"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Reizthema Rente — zwischen Zahlenakrobatik und Resignation

Düsseldorf · Ist der deutsche Geringverdiener selbst Schuld, wenn er im Alter zu wenig Geld hat? Ob er dann einfach falsch gespart hat, oder ob doch der Staat handeln müsste, darüber stritten die Gäste von Frank Plasberg. Es gab viele Plattitüden – und auch viel Zoff. Der TV-Check.

Das ist Frank Plasberg: Alle Infos zum TV-Journalisten und Moderator
8 Bilder

Das ist Frank Plasberg

8 Bilder
Foto: dpa/Horst Galuschka

Ist der deutsche Geringverdiener selbst Schuld, wenn er im Alter zu wenig Geld hat? Ob er dann einfach falsch gespart hat, oder ob doch der Staat handeln müsste, darüber stritten die Gäste von Frank Plasberg. Es gab viele Plattitüden — und auch viel Zoff. Der TV-Check.

Darum ging's

Politiker und Experten schlagen Alarm: Immer mehr Deutschen droht Armut im Alter. Soll trotzdem das Rentenniveau weiter sinken? Ist die Riester-Rente ein Flop? Der Titel der Sendung: "Heute jung, morgen arm — schuften für eine Mini-Rente?"

Darum ging's wirklich

Moderator Frank Plasberg brachte es nach gut zehn Minuten auf den Punkt: "Rente ist etwas sehr Kompliziertes". Das sehen auch viele Deutsche so. Sie sollen privat vorsorgen — aber können sie sich das leisten? Und was haben sie am Ende davon? Denn es besteht dringender Handlungsbedarf. Vielen Geringverdienern droht die Altersarmut. "Was Sie gerade erklärt haben, verwirrt mich", gibt sogar Talkgast Ulrich Schneider, Wohlfahrtsmanager "Der Paritätische", zu, als Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen die Vorzüge der Riester-Rente erklärt. Die Runde versucht dennoch, Licht ins Dunkel zu bringen.

Die Runde

Jens Spahn (CDU), Staatssekretär im Bundesfinanzministerium
Ralf Stegner (SPD), stellvertretender SPD-Parteivorsitzender
Lencke Steiner (FDP), Unternehmerin
Hermann-Josef Tenhagen, Chefredakteur der Webseite "Finanztip"
Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Verbandes "Der Paritätische"
Natalie Claßen, Krankenschwester

Frontverlauf

Wie immer dürfen die Gäste zu Beginn der Talkshow Stellung beziehen und Plattitüden vom Stapel lassen. Das wären wahlweise "Ist doch alles nicht so schlimm" (Jens Spahn), "Es geht um Respekt vor der Arbeit" (Ralf Stegner), "Als Stimme der Jungen kräuseln sich mir die Fußnägel hoch" (Lencke Steiner) oder "Sie machen Zahlenakrobatik" (Ulrich Schneider).

Letztere Bemerkung kassiert Jens Spahn, nachdem er versucht hatte, die Rentenpolitik schönzureden. "Die Lebenserwartung steigt jeden Tag um vier bis fünf Stunden. Wenn Sie davon 30 Minuten arbeiten müssen, um die anderen 3,5 Stunden zu finanzieren, ist das doch etwas, das man verstehen kann", rechtfertigt er das erhöhte Renteneintrittsalter. Und: "70 Prozent der 70-Jährigen fühlen sich wie 50."

Streitthema des Abends war die Riester-Rente und deren Sinn (oder eben Unsinn). Sie schlechtzureden sei ein "fatales Signal", mahnt Spahn — und steht dabei fast auf verlorenem Posten. Denn Wirtschaftsjournalist Hermann-Josef Tenhagen hält sich erst einmal zurück. Dafür redet sich Ulrich Schneider sein Leid von der Seele. Auch er war Riester-Sparer. "Ich hab mal so was abgeschlossen." Glücklich sei er damit nicht geworden, denn als er sich den Vertrag zwei, drei Jahre später genauer angesehen habe, bemerkte er seinen Fehler: "Um wenigstens meine Beiträge wieder rauszukriegen, hätte ich 90 Jahre alt werden müssen." Seine Reaktion: Kündigung des Vertrages. Mit Verlust. Dafür schlafe er jetzt wieder besser.

Welches Signal das nun für den Geringverdiener sei, darüber wird im Anschluss laut diskutiert. Selbst Plasberg verliert kurz den Überblick: "Ich hätte Chorleiter werden sollen, dann könnte ich hier vielleicht noch was Harmonisches rausholen."

Die Problemanalyse

  • SPD-Mann Ralf Stegner sieht das Problem der Erhöhung des Renteneintrittsalters darin, dass der Bauarbeiter oder die Krankenschwester so lange gar nicht arbeiten können. Es brauche ein System, "wo Menschen für Menschen eintreten". Und die Riester-Rente? "Ich glaube, dass nur der keine Fehler macht, der gar nichts tut." Nicht zu vergessen: "Wer die Riester-Rente braucht, kann sie sich nicht leisten. Wer sie sich leisten kann, braucht sie nicht."
  • Jens Spahn hingegen bricht eine Lanze für die Riester-Rente: "Sparer haben alles richtig gemacht." Seine Lösung ist so simpel wie für viele nicht umsetzbar. "Wer im Alter mehr haben will, muss im Heute auf etwas verzichten."
  • Auch Hermann-Josef Tenhagen setzt weiter auf private Vorsorge und auf die Riester-Rente: "Wie bescheuert können Sie eigentlich sein, so etwas zu kündigen", fragt er Ulrich Schneider. "Ich bin Opfer", erwidert dieser. "Sie sind Täter", sagt Tenhagen. Plasberg: "Kann nicht mal das Kleingedruckte lesen." Schneider erklärt die Riester-Rente schlussendlich für gescheitert. Tenhagen dazu: Wer im Arbeitsleben schlecht verdient hat, ist auch "als Rentner am Arsch".

Authentischster Gast

Statt nur über die heutigen Geringverdiener und künftigen Rentner zu sprechen, kam dann doch noch einer zu Wort: Natalie Claßen ist gelernte Krankenschwester. Die 38-Jährige mit einem Nettogehalt von 1900 Euro ist alleinerziehende Mutter eines elfjährigen Sohnes und arbeitet derzeit als Altenpflegerin. Was Altersarmut ist, sieht sie jeden Tag. Eine ihrer Patientinnen muss mit 30 Euro pro Woche auskommen. Wie lebt man von so wenig Geld, fragt Plasberg. "Man kauft die billigsten Produkte. Tiefkühlpizza, billiges Brot", sagt Claßen. Einen Kinobesuch oder einen Kaffee im Café kann sich ihre Patientin nicht leisten.

"Das macht mich sauer", sagt die 38-Jährige. Sie bekommt laut aktuellem Rentenbescheid 1107 Euro monatliche Rente — wenn sie bis 67 Jahre Vollzeit durcharbeitet. In ihrer Branche aber ist das undenkbar. Privat vorsorgen kann sie nicht. Was sie am Ende des Monats übrig hat, spart sie für ihren Sohn. Ihr Wunsch: "Dass die Regierung etwas macht, damit ich von der gesetzlichen Rente leben kann." "Da haben sie einen Unterstützer", sagt Plasberg und schaut in Richtung Ulrich Schneider. "Der ist aber nicht in der Regierung."

Fazit

Zahlenakrobatik ist das Stichwort. Und Plasberg lag richtig mit seiner Aussage: "Es ist kompliziert — und emotionsgeladen." Am Ende bekommt auch der Moderator weniger, als er verdient hätte: "Das war heute Schwerstarbeit. Kriege ich eigentlich eine Zulage dafür?" Nein.

(jnar)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort