TV-Kritik "Hart aber fair" Journalist erteilt Lektion in Sachen Anstand

Düsseldorf · Steuertricks von Anwälten und großen Firmen mögen legal sein, beliebt beim Bürger sind sie nicht. Die Gäste bei "Hart aber fair" jonglieren mit Moral und Recht, und Frank Plasberg vergeht zuletzt die Lust auf sein neues Smartphone.

Darum ging's

"Steueroase Europa — wie uns Konzerne und Super-Reiche abzocken" ist Frank Plasbergs Montagabend-Thema. Von seinen Gästen will er wissen, was gegen legale Tricks wirken könnte. Neue Enthüllungen, etwa die als "Paradise Papers" bekannt gewordenen Unterlagen, zeigen, wie auch EU-Nachbarländer Großkonzernen beim Steuersparen helfen. Frank Plasberg möchte diskutieren, ob schärfere Gesetze sich als Gegenmittel eignen. Können EU-Länder gemeinsam etwas gegen globale Konzerne und Gier ausrichten? Oder kämpft beim Thema Steuern in der EU jeder gegen jeden?

Darum ging's wirklich

Drei Politiker, eine Steuerrechtsprofessorin und ein Journalist diskutieren darüber, wie große Konzerne legale Nischen nutzen. Vor allem beschäftigt sie die Frage, ob alles was rechtlich okay, auch moralisch vertretbar ist. Empörung bleibt nicht aus, aber meistens wägen die Gäste ab, wie die Tricks großer Firmen vermieden werden könnten. Journalist Georg Mascolo hilft den Zuschauern mit klarer Sprache durch den Steuerdschungel.

Die Gäste

  • Michael Meister, CDU-Staatssekretär beim Bundesminister der Finanzen
  • Jean Asselborn, Minister für auswärtige und europäische Angelegenheiten in Luxemburg
  • Johanna Hey, Leiterin des Instituts für Steuerrecht an der Universität Köln
  • Georg Mascolo, Journalist, Leiter des Investigativ-Rechercheteams von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung
  • Sven Giegold, Europaabgeordneter der Grünen, Sprecher für Wirtschafts- und Finanzpolitik

Frontverlauf

Zum Auftakt stellt Frank Plasberg einen roten Nike-Turnschuh auf den Tisch. Plasberg will erklären, weshalb die Firma für den Turnschuh vom Verbraucher in Berlin zwar 79 Euro kassiert, dieses Geld aber dank geschickter Auslegung von Lizenz- und Markenrechten lieber günstiger in Holland versteuert. Georg Mascolo, Leiter des investigativen Rechercheverbunds von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, hat die "Paradise Papers" ausgewertet, die offenbaren, wie Superreiche und Großunternehmen mit Hilfe von Steueranwälten - oft legal - Milliarden an Steuern und Abgaben sparen. Den Nike-Kniff erklärt der Journalist dem Publikum so: "Nike zahlt Geld an Nike, damit es einen Schuh verkaufen darf, der Nike heißt."

Er lässt keinen Zweifel daran, dass er derlei Methoden für hochgradig unmoralisch hält. "Der Satz 'Das gehört sich nicht' spielt aber offenbar keine Rolle mehr", klagt der Journalist. Er gönne Firmen, dass sie Gewinne machen, aber Chancengleichheit sehe für ihn anders aus.

Deutsche Lämmer umgeben von Wölfen

Die Kölner Professorin für Steuerrecht, Johanna Hey, und CDU-Staatssekretär Meister sagen, es sei lange bekannt, dass nicht nur Mini-Länder sondern auch größere EU-Staaten wie die Niederlande Konzernen ermöglichen, Nischen auszunutzen. Meister hofft, mehr Transparenz zwischen den Staaten könne helfen, derlei künftig einzudämmen. Johanna Hey erinnert daran, dass Länder autonom ihre Steuergesetze bestimmen dürften. Allerdings könnten EU-Staaten natürlich versuchen, auf politischem Weg Einfluss auf die Partnerländer auszuüben.

Der Luxemburger Außenminister Asselborn verteidigt sein Land, in dem nach früheren Enthüllungen die Signale verstanden worden seien und Firmen jetzt beweisen müssten, dass sie dort eine Direktion haben, aktiv sind und eine klar festgelegte Anzahl von Mitarbeitern haben. Luxemburg gilt ebenfalls als Steueroase inmitten der EU. "Wir haben uns dafür geschämt, dass Firmen uns als Standort ausgenutzt haben", sagt der Außenminister, mahnt aber: "Wir müssen aufpassen, dass wir nicht Menschen außerhalb Deutschlands den Eindruck vermitteln, dass in Deutschland alle Lämmer sind und rundherum nur Wölfe leben"

Müssen Journalisten die Papiere weitergeben?

Von Mascolo will Plasberg wissen, welches Recht Journalisten haben, Namen zu nennen, wenn es sich doch um legale Steuerpraktiken handelt. Der Journalist verteidigt den Schritt: Ein Großteil der Daten bleibe unveröffentlicht, da irrelevant für die Öffentlichkeit. Anderes würde publik gemacht, um eine notwendige Diskussion über die Methoden anzustoßen. Meister gibt zu, er hätte die Papier auch selbst gern mal eingesehen. Er hat allerdings mit dem Wunsch keine Erfolg bei Mascolo: Die Daten, die bei der "Süddeutschen Zeitung" eingegangen sind, würden nicht weitergegeben, um die Informanten zu schützen, so Mascolo.

Der Grünen-Europapolitiker Giegold findet das in Ordnung: Man müsse den Journalisten dankbar sein, dass sie Druck ausübten, da die Politik es über 30 Jahre nicht geschafft habe, diese Schlupflöcher zu schließen: "Was man kritisieren muss, ist die Unfähigkeit der Politiker, eine Situation zu bewirken, in der alle gerecht ihre Steuern zahlen." Plasberg hat noch eine andere Vermutung: Hat vielleicht die Veröffentlichung der "Panama Paper" seinerzeit erst so richtig Werbung für derlei Methoden gemacht? Mascolo meint: nein. Seiner Meinung nach erlaubten sich viele Firmen derlei Schlupflöcher-Geschäfte und Geldtransfers nur, weil alles im Verborgenen ablaufe. Er hofft, mehr Transparenz und die Veröffentlichungen trügen zur Abschreckung bei.

Chance für EU ohne Oasen im Ärmelkanal

Hey sieht die Chancen auf eine abschreckende Wirkung skeptisch. Sie glaubt, das Risiko der Rufschädigung sei zwar real, aber es schade den Umsätzen nicht. Es sei vielmehr politischer Druck angebracht, der funktioniere aber nur durch harte Maßnahmen. Außerdem müssten sich Staaten untereinander einigen. Giegold hofft, die EU könne ohne Großbritannien das Netzwerk der Steueroasen etwa im Ärmelkanal künftig besser schließen.

Mascolo erklärt, auf der winzigen Isle of Man seien tausend Flugzeuge registriert, was den Besitzern Millionen an Steuern erspare. "Derlei Steuerschlupflöcher werden von den Menschen als zutiefst ungerecht empfunden und sind schädlich für den Zusammenhalt dieser Gesellschaft", sagt er. Deshalb müsse jeder selbst überlegen, ob er solche Geschäfte befördere, anbiete oder annehme. Vielleicht müssten die Konzerne und Superreichen den in Vergessenheit geratenen Satz "Es gehört sich nicht" wieder lernen.

Für CDU-Mann Meister dreht sich die Debatte zu viel um Ethik. Es gehe ja nicht um den Steuerwettbewerb zwischen Ländern und Firmen, sondern um unfaire Steuerpraktiken. Dazu gehören in seinen Augen: Gesellschaften, die in den Ländern nicht aktiv sind, extrem niedrige Steuersätze und der Unwille mit anderen Ländern zu arbeiten. Auch Hey rät: "Wir müssen zwischen Moral und der Frage, was wir aufgrund von Gesetzen beisteuern können unterscheiden."

Giegold hält einen Mindeststeuersatz für alle EU Länder für einen Schritt in die richtige Richtung. Plasberg erinnert daran, dass die EU 2016 bereits eine Richtlinie gegen Steuervermeidungen von Großkonzernen verabschiedet habe. Die Verschärfung sei vom EU-Parlament abgesegnet, müsse aber noch von Ministerrat beschossen werden.

Für Mascolo agieren die Politiker dennoch zu langsam. Auch ohne ein Steuerrechtsseminar zu belegen, könne jeder einfach erkennen, wenn Dinge nicht in Ordnung seien: "Wenn ich vor einem dreistöckigen Haus stehe, in dem 700 Firmen registriert sind, dann weiß ich, da ist was nicht in Ordnung. Wenn auf einer Kleinst-Insel tausend Flugzeuge registriert sind ist, weiß ich, dass da etwas nicht in Ordnung ist." Wenn ein gut verdienendes, internationales Unternehmen seinen Satz auf 13 Prozent Steuern drücken könne, wisse er auch, da laufe was falsch, erklärt er. "Wir diskutieren über diese Dinge schon viel zu lange."

Apples Irland-Geschäft

Dann wirft Plasberg ein Zahlenbeispiel in die Runde, das ihm zuletzt den Abend vermiest. Er erklärt, wie Apple in Irland 13 Milliarden Euro Steuern gespart habe und Amazon in Luxemburg 250 Millionen - eine Ausnutzung illegaler Vergünstigungen, gegen die die EU juristisch vorgehen will. Asselborn kündigt an, sein Land werde dagegen klagen. Derlei Klagen dürften auch extrem erfolgreiche Firmen nicht zwangsläufig zur Ethik erziehen, befürchtet Mascolo. Er begründet das mit einem Stück Papier, das er aus der Hosentasche zieht. Auf dem Zettel hat er die Fragen notiert, nach denen Apples Steueranwälte Länder auf ihre Tauglichkeit als künftige Firmensitze prüften:

  1. Können Sie garantieren, dass man keine Steuern zahlen muss?
  2. Welche Informationen sind öffentlich einsehbar?
  3. Könnten sich aktuelle Gesetze unvorteilhaft verändern?
  4. Gibt es eine Opposition, die die Regierung bald ersetzen könnte?

Frank Plasberg gibt zu, damit sei für ihn persönlich der Abend gelaufen: "Ich habe heute mein neues iPhone bekommen, aber noch nicht ausgepackt. Jetzt haben Sie mir den Abend verdorben."

(juju)
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