"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Den schnellen Tod gibt es für 7000 Euro

Köln · "Sterbehilfe durch 'Sterbehilfe Deutschland' scheitert nie am Geld". Mit diesem Spruch wirbt ein Verein für Hilfe beim Suizid. Doch darf man mit dem Tod anderer Geld verdienen? Und sollten die Gesetze zur Sterbehilfe in Deutschland gelockert werden? Diese Fragen standen im Mittelpunkt der Diskussion bei "Hart aber fair" mit Frank Plasberg.

 Nikolaus Schneider, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, lehnt Sterbehilfe klar ab. Trotzdem hätte er seine krebskranke Frau in die Schweiz begleitet.

Nikolaus Schneider, ehemaliger Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, lehnt Sterbehilfe klar ab. Trotzdem hätte er seine krebskranke Frau in die Schweiz begleitet.

Foto: Screenshot ARD

Am Freitag will der Bundestag die umstrittene Reform der Gesetzgebung zur Sterbehilfe beschließen. Vier Gesetzentwürfe werden diskutiert. Zentraler Streitpunkt ist die Frage nach einer Strafverschärfung oder Straflockerung für Ärzte, die Hilfe zum Suizid leisten. Das Thema wurde sehr emotional diskutiert.

Darum ging's

Die Sendung begann mit der Geschichte von Susanne Kannegieser. Die 42-Jährige hat Krebs im Endstadium, sie hat nur noch eine Lebenserwartung von wenigen Wochen. Ihr sehnlichster Wunsch, so sagt sie im Einspieler, sei es, Hilfe beim Sterben zu bekommen. Kannegiesers Schicksal berührt Zuschauer wie Talk-Gäste. Darf die Gesetzgebung Menschen wie ihr ihren letzten Wunsch verweigern, indem sie ärztliche Sterbehilfe verbietet? Hat jeder Mensch das Recht, selbst über seinen Tod zu bestimmen? Und sind vielleicht Vereine wie "Sterbehilfe Deutschland", die Menschen in den Tod begleiten und damit in einer rechtlichen Grauzone handeln, wahre Wohltäter - auch wenn sie sich ihre "Dienstleistung" bis zu 7000 Euro kosten lassen?

Die Gesetzeslage

Sterbehilfe ist ein komplexes Thema. Deshalb klärte Plasberg zu Beginn der Diskussion über die derzeitige Gesetzeslage auf. Aktive Sterbehilfe, zum Beispiel mit einer tödlichen Spritze, ist in Deutschland verboten. Passive und indirekte Sterbehilfe ist dagegen nicht strafbar. Allerdings gibt es in den verschiedenen Bundesländern verschiedene Regelungen. Die Ärztekammer NRW hat beispielsweise klar festgelegt, dass der Arzt nicht beim Suizid helfen darf.

Die Runde

WDR-Talker Jürgen Domian reagierte auf das Thema besonders emotional. Er habe große Angst vorm Sterben, sagte er im Laufe der Sendung. Er plädierte klar dafür, die ärztliche Sterbehilfe zu legalisieren. "Es macht mich zornig, dass wir über diese Selbstverständlichkeit noch diskutieren", sagte Domian. Ebenfalls emotional, aber doch deutlich überlegter in seinen Aussagen ging Nikolaus Schneider mit dem Thema um. Der ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche legte 2013 sein Amt nieder, weil er seine Frau unterstützen wollte, die an Brustkrebs erkrankt war. Auch Anne Schneider war in der Sendung zu Gast. Anders als ihr Mann, der Sterbehilfe ablehnt, ist sie eine Befürworterin der Gesetzesänderung.

Außerdem waren noch die SPD-Politiker Professor Doktor Karl Lauterbach und Kerstin Griese zu Gast. Die beiden vertreten verschiedene Ansichten zum Thema: Lauterbach fordert in seinem Gesetzentwurf, dass Ärzte Menschen beim Sterben helfen sollen dürfen, ohne befürchten zu müssen, strafrechtlich verfolgt zu werden. Kerstin Griese lehnt die ärtzliche Sterbehilfe klar ab und will stattdessen lieber die Palliativmedizin stärken. "Es gibt schon Hilfe beim Sterben. Alles, was Ärzte heute machen können, soll erhalten bleiben", stellt sie klar.

Bermerkenswerteste Gäste

Die Runde wurde komplettiert von der Palliativmediziniern Dr. Susanne Riha und Roger Kusch, Vorstand des Vereins Sterbehilfe Deutschland und sicher die kontroverseste Persönlichkeit unter den Gästen. Dabei hielt sich Kusch selbst auffallend zurück, während Moderator Frank Plasberg immer wieder versuchte, mit skandalös anmutenden Fakten über Kuschs Verein zu provozieren. So las Plasberg die Gebührenordnung des Vereins "Sterbehilfe Deutschland" vor: Wie schnell der Tod kommt, hängt hier davon ab, wie viel der Geldbeutel hergibt. Denn wer sich von dem Verein beim Sterben begleiten lassen will, muss Mitglied werden. Kann jemand für die Mitgliedschaft 200 Euro im Monat aufbringen, muss er drei Jahre warten, bis er Sterbehilfe bekommt. Kann jemand dagegen 7000 Euro bezahlen, gibt es keine Wartezeit - der Tod wird von Kusch und seinen Kollegen sofort "arrangiert".

Und wenn ein "Kunde" keine 7000 Euro, aber auch aufgrund der Schwere seiner Erkrankung keine Zeit hat, drei Jahre auf die Sterbehilfe zu warten? "Wir haben ein lockeres Prüfsystem", sagt Kusch. Wenn jemand sagt, dass er nicht so viel Geld habe, würden seine Mitarbeiter einfach fragen: "Wie viel haben Sie denn?"

Plasbergs Strategie, mit der Person Kusch und seinem Verein zu provozieren, ging allerdings nur teilweise auf. Denn das Thema Sterbehilfe, das hat die Diskussion gezeigt, braucht keine Provokation. Es ist ohnehin emotional aufgeladen und geht jeden etwas an, weil der Tod nunmal jeden etwas angeht. Deshalb war es auch nicht Kusch, der die Diskussion bestimmte. Es war vielmehr die Palliativmedizinerin Susanne Riha, die sehr durchdacht und sensibel argumentierte. Sie könne den Wunsch eines Patienten, nicht mehr weiterzuleben, nachvollziehen. Aber als Ärztin wünsche sie sich die Möglichkeit, zu sagen, dass sie es mit ihrem Gewissen nicht vereinabren könne, jemand anderem den Tod zu bringen.

"Ich fühle mich als Ärztin unter Druck gesetzt", sagte Riha. Sie habe Sorge, dass durch eine Legalisierung die Sterbehilfe zu einer ärztlichen Pflicht werde, die der Patient einfordern könne. "Ich will nicht zur Verfügung stehen für eine einzufordernde Behandlungsleistung, die Sterbehilfe heißt", sagte Riha. Sie habe außerdem "Angst vor einem Shift in eine Tendenz zu einem zu frühen, assistierten Suizid." Sie fühle sich sich verpflichtet, Leben zu schützen und nicht, es zu beenden.

​​Bewegendster Moment

Zum Ende der Sendung wendete sich Plasberg an Anne Schneider, die Frau von Nikolaus Schneider. Sie litt an Brustkrebs und hat ihre Tochter an Leukämie verloren. Anders als ihr Mann, befürwortet sie die ärztliche Sterbehilfe. Sie habe mit dem Gedanken gespielt, in die Schweiz zu fahren, erzählt Schneider. Und ihr Mann hätte sie begleitet, obwohl er Sterbehilfe ablehnt. "Die Liebe gilt immer", sagte Nikolaus Schneider. "Ich werde zu ihr stehen, auch wenn sie Schritte geht, die ich für falsch halte. Ich werde sie auf diesen Schritten nicht allein lassen."

Das Ehepaar Schneider lieferte damit auf eine sehr persönliche Art die Erkenntnis des Abends: Ob sich jemand dafür oder dagegen entscheidet, sein Leben mithilfe von Ärzten oder auf andere Weise zu beenden, ist eine sehr intime Frage. Doch egal, wie die Entscheidung ausfällt, niemand möchte mit ihr allein gelassen werden. Nicht von den Menschen, die man liebt. Und auch nicht von den Ärzten, denen man vertraut. Deshalb ist es wichtig, dass die rechtliche Situation der Ärzte, die Menschen in den Tod begleiten, abschließend geklärt wird.

(lsa)
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