"Hart aber fair" mit Frank Plasberg Merkel heißt jetzt Daimagüler

Düsseldorf · Spannender Talk bei Plasberg. Promi-Einwanderer wie Peter Maffay, Nazan Eckes oder Neven Subotic zeigen auf, wie ungerecht Deutschland sein kann. Nach einem Einspieler durchweht ein Hauch von Lügenpresse das Studio. Der TV-Check.

Das ist Frank Plasberg: Alle Infos zum TV-Journalisten und Moderator
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Das ist Frank Plasberg

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Foto: dpa/Horst Galuschka

Darum ging's

Einwanderung und die Voraussetzungen für gelungene Integration. Titel der Sendung: "Gekommen um zu bleiben — wie werden aus Einwanderern Deutsche?"

Darum ging's wirklich

Vor allem zu Beginn der Sendung gibt es keine Diskussion, sondern Raum für Biografisches. Die Promi-Gäste erzählen ihre Einwanderungsgeschichte. Und zeigen, wie hart es als Migrant oder Flüchtling sein kann, in diesem Land anzukommen.

Die Runde

  • Peter Maffay Im Alter von 13 Jahren floh er mit seinen Eltern aus Rumänien nach Deutschland.
  • Nazan Eckes Die Eltern der TV-Moderatorin kamen als Gastarbeiter nach Deutschland.
  • Neven Subotic Als er ein Jahr alt war, flohen seine Eltern vor dem Krieg in Bosnien nach Deutschland.
  • Mehmet Daimagüler, Rechtsanwalt, Sohn türkischer Gastarbeiter, ehemals im FDP-Bundesvorstand
  • Markus Söder, CSU, Bayerischer Finanzminister und parteiinterner Rivale von Horst Seehofer

Drei Erfahrungen mit dem deutschen Staat

  1. Subotic ist der einzige, der wirklich als Kriegsflüchtling nach Deutschland kam. Zehn Jahre lang lebte er als Kind mit seiner Familie in Baden-Württemberg, war bestens integriert, aber nur geduldet. Nach zehn Jahren kam die Ausweisung. "Nur mit Glück kamen wir in einem US-Programm unter", sagt Subotic. Den Helfern und Bewohnern in der kleinen Gemeinde, in der er aufwuchs, ist er bis heute dankbar.
  2. Daimagüler ist das Kind türkischer Gastarbeiter, wuchs im Siegerland auf, wurde dort geboren. "Ich war 16, als mein Vater starb", erzählt er. "Kaum hatten wir ihn unter die Erde gebracht, kam schon der Brief von der Behörde, dass wir gehen müssen, weil der Ernährer weg ist." An Söder gerichtet fragt er: "Können Sie sich das vorstellen, wie das ist, wenn du hier aufgewachsen bist und dann ein Brief kommt, der sagt, du gehörst gar nicht hierher?"
  3. Nazan Eckes wurde als Tochter von türkischen Gastarbeitern in Köln geboren. Ihre Lehrer wollten sie auf die Hauptschule schicken. Sie wehrte sich, machte erst Abitur und dann Karriere. Sie bedauert, dass ihre Mutter bis heute nur schlecht Deutsch spricht.

Einer gegen alle

Die Sendung hätte auch heißen können "Markus Söder gegen den Rest der Welt". Er ist als einziger Vertreter einer rigiden Flüchtlingspolitik gekommen und warnt auch an diesem Abend vor einer Überforderung der deutschen Gesellschaft durch zu viel Zuwanderung. Am ehesten ist noch Maffay auf seiner Seite. Der vergleicht die Aufnahmefähigkeit einer Gesellschaft mit einem Schwamm. Kommt zu viel Wasser, tropft es unten wieder heraus, weil er nichts mehr aufsaugen kann. Er verweist auf eigene Erfahrungen. Auf seinem Gut in Bayern gibt er 19 Flüchtlingen ein Zuhause.

Streit des Abends

Zwischen Söder und Daimagüler knallt es. Mehrfach. Der Rechtsanwalt schließt die Erzählung seiner eigenen Familiengeschichte mit dem bedrückenden Statement: "Da ist der Rechtsstaat nicht mehr ein Freund und Helfer, sondern jemand, der die eigene Existenz bedroht!" Er habe nur bleiben können, weil seine Familie die Sachbearbeiterin in der Behörde angebettelt habe. "Das ist wie eine Lebenslotterie."

Söder wehrt sich. Generell zu sagen, der deutsche Rechtsstaat sei eine Bedrohung, das Land sei nicht hilfreich, sei falsch. "Ein Generalverdacht gegen die deutsche Gesellschaft ist der falsche Weg." Das ist einigermaßen dreist, hatte Daimagüler doch ausdrücklich seine eigene Perspektive geschildert und sogar die Politiker aufgefordert, sich mal in diese Lage zu versetzen.

Söders Behauptung "Wer es hier schaffen will, der kann es auch schaffen" steht im krassen Widerspruch zu der Schilderung, nur durch erniedrigendes Betteln sei ein Verbleib im Land möglich gewesen. Auch der Fall Subotic lässt Söder alt aussehen. Er schließt sich der altbekannten Forderung nach schnelleren Verfahren an.

Satz des Abends

"Wir schaffen das, wir schaffen das schon."

Mehrfach formuliert bei Plasberg der Anwalt Daimagüler den Satz, der noch im Herbst das Mantra der Kanzlerin war. Merkel sagt ihn längst nicht mehr. Daimagüler aber fordert leidenschaftlich: Wir brauchen Zuwanderung, müssen endlich aufhören, nur negativ davon zu sprechen. Merkel heißt jetzt Daimagüler.

Bizarrster Dialog

Ein Hauch von Lügenpresse ist nach einem Einspieler im Studio zu spüren. Plasberg hatte Einwanderer auf der Straße befragt, ob Deutschland noch mehr Flüchtlinge aufnehmen soll. Das Echo gespalten. Auffällig: Die meisten sprachen nur gebrochen Deutsch. Eckes wundert sich.

Eckes: "Ich musste schmunzeln. Man hätte auch türkische Studenten an Unis fragen können. Es war nur eine dabei, die gut Deutsch gesprochen hat. Die hat man wahrscheinlich noch schnell reingeschnitten."

Plasberg: "Wissen Sie, wie ich das mache? Ich guck mir immer die ganze Umfrage an und achte darauf, dass das wirklich das ist, was der Kollege an einem langen Tag in Dortmund auch aufgenommen hat."

Eckes: "Dann glaube ich das jetzt einfach mal."

Plasberg (etwas verlegen): "Das finde ich nett von Ihnen."

Aufregendster Gast

Sehr leidenschaftlich, sehr authentisch der Auftritt von Mehmet Daimagüler. Durch seine Erzählungen wird deutlich, wie sehr man als Deutscher türkischer Abstammung tagtäglich unter kleinen Schikanierungen zu leiden hat, etwa bei der Polizeikontrolle. Gleichzeitig gibt er offen zu, wie sehr er sich danach sehnt, einfach nur dazuzugehören. Seine manchmal wirren Angriffe auf Söder (Betreuungsgeld, Gleichberechtigung) irritieren allerdings.

Erkenntnis

Integration lebt von den einzelnen Menschen und ihrem Umgang miteinander. Die Ressentiments aber sitzen tief. Plasberg weist am Ende der Sendung aufmerksam darauf hin, indem er einen Satz von Daimagüler aufgreift. Der sagte: "Ich glaube, dass wir als Deutsche viele Sachen richtig gemacht haben." Darauf Plasberg: "Wie lange wird es dauern, bis kein Zuschauer mehr sagt: Wieso hat der Türke Daimagüler eigentlich von 'Wir Deutschen' gesprochen?"

(pst)
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