas kommandierender US-General erklärt, was Russland in Syrien vorhat. Ein ehemaliger Salafist, was ihn zum Islamismus getrieben hat. Und die Verteidigungsministerin, warum der Terror jetzt zu uns kommt. Maybrit Illner im Schnell-Check.

 Dominic Musa Schmitz bei Maybrit Illner.

Dominic Musa Schmitz bei Maybrit Illner.

Foto: Screenshot ZDF Mediathek

Darum ging's

"Die Sicherheit Deutschlands wird auch am Hindukusch verteidigt", hatte der damalige Verteidigungsminister Peter Struck einmal gesagt — und dafür viel Unverständnis kassiert. Heute ist dem letzten klar: Außenpolitik ist Innenpolitik. Gelingt es nicht, Kriege wie den in Syrien zu stoppen, wird der Flüchtlingsstrom nach Deutschland nicht abreißen und junge Europäer ziehen in den Nahen Osten, um anschließend als Terroristen wieder einzureisen. "Schlachtfeld Syrien — Wer stoppt Krieg und Flucht?", fragte Maybrit Illner ihre Gäste.

Die Statements der Gäste

Ursula von der Leyen (CDU), Bundesverteidigungsministerin: "Russland muss aufhören zu bomben und die Zukunft Syriens am Verhandlungstisch klären."

Dietmar Bartsch (Die Linke), Fraktionsvorsitzender im Bundestag: "Ohne Druck aus Moskau hätte es die Wiener Konferenz nicht gegeben. Das ist der Weg zum Frieden."

Ben Hodges, Kommandierender General des US-Heeres in Europa: "In diesem Kampf brauchen wir Russland — und Russland braucht uns."

Andreas Zumach, Journalist in Genf und Autor: "40.000 Bomben und Raketenangriffe der Allianz gegen den IS waren eigentlich erfolglos."

Fred Kempe, Präsident der US-Denkfabrik "Atlantic Council": "Europa denkt, die USA würden sich zurückziehen. Wir fordern: Europa muss mehr tun."

Dominic Musa Schmitz, Autor des Buchs "Ich war ein Salafist". Er gehörte früher zum engen Kreis um den salafistischen Prediger Pierre Vogel und nannte sich Musa Almani. "Ich kam mir vor wie ein ausgewählter Rebell in einer Welt, in der Muslime immer unterdrückt werden."

Illner eröffnete die Sendung mit einem Gespräch mit Dominic Musa Schmitz. Sechs Jahre hat er im harten Kern der salafistischen Szene verbracht, als 17-Jähriger sei er dort hingekommen. "Vielen Jugendlichen reicht es nicht mehr, auf der Straße zu demonstrieren", sagte er. "Der IS imponiert ihnen." Auch Freunde von ihm seien nach Syrien gegangen, um für den IS zu kämpfen.

Er selbst sei durch einen alten marokkanischen Bekannten, den er plötzlich wiedergetroffen habe, zum Islam gekommen. Dessen Lebenswandel habe ihn beeindruckt. Kein Alkohol, keine Musik, strenger Glauben. Das habe ihn nicht mehr losgelassen. "Dann bin ich in die Moschee gegangen und habe sofort die ersten Salafisten kennengelernt." Darunter auch Sven Lau. "Ich habe mein eigenes Ich jahrelang abgelegt," sagte Schmitz.

Warum aber zieht es einen Jugendlichen zu Extremisten? "Der Salafismus hat mir gleich ganz viel gegeben, wonach ich mich in diesem Alter gesehnt habe", sagt Schmitz. Halt, neue Brüder, eine Familie, Struktur, Regeln. "Diese Vorstellung von einer kleinen perfekten Familie. Die hatte ich nach meinem fünften Lebensjahr nicht mehr."

Mit der Zeit sei der Westen zu seinem Feind geworden. "Israel war für alles der Sündenbock." Dann aber habe er angefangen, nicht mehr alles zu akzeptieren, was er zuvor einfach hingenommen habe. "Das wollte ich irgendwann einfach nicht mehr."

"Ich habe in den vergangenen Monaten oft an einen Satz gedacht, der Bertold Brecht zugeschrieben wird", sagte Ursula von der Leyen. "Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin." Der gehe aber weiter. "Stell dir vor es ist Krieg, und keiner geht hin — dann kommt der Krieg zu uns." Zu lange haben Mächte wie der Westen oder Saudi Arabien nur ihre eigenen Interessen in Syrien verfolgt. Die Folge sei ein geschundenes Land. Wer sich nicht kümmert, müsse die Folgen tragen.

These des Abends

"Russland setzt die Operation in Syrien als Gelegenheit ein, um Waffensysteme zu erproben", sagte US-General Ben Hodges. Außerdem wollten die Russen ihre Investitionen im Nahen Osten schützen. "Ihre Operationen haben die Flüchtlingslage verschlimmert." Das ändere aber nichts daran, dass es eine Lösung nur mit Russland gebe.

Wir zahlen für die Flüchtlingslager links und rechts von Deutschland, zählte Illner auf. Dafür, dass die Flüchtlinge zu uns kommen. Und dafür, dass es Aufbauprojekte im Irak und Syrien gebe. "Ist das Scheckbuch von Frau Merkel so stark, dass das alles geht?", fragte Illner. So könne man nicht an die Sache herangehen, sagte Dietmar Bartsch. Wer einmal in den Lagern gewesen sei, wisse wie katastrophal die Lage dort sei.

Das Problem sei ein anderes: "Ich habe im Moment das Gefühl, dass die Türkei für uns der Problemlöster ist. Und ich glaube, dass Erdogan, der die Opposition ja wirklich in einer üblen Weise unterdrückt, der die Kurden bombadiert und der die Pressefreiheit missachtet — der kann nicht unser Partner sein."

Fazit

Eine angenehm unaufgeregt geführte Debatte, die vom Einblick in die Welt der Salafisten bis zu dem in die Gedanken eines US-Generals reichte. Davon können sich manche Schrei-Runden der Mitbewerber eine Scheibe abschneiden.

(lukra)
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