Hart aber fair mit Frank Plasberg In Dinslaken Salafist, in Sachsen Nazi

Düsseldorf · Frank Plasberg erörtert, ob Terror und Gewalt aus dem Islam erwachsen. Überraschende Ansichten werden laut. Eine Grüne sieht in Salafisten die besseren Sozialarbeiter. Ein Historiker spricht über Juden, Affen und Schweine. Ein Nahost-Kenner spricht das Kernproblem der deutschen Islamverbände an. Der Schnell-Check.

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Das ist Frank Plasberg

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Foto: dpa/Horst Galuschka

Darum ging's

Das Thema der Sendung​ klingt vertraut. Allzu oft wurde schon in deutschen Talkshows über die Rolle des Islam im Zusammenhang mit IS, Salafismus und Terrorismus diskutiert, auch bei Plasberg. Die Brüsseler Anschläge lassen Plasberg erneut den Finger in die Wunde legen. Seine Frage: Terror im Namen Gottes — hat der Islam ein Gewaltproblem?

Darum ging's wirklich

Eigentlich hätte nur systematische Ursachenforschung eine Antwort auf die sehr grundsätzliche Frage geben können. Das aber hat noch keine Talkshow geschafft. Auch bei "Hart aber fair" würfeln die Gäste fröhlich ihre Argumente durcheinander. Eine große Rolle spielen Salafismus und die Rolle der Verführer.

Die Runde

  • Constantin Schreiber, spricht fließend arabisch, macht in "Marhaba" (n-tv) Fernsehen für Flüchtlinge, produziert TV-Sendungen im Nahen Osten
  • Holger Münch, Präsident des Bundeskriminalamtes (BKA)
  • Abdassamad El-Yazidi, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Hessen
  • Katrin Göring-Eckardt, Fraktionschefin der Grünen
  • Michael Wolffsohn, Historiker
  • Dominic Musa Schmitz, im Einzelgespräch, ehemaliger Salafist ​

Frontverlauf

Vor allem Abdassamad El-Yazidi hat es schwer. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Hessen wehrt sich gegen den Vorwurf, der Islam könne eine Brutstätte des Terrors sein. Der Koran sei doch auch eine Schrift der Barmherzigkeit, Terror und Extremismus seien ein gesamtgesellschaftliches Problem.

Am ehesten ist noch Göring-Eckardt auf seiner Seite. Sie warnt immer wieder vor Pauschalisierungen. Die allermeisten Extremisten stammten eben nicht aus religiösen Familien, sondern seien typischerweise auf der Suche nach Orientierung und klaren Antworten. "Um die müssen wir uns kümmern", sagt sie. "Und manchmal hat man das Gefühl, die Salafisten sind leider die besseren Sozialarbeiter." Dazu verweist sie auf deren Angebot an einfachen Antworten in Schwarz und Weiß, das Versprechen, sich an einer großen Sache beteiligen zu können, das Gefühl der Zugehörigkeit.

Klarer Widerspruch kommt von dem alten Historiker Michael Wolffsohn und dem jungen Journalisten Constantin Schreiber. Für den ehemaligen Professor hat der Islam es versäumt, sich durch eine distanzierte Auslegung des Korans von der Gewalt der Texte zu emanzipieren. Dass auch die Bibel blutrünstig sein kann, illustriert ein Einspieler Plasbergs: Er nimmt Passanten auf die Schippe, indem er ihnen angebliche Passagen aus dem Koran vorlegt, die in Wahrheit aus der Bibel stammen.

Argument des Abends

Schreiber hingegen hält sich mit Textanalyse der heiligen Schriften gar nicht erst auf. In seinen Augen hat der Islam allein ein Gewaltproblem durch die Tatsache, dass sich in seinem Namen Menschen in die Luft sprengen. Scharf greift er El-Yazidi als Vertreter der muslimischen Verbände an. Der Kampf gegen den Islamismus müsse doch zuallererst von den Muslimen ausgehen. "Es braucht mehr als Distanzierungen", sagt Schreiber. "Das Schweigen ist die größte Gefahr." El-Yazidi wirkt hilflos. Später fügt er noch an, dass selbst die Imame nicht mehr in der Lage seien, die jungen Männer zu erreichen, die sich radikalisieren.

Überraschung des Abends

So überraschend wie erhellend sind die Ergebnisse einer Studie, die BKA-Präsident Holger Münch erläutert. In 40 Fällen wurden die Biographien von Extremisten in Deutschland haarklein auseinandergenommen. Das Ergebnis war immer dasselbe: Die betroffenen Personen blickten alle auf ein zerrüttetes Leben zurück, hatten keinen Halt und keine Perspektive. Schlüsselsatz: Welcher Ideologie sich die Männer am Ende anschließen, ist letztlich reiner Zufall. Entscheidend sei dann die Peergroup. In Dinslaken werde so einer dann eben Salafist, in Sachsen Nazi.

Gast des Abends

Schreiber kann viel aus seinen Kontakten in der arabischen Welt berichten. Daraus stammt die Erfahrung, dass oftmals aus falschem Respekt gegenüber Autoritäten geschwiegen wird, wenn es eigentlich darum gehen müsste, freiheitliche Grundwerte zu verteidigen. Aber auch, dass in der arabischen Öffentlichkeit genauso intensiv und vielfältig, manchmal sogar schärfer über den Islamismus diskutiert wird als hierzulande.

Lacher des Abends

Wenn Wolffsohn spricht, dann immer höflich, aber auch belehrend und professoral. An einer Stelle hat er aber wegen seiner Schlagfertigkeit die Lacher auf seiner Seite. Es geht um eine Passage im Koran. Dort sei wörtlich von Juden als Schweine oder Affen die Rede.

"Sie sind Jude, das muss man glaube ich dazusagen", wirft Plasberg ein.

Wolffsohn: "Ja, ok, das ist unabhängig davon, aber das stimmt trotzdem."

Plasberg lacht verlegen. Dass Wolffsohn dafür bekannt ist , sich als Jude nie mit einem Opfer-Habitus umgeben zu wollen, hätte er wissen können. ​

Erkenntnis

Das Thema ist schon so vielfach diskutiert worden, dass selbst der Austausch mit dem Salafisten-Aussteiger Dominic Musa Schmitz keine neuen Einsichten liefert. Die Ergebnisse der BKA-Studie aber erhärten die Erkenntnis, dass Radikalisierung vor unser Haustür in unserem unmittelbaren Umfeld stattfindet. Göring-Eckardt ist zuzustimmen, wenn sie mehr Islam-Unterricht und eine Ausbildung von Imamen in Deutschland fordert. Zudem ist im Kampf gegen Extremisten insbesondere die Stimmer der muslimischen Verbände wichtig, weil Kritik von anderer Seite in der islamischen Welt oftmals als belehrend empfunden wird.

(pst)
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