TV-Kritik Frank Plasberg "Hart aber fair" "Man bekommt keine Gerechtigkeit, sondern ein Urteil"

Düsseldorf · Ecclestone, Kachelmann, Hoeneß. Frank Plasberg befasste sich bei "Hart aber Fair" mit der Frage, ob Reiche und Promis vor Gericht besser davonkommen. Norbert Blüm nervt, ein Anwalt hält Wahrheit für überbewertet, Edathy löst Tumulte aus. Der Talk eröffnet bemerkenswerte Einsichten in die Justiz.

 Norbert Blüm wetterte bei Plasberg gegen Willkür in der deutschen Justiz.

Norbert Blüm wetterte bei Plasberg gegen Willkür in der deutschen Justiz.

Foto: Screenshot ARD

"Reichen- Rabatt und diskrete Deals — wie gerecht ist die Justiz?", lautet die Frage am Montagabend bei Plasberg. Die These: Geld und Prominenz können die Chancen auf ein mildes Urteil verbessern. Als Kronzeugen dienen gewissermaßen die Fälle Ecclestone (Verfahren gegen 75 Millionen eingestellt), Edathy (5000 Euro) und Hoeneß (Dreieinhalb Jahre Haft für 28,5 Millionen Euro hinterzogener Steuern, seit Januar Freigänger).

Als Gäste sind Fachleute und ein Moralist geladen. TV-Anwalt Ingo Lenßen, Medienanwalt Ralf Höcker, Christoph Frank, Vorsitzender des Deutschen Richterbunds, die Journalistin Anna von Bayern und als Kontrapunkt Norbert Blüm, Ex-Bundesminister und jüngst aufgefallen mit satter Kritik am deutschen Rechtssystem in seinem Buch "Einspruch! Wider die Willkür an deutschen Gerichten."

Wie an der Wursttheke

So war es insbesondere Blüm, der der in der deutschen Gesellschaft weit verbreiteten Skepsis an der Rechtsprechung eine Stimme gab. Nur 26 Prozent der Deutschen gehen davon aus, dass es vor Gericht mit rechten Dingen zugeht, so eine von Plasberg zitierte Umfrage. Und so monierte auch Blüm, in diesem Land ließe sich mit genügend Geld das Recht beugen. Dabei gehe es mitunter zu wie in der Metzgerei. "Darf es noch ein bisschen mehr sein?".

Auch die "Bild"-Journalistin und Guttenberg-Biografin Anna von Bayern zeigte sich betont skeptisch und äußerte Misstrauen gegenüber den sogenannten Deals, bei denen es unter Verzicht auf die Wahrheitsfindung gegen eine Geldbuße zur Einstellung des Verfahrens kommt. Das hinterlasse oftmals schon einen bitteren Beigeschmack.

Umso größer der Aufruhr bei den Vertretern der Justiz. Insbesondere Christoph Frank verwahrte sich gegen die Vorwürfe. Die Regeln seien für alle gleich. Auch im Fall Ecclestone. Aus Sicht Blüms war dessen Zahlung von 75 Millionen an die Staatskasse nicht mehr als ein mickriges Almosen. Frank hingegen verwies auf die erheblichen Probleme im Verfahren, Ecclestone überhaupt etwas nachweisen zu können. Seine Logik: Besser 75 Millionen als ein Freispruch aus Mangel an Beweisen.

Erhellende Details aus dem Fall Kachelmann

Schwer genervt von Blüm zeigte sich Medienanwalt Höcker. Er warf dem Buchautor einseitige Recherche vor und nicht mit beiden Seiten gesprochen zu haben. "Sie gucken sich drei Fälle an, die ihnen nicht gefallen, und sagen: 'Das deutsche Recht ist schlecht'", hielt der kühl argumentierende Anwalt Blüm vor. Die sogenannten Deals seien hingegen kein Ausdruck von Sonderregeln für Reiche, sondern fänden auch bei ganz normalen Beschuldigten Anwendung. Immer wieder kam es zu Sticheleien zwischen ihm und Blüm, bis Kollege Lenßen entnervt intervenierte: "Nun hören Sie doch mal auf zu streiten."

Justitia, so besagt es das Ideal des Rechts, urteilt mit verbundenen Augen, ungeachtet der Stellung der Menschen vor Gericht. Ein Wunschtraum, auch das machte die Sendung deutlich. Der Vorstellung, dass Justitia jeden Fall gleich behandle, wollte am Ende keiner der Rechtsexperten zustimmen. Höcker erläuterte das mit unterhaltsamen Details aus seiner Begleitung des Angeklagten Jörg Kachelmann. Ja natürlich, den habe er vor dem ersten Prozesstag zum Friseur geschleift, damit der einen ordentlichen Eindruck hinterlasse. Für die Urteilsfindung spielten eben viele Faktoren eine Rolle. Neben Vorgeschichte auch Frisur, Kleidung oder das Benehmen. Von einem Promi-Bonus kann zumindest hier kaum die Rede sein.

"Keine Gerechtigkeit, sondern ein Urteil"

Dass die Vorstellung der absoluten Ungebundenheit des Rechts sich in der Praxis kaum aufrecht erhalten lässt, daran ließ auch Lenßen keinen Zweifel. "Im Gerichtssaal kriegt man keine Gerechtigkeit, sondern ein Urteil", weiß er aus seiner Erfahrung. Und ja, mit mehr Geld ließe sich eben auch länger ein guter Anwalt finanzieren. Keinerlei Scheu zeigte Lenßen dabei, die Kosten dafür offenzulegen. Bis zu 5000 Euro nimmt ein Spitzen-Anwalt für seine Dienste. Pro Stunde.

Bei Plasberg ließ er Blüm seine Beratung in Form eines Beispiels aber kostenfrei angedeihen. Wenn der geblitzt werde, auf dem Foto aber nur unscharf zu erkennen sei, müsse er als Anwalt noch nicht einmal lügen, um ihn aus dem Verfahren herauszuhalten, weil ihm der Verstoß eben nicht zweifelsfrei zuzuordnen sei.

Das Beispiel lenkte die Diskussion in eine hoch interessante Auseinandersetzung über den Zusammenhang von Moral und Recht. Blüm nämlich bestand darauf, dass das Recht auch Ausdruck eines gesellschaftlichen Normensystems sein müsse, in dem es letztlich um Wahrheitsfindung gehen müsse. Grund genug für ein schlechtes Gewissen, wenn ihn ein Anwalt aus einem Verfahren heraushalte, obwohl er zu schnell gefahren sei.

Anna von Bayern empört sich

Anders die Anwälte. Aus ihrer Sicht würde wohl eine deutliche Mehrheit die Chance nutzen, mit verfahrenstechnischen Tricks einer Strafe zu entgehen. Eine Haltung, die nicht nur legitim, sondern auch im Sinne rechtlicher Logik ist, wie sie deutlich machten. Denn: Wo sich nicht zweifelsfrei etwas beweisen lässt, kann ein Gericht auch nicht urteilen.

Wie kategorisch Anwälte in solchen Dingen ticken, zeigte insbesondere Höcker, der darauf bestand, dass man den wegen Kinderpornos angeklagten Sebastian Edathy nicht als schuldig bezeichnen dürfe. Niemand von den vielen, die jetzt über ihn urteilen, habe die Bilder gesehen, niemand habe ihm hieb- und stichfest einen Verstoß gegen deutsches Recht nachweisen können, argumentierte der Anwalt. Sehr zum Unmut von Anna von Bayern, die schier außer sich geriet, Edathy Arroganz und Unrechtsbewusstsein vorwarf. Höcker hielt dagegen. Von einem Unrechtsbewusstsein dürfe man nicht sprechen, dann nämlich unterstelle man ihm, dass er sich Kinderpornographie angesehen habe, "was nicht feststeht. Punkt."

Frank Plasberg bezeichnete im Lauf der Sendung die Diskussion einmal als "nahrhaft". Man darf ihm zustimmen. Eine Gesellschaft tut gut daran, über Grundlagen und Bedingungen ihrer Rechtsprechung Gedanken zu machen. Sonst geht der Justiz ihr Fundament verloren.

(pst)
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